In deutschen Gärten und Grünanlagen könnten in großem Stil gefährdete Pflanzenarten gedeihen. Mehr als 40 Prozent der hierzulande auf der Roten Liste stehenden Spezies seien potenziell gärtnerisch nutzbar, berichtet ein Forschungsteam um Ingmar Staude von der Universität Leipzig im Fachjournal Scientific Reports. Zwei Drittel dieser Arten seien bereits im Pflanzenhandel erhältlich, wenn auch oft nur bei einigen wenigen Erzeugern.
Potenzial bieten solche Pflanzen wie Berg-Lauch (Allium lusitanicum), Waldanemone (Anemone sylvestris) und Gewöhnliche Pechnelke (Viscaria vulgaris) demnach nicht nur zur Erhaltung der Artenvielfalt, sondern auch zur Klimaanpassung bei städtischen und ländlichen Gärten und Grünflächen. Verglichen mit herkömmlichen Gartenspezies bevorzugten sie häufiger trockene, nährstoffarme Böden – der Wässerungs- und Düngebedarf sei geringer. Damit einher gehe eine mögliche Senkung von Kosten und Ressourcen für die Pflege von Gärten.
Welche Pflanzen aber eignen sich für den eigenen Garten?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezogen die Roten Listen aller 16 Bundesländer, Daten einer Plattform für Gartenpflanzen sowie Angebotspaletten von Produzenten einheimischer Pflanzen, mit ein. Mithilfe dieser Daten konzipierten sie eine App (https://conservationgardening.shin\u0002yapps.io/app-de/), die regionenspezifische Listen gefährdeter, für Gärten geeigneter Pflanzen sowie praktische Anleitungen für Pflanzung und Kauf bietet. Sie könne Gärtnern helfen, sich einen Überblick zu verschaffen und die Einstiegsschwelle zu senken, sind die Forschenden überzeugt.
Der Analyse zufolge stehen im Mittel 845 Pflanzenarten in den Bundesländern auf der Roten Liste (zwischen 515 bis 1123), 41 Prozent davon sind für den Gartenbau geeignet (zwischen 29 und 53 Prozent je nach Bundesland). Bundesweit gebe es in der Summe 988 potenziell in Gärten nutzbare solche Arten, 66 Prozent davon (650) seien bereits im Handel erhältlich. Zu berücksichtigen sei bei diesen Werten allerdings, dass die Einstufung nach Datenbank-Angaben und nicht durch praktische Erfahrungen bestätigt erfolgte.
Baumärkte bieten meist ein Portfolio der immer gleichen Pflanzen
Feldversuche müssten noch zeigen, welche Spezies gerade für Hobbygärtner eher nicht geeignet seien. Prinzipiell aber habe eine großflächige Bepflanzung privater und öffentlicher Flächen mit den verwendbaren gefährdeten Arten das Potenzial, den Bedrohungsstatus von Pflanzen in bestimmten Bundesländern um bis zu 50 Prozent und bis zu 25 Prozent in ganz Deutschland zu verringern. Politik und Gartenbauindustrie müssten dafür aber die Verfügbarkeit und Anpflanzung regional rückläufiger heimischer Arten mehr fördern.
Noch immer gebe es in Deutschland eine starke und anhaltende Vorliebe für gepflegte Gärten mit – oft exotischen – Zierpflanzen, heißt es in der Studie. Das liegt unter anderem schlichtweg am Angebot: Gesät und gepflanzt werde häufig, was leicht verfügbar sei – und Baumärkte und Discounter bieten meist ein eintöniges Portfolio der immer gleichen, schnell und günstig zuziehenden Pflanzen und Samen.
Fremdländische Gehölze sind für die Tierwelt fast wertlos
Kaum ein Baumarkt oder Gartencenter biete etwa heimische, wenn auch nicht bedrohte Arten wie Schlehe, Kornelkirsche und Eberesche an, heißt es vom Naturschutzbund (Nabu). Fremdländische Gehölze wie Forsythie, Lebensbaum und Rhododendron seien aber für die heimische Tierwelt fast wertlos. „Während der Rhododendron zum Beispiel keiner einheimischen Vogelart Nahrung bietet, stehen die Früchte der Eberesche auf dem Speiseplan von 63 Vogelarten.“
Der Nabu empfiehlt Verbrauchern, bewusst nach einheimischen Pflanzen zu fragen und Baumärkte dazu aufzufordern, ihr Sortiment um mehr heimische Pflanzen zu erweitern. Es wäre zu befürworten, wenn die Gartenbauindustrie verstärkt heimische Pflanzen anbieten würde, schreibt auch das Team um Staude. Die Forscher betonen: Die ästhetische Schönheit von Gärten sei mit dem Pflanzen heimischer seltener Arten nicht in Gefahr. (dpa)