Der Schnee und der Mensch – man kann bei dieser Beziehung nicht von einer bedingungslosen Liebe sprechen. Also eine, in der der andere immer willkommen ist, mit all seinen Macken. Das liegt natürlich am Menschen, der etwa Pulverschnee auf dem Skihang mag, aber keinen Schneematsch auf der Straße und schon gar keine Schneeschicht auf dem Bürgersteig, die man am Ende selbst wegschippen muss. Nur selten fällt der Schnee jedenfalls genau dann, genau dort und genau in der richtigen Dosierung, dass der Mensch rundum mit ihm zufrieden ist. Dem Schnee ist das natürlich egal. Würde der Schnee nur den kleinsten Funken Gespür für den Menschen haben, dann würde er zumindest an einem Tag im Jahr alles richtig machen: Er würde am 24. Dezember ein bisschen zaubern. Wie zuletzt, ja, wann eigentlich? Erste Frage also.
Schneehöhen 24.12.1970: Balderschwang 30 / München 7 / Nürnberg 2 / Augsburg 3 /Würzburg – /
Wenn man die Deutschen fragt, was sie sich zu Weihnachten wünschen, sagt etwa jeder Dritte: Schnee! Das weiße Sahnehäubchen fürs Weihnachtsfest, wobei das Ergebnis solcher Umfragen ein wenig an mit krakeliger Schrift geschriebene Wunschzettel von Kindern erinnert, auf denen dann zum Beispiel Playstation steht oder Gryffindor-Schwert von Harry Potter oder Einhorn. Kinder, Kinder. Was sind denn das für große Wünsche? Wer soll die denn erfüllen? Und so ist das eben auch mit Weihnachten und dem Schnee. Jedes Jahr wieder auf dem Wunschzettel. Fast jedes Jahr wieder eine Enttäuschung, obwohl man es doch eigentlich weiß…
Schneehöhen 24.12.1975: Balderschwang 33 / München 7 / Nürnberg – / Augsburg 11 / Würzburg – /
Antwort auf die erste Frage also: Vor 14 Jahren lag zum letzten Mal an Heiligabend eine Schneedecke über ganz Deutschland. Ein seltenes Ereignis, sagt der Deutsche Wetterdienst – seit den 1960 Jahren gab es das nur vier Mal: vor 2010 noch 1962, 1969 und 1981. Vier Mal! Beim DWD veröffentlicht man diese Zahlen jedes Jahr, aber bis zum nächsten sind sie offenbar wieder vergessen. Oder verdrängt. Dann kommen wieder die bangen Fragen. „Lösen Sie sich von der pseudoleitkulturellen Obsession, dass Frau Holle zu Deutschland gehört“, hat der Wetterexperte Jörg Kachelmann letztes Jahr im Spiegel darauf geantwortet und fast schon aufmunternd angefügt: „Sie brauchen keinen Schnee, um glücklich zu sein.“ Bei Kachelmannwetter kann man sich auf einer Karte durch jedes Jahr klicken, in jeden Ort, und nachprüfen. Wie sah es da am 24. Dezember aus?
Schneehöhen 24.12.1980: Balderschwang 91 / München – / Nürnberg – / Augsburg / Würzburg – /
Wann aber hat das mit der Sehnsucht nach weißen Weihnachten begonnen? Lange natürlich, bevor Bing Crosby zum ersten Mal „White Christmas“ trällerte, nach Ansicht des Komponisten Irving Berlin nicht nur der beste Song, den er jemals geschrieben hat, sondern der beste Song, der jemals geschrieben wurde. Und geben ihm nicht zumindest die Zahlen recht? Keine andere Single wurde weltweit häufiger verkauft als die Version von Bing Crosby aus dem Jahr 1942, aufgenommen in nur 18 Minuten übrigens. Die ersten Textzeilen klingen nach dem vertrauten Lamento der Altvorderen: I’m dreaming of a white Christmas, Just like the ones I used to know …“ Sehr viel folgt dann inhaltlich nicht mehr, nach den glitzernden Baumwipfeln noch Schlittenglocken, lauschende Kinder, Weihnachtskarten, strahlende Tage … Wobei man sagen muss, im Falle des Komponisten traf das alles vermutlich zu, geboren nämlich in Sibirien. Aber zurück zur Frage …
Schneehöhen 24.12.1985: Balderschwang – / München – /Nürnberg – /Augsburg – / Würzburg – /
Etwa um 1860 begannen offenbar der Schnee und Weihnachten zu verschmelzen. Da nämlich schaffte es die weiße Pracht plötzlich auch auf die Weihnachtspostkarten. Entdeckt hat das die Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez vor einigen Jahren, als sie den Mythos der weißen Weihnacht untersuchte. Auf früheren Weihnachtskarten begegnete ihr noch eher herbstliche Stimmung. Da klettert der Weihnachtsmann noch sicher über schneefreie Dächer, von Schornstein zu Schornstein, einige Jahre später blickt er bereits versonnen vom schneebedeckten Dach, hinter sich eine verschneite Dorfidylle. Wie aber kam der Schnee auf die Karten und in die Köpfe? Rebetez vermutet, einerseits durch den aufkommenden Wintertourismus in den Schweizer Alpen und zunehmend schneeinfizierte Engländer, und zum anderen durch Postkarten aus dem winterlichen Neuengland, dem klassischen Winterwonderland, die die Ausgewanderten an ihre in Europa verharrenden Verwandten schickten. Hängen wir also einem Grußkartenklischee nach? Zum Wandel im Verhältnis des Menschen zum Schnee gleich noch mehr, jetzt aber erst einmal: nivologisches Grundwissen.
Schneehöhen 24.12.1990: Balderschwang 63 / München bis 2 / Nürnberg – / Augsburg 2 / Würzburg – /
Gleich wieder in die Schweiz also, nach Davos und zu Martin Schneebeli, Nivologe, sprich Schneeforscher, lange Jahre Leiter der Forschungseinheit „Schnee und Atmosphäre“ am Schweizer WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung, der auf die Frage, warum die Menschen aufs Wetterphänomen Schnee so emotional reagieren, sachlich antwortet: „Kein anderes Material kann die Welt so schnell verändern und als Augenwesen sind wir von diesem Wandel von Grün zu Weiß immer beeindruckt.“ Das ist das eine. Das andere: Wie schnell sich der Schnee selbst verändert. Sich umformt, sich weiterentwickelt. Filigrane Kristalle, die sich zu Flocken zusammenfinden, auf dem Boden dann zusammenwachsen zur weißen Decke, je nach Bedingung gemeinsam schwer und alt werden. Für ihn als Forscher das Faszinierendste und wenn Schneebeli davon erzählt, wie sich zum Beispiel japanisches von amerikanischem Schneeprofil unterscheidet, was man in der Kältewüste der Arktis, in der er zuletzt für mehrere Monate geforscht hat, über den Schnee entdecken kann, dann kann man als schneeaffiner Zuhörer dahinschmelzen.
Wer weiß das zum Beispiel? Dass der Schnee eines der heißesten Gesteine ist. „Jedenfalls das heißeste Gestein, das so großflächig ist“, so Schneebeli und mit Hinweis auf vielleicht beckmesserische Geologen noch ergänzt: „Die schauen das natürlich nicht als Gestein an, weil für Geologen alles mindestens 1000 Jahre alt sein muss.“ Was heißt hier heiß? Dass der Schnee immer nahe an seiner Schmelztemperatur ist. Null Grad also. Kurz zu den Tageshöchsttemperaturen vom letzten Jahr: Da hatte es am 24. Dezember in Andernach 9,6 Grad, in Freiburg 8,4, in Leipzig 7,6, in Würzburg 7,2, in Augsburg 6,2, in Zwiesel 4,4, in Oberstdorf minus 1,1. Am kältesten war es oben auf der Zugspitze, mit Minus 8,3 Grad. Die Zugspitze eben – höchste Messstation und der einzige Ort in Deutschland, an dem es seit Beginn der dortigen Wetteraufzeichnung 1880 bis jetzt immer weiße Weihnachten gab.
Schneehöhen 24.12.1995: Balderschwang 30/ München – / Nürnberg – / Augsburg – / Würzburg – /
Schneeschwärmerei jetzt? Unbedingt. Ganz Sanftes zum Beispiel von einem oft ganz Wilden, dem Dichter Heinrich Heine: „Draußen ziehen weiße Flocken/ durch die Nacht, der Sturm ist laut;/ hier im Stübchen ist es trocken/ warm und einsam, stillvertraut“. Und klingt dieser Gegensatz auch in den Zeilen der Kindergärtnerin und Lehrerin Hedwig Haberkern an, die unter dem Pseudonym „Tante Hedwig“ dichtete: „Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit? Du wohnst in den Wolken, dein Weg ist so weit. Komm, setz dich ans Fenster, du lieber Stern. Malst Blumen und Blätter, wir haben dich gern.“ Das Gedicht erschien 1852, das Lied 1869. Der Beginn der Schneesehnsucht, der sich auf Weihnachtskarten abzeichnet, in die Literatur hineinschneit. Und der, wie einem jetzt der Kölner Literaturwissenschaftler Martin Roussel sagen wird, auch einen ganz handfesten sozialgeschichtlichen Hintergrund hat. Es musste ab dem späten 18. Jahrhundert erst einmal schön warm werden in den Stuben, die Schneeliebe wortwörtlich angeheizt werden. „Die kalte Außenwelt wird auf einmal aus der Linse einer behaglichen Winterstube gesehen“, sagt Roussel – und geschaffen wird so für weite Teile der Bevölkerung eine ganz neue Perspektive: „Der Schnee ist nicht mehr per se das Lebensferne, das Bedrohliche, sondern aus der Wärme heraus kann der Mensch eine zauberhafte, unberührte Landschaft entdecken.“ Und sich auch einmal voller Vergnügen hineinstürzen, weil er ja weiß, dass er zurück in die Wärme kommt: Die Auszeit im Schnee, die dann – zurückgekehrt ans knisternde Kaminfeuer – auch ein Schriftsteller wie Ernest Hemingway feiert.
Schneehöhen 24.12.2000: Balderschwang 18/ München – / Nürnberg – / Augsburg – / Würzburg – /
Roussel ist übrigens auch eine Art Nivologe, er erforscht den Schnee in der Literatur, kennt Schneeszenen und Schneesätze, hat sich durch irres Schneetreiben bei Thomas Mann, Franz Kafka und Robert Walser gelesen, durch Zauberwelten und Schneehöllen, zitiert jetzt Theodor W. Adorno: „Was ein Kind empfindet, das im Neuschnee seine Spuren hinterlässt, zählt zu den mächtigsten ästhetischen Triebkräften.“ Ist da nicht schon alles drin in diesem einen Satz, der ganze Zauber des Schnees? Der Mitte des 19. Jahrhunderts nun mit Weihnachten als Familienfest verschmilzt und zum Mythos wird, an dem die Literatur mitschreibt, wie Roussel sagt. Auch die Schriftsteller saßen ja nun in den warmen Stuben und entdeckten den Schnee durch die Scheibe neu: In seiner Doppelbödigkeit, strahlend und bedrohlich, als Imaginationsfläche, weiß wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, wo die Fantasie alles neu entstehen lassen kann, als Gleichmacher, der auch alles Spitzkantige verhüllt, als Metapher für einen neuen Anfang, für die Moderne, für die Auslöschung des Alten und die Geburt des Neuen. Und von dieser Aufzählung einmal ausgehend und die klimatischen Bedingungen in Bethlehem ignorierend: Was also passt eigentlich besser zum Weihnachtsfest, zur Geburt eines Kindes, als eben Schneewetter? Wolkig, mit etwas Regen?
Schneehöhen 24.12.2005: Balderschwang 85 / München 4 bis 6 / Nürnberg – / Augsburg 2 / Würzburg – /
Was aber ist nun mit den Erinnerungen? Mit all den Erzählungen von den Tannenbäumen, die sich unter der Schneelast biegen, von Schneeballschlachten und glücklichen rotwangigen Kindern, von Schlittenfahrten gleich hinterm Haus …Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war, so hat der Schriftsteller Joachim Meyerhoff seinen ersten Roman genannt. Genauso verhält es sich mit der Weihnachtsschneesehnsucht. Für alle jene, die nicht erhöht oder irgendwo in Alpennähe groß geworden sind, waren weiße Weihnachten schon immer die Ausnahme, nicht die Regel. Das gilt im Übrigen auch für die Großeltern, wobei die in den 50ern tatsächlich ein paar besonders strenge Winter erlebten – auch da fiel der Schnee aber meist erst nach Weihnachten. Am 24. Dezember rieselte es in Deutschland seltener, als dass es nieselte.
Dass die Erinnerung dennoch eine andere ist, liegt daran, dass der Mensch sich eher an das Besondere erinnert, sich daran erinnern möchte – sprich an den Schnee, den Zauber, die Verwandlung. Und daran, dass das Gedächtnis für Schnee ziemlich kurz ist, wie einem auch der Nivologe Martin Schneebeli sagt. Wann lag wie viel Schnee? Dezember oder Februar? Verschmilzt alles in der Erinnerung und wird überlagert durch Dauerbeschneiung und erhöhtes Rentieraufkommen in Werbung und Weihnachtsfilmen, von denen es jährlich mehr gibt. Allein das Streamingportal Netflix gibt an, 140 Weihnachtstitel im Angebot zu haben, neu darunter „Hot Frosty“. Da erweckt eine junge Witwe einen Schneemann zum Leben, alles natürlich zum Dahinschmelzen. Ganz andere Frage jetzt aber schnell an Herrn Schneebeli: Was ist eigentlich der perfekte Schnee für einen Schneeball? Er sagt, Neuschnee bei etwa Minus zwei Grad, also ziemlich hohe Temperatur für Schnee. Da lässt sich der Ball gut formen, bleibt schön fest.
Schneehöhen 24.12.2010: Balderschwang 76/ München 0 bis 3/ Nürnberg 4 / Augsburg 2 / Würzburg 3 /
Erinnern Sie sich? Weihnachten 2010? Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen lag nur am Weihnachtsfest 1981 mehr Schnee. Sogar Helgoland war weiß. Wobei der 24.12.2010 auch wieder mal zeigte, dass Weihnachtsschnee aus verkehrstechnischer Sicht wirklich nicht wünschenswert ist. Die halbe Republik unterwegs. Und dann überfrierende Glätte, Schneeverwehungen, kaputte Oberleitungen, Stromausfälle und irgendwo saß die andere Hälfte der Republik am Weihnachtstisch vor der großen Gans und dachte sich: Wann kommen die nur. Und damit mal kurz zur Begriffsdefinition: Wann spricht man eigentlich von weißen Weihnachten? Anruf beim Deutschen Wetterdienst, Guido-Peter Wolz am Apparat, Leiter der Regionalen Wetterberatung München, der vorsorglich für einen schon ein paar Daten ausgewertet hat. Man weiß da beim DWD Ende November oder Anfang Dezember ohnehin, was Journalisten wollen.
Beim Deutschen Wetterdienst definieren sie weiße Weihnachten so: An Heiligabend wie auch an den folgenden zwei Weihnachtstagen muss mindestens ein Zentimeter Schnee auf dem Boden liegen – gemessen stets am Morgen. Wenn sie beim DWD vor Weihnachten ins Wetterarchiv schauen, versenden sie danach zum Beispiel Pressemitteilungen wie diese: Der Klimawandel vertreibt weiße Weihnachten aus Deutschland. Das möchte natürlich keiner gerne lesen. Aber es ist nun mal so: Auch die Ausnahmen werden jetzt seltener. Vor allem im Süden. In München beispielsweise gab es zwischen 1961 und 1990 etwa noch alle drei Jahre weiße Weihnachten, zwischen 1991 und 2020 nur noch alle sechs.
Oder Augsburg? Für den gesamten Zeitraum zwischen 1951 und 2023 lag die Wahrscheinlichkeit, dass an Heiligabend Schnee liegt, bei 32 Prozent, sagt Wolz. Für ein dreitägiges Schneespektakel vom 24. bis zum 26. Dezember noch bei 25 Prozent. Umgerechnet auf einen Zehnjahreszeitraum trat das Phänomen also 2,5-mal auf, was bedeutet: „In der Regel ist die Weihnachtszeit schneefrei.“ Wenn man sich aber die Daten für den Zeitraum 2000 bis 2023 ansieht, wird es sozusagen noch ein bisschen grauer. „Das ist schon erstaunlich“, sagt auch Wolz. Da nämlich sinkt die Wahrscheinlichkeit für Schnee an Heiligabend in Augsburg auf 17 Prozent, also fast um die Hälfte, für komplett weiße Weihnachten noch deutlicher auf 8 Prozent. Eine Ursache: die Temperatur des Atlantiks, die „Wetterküche“ Europas. Je mehr sich der Atlantik im Zuge der Klimaerwärmung aufheizt, desto längere Zeit benötigt er, um sich abzukühlen, und umso länger bringen die Tiefdruckgebiete aus dem Westen eher Regen und nicht Schnee.
Im Grunde ist es so: Sie könnten beim Deutschen Wetterdienst die Frage nach dem Weihnachtswetter eigentlich schon im Sommer beantworten und grüne Festtage ankündigen. Der Statistik nach eine ziemlich sichere Sache. Sagt auch Wolz, aber nur aus der Statistik heraus lässt sich keine Aussage ableiten, ob es sich nicht doch im Einzelfall gänzlich anders verhält. Somit gibt es auch kaum verlässliche Wetterprognosen lange vor Weihnachten, ob dann Schnee liegen wird. Atlantische Luftmassen hier, arktische Luftmassen dort, Wetter ist Wetter. Die Auskunft von Guido-Peter Wolz ist daher die: Eine sichere Prognose gibt es erst frühestens sieben, maximal zehn Tage vor Weihnachten.
Sepp Haslinger, bekannt als Wetterorakel aus Benediktbeuren, hat sich hingen schon im August festgelegt, nachdem er einen genauen Blick auf den Blütenstand einer Königskerze geworfen hat: Der Winter trist, aber mit ein bisschen „Massl“, sprich Glück, würde der Himmel an Weihnachten etwas Schnee schicken.
Schneehöhen 24.12.2015: Balderschwang – / München – / Augsburg – / Nürnberg – / Würzburg – /
Man muss jetzt zum Schluss doch noch auf das Weihnachtstauwetter zu sprechen kommen. Leider kein Einzelfall, wie Wolz erklärt, sondern eine Singularität, was bedeutet: ein Witterungsregelfall. Das Weihnachtstauwetter bringt milde atlantische Luft vom Westen, und, so Wolz, „das war es dann häufiger in der Vergangenheit mit dem Schnee, der in der Vorweihnachtszeit gefallen ist.“ Wobei der Experte nun auch sagt, der Begriff sei im Grunde nicht mehr korrekt, weil mittlerweile oft die Frostzeit vor dem Tauwetter fehlt, sprich gar nichts mehr tauen kann.
Das Weihnachtstauwetter ist unter den Witterungsregelfällen so etwas wie der Ebenezer Scrooge, der gierige Geizkragen in Dickens berühmten Weihnachtsmärchen „A Christmas Carol“: Nimmt einem wirklich auch noch das letzte Fitzelchen Schnee.
Schneehöhen 24.12.2020: Balderschwang 12/ München – / Nürnberg – / Augsburg – / Würzburg – /
Weihnachten also einfach verschieben? Auf Anfang Dezember oder zum Beispiel auf Mitte oder Ende Januar, noch ein bisschen später, als die orthodoxe Kirche die Geburt Christi feiert? Dann wären die Chancen auf ein weißes Fest definitiv höher. Ab Mitte Januar beginnt in Deutschland erst der Hochwinter, ist auch der Atlantik abgekühlt. Für Bayern wäre ein Fest Ende Januar ideal, da herrscht hier die höchste Schneewahrscheinlichkeit. In Venezuela hat der Präsident eben Weihnachten auf den 1. Oktober verlegt, wobei das nun wirklich gar nichts mit Schnee zu tun hat.
Schneehöhen 24.12.2024?
Der Weihnachtsschnee, von dem die Menschen träumen, ist natürlich ein besonderer. Auch das muss man zum Ende hin wohl noch erwähnen. Kein Teenager-Schnee, also vielleicht schon vierzehn Tage alt, zusammengeschoben an Straßenecken, versehen mit gelben Markierungen der Hunde. Kein alter Schnee, auf dem man gleich ausrutscht, weil er zwischendurch von der Sonne angeschmolzen wurde, dann nachts wieder gefroren ist. Der Weihnachtsschnee, von dem die Menschen träumen, ist schön fluffig. Einen, den man sich auf die Hand legen und dann einfach wegpusten kann – um das Foto dann vielleicht irgendwo in den Sozialen Medien schön zu posten. Der Weihnachtsschnee soll also am besten frisch gefallener sein. Das versteht übrigens Martin Schneebeli in Davos aus ästhetischen Gründen durchaus. Der Neuschnee nämlich reflektiert mehr Licht als der ältere, scheint deswegen blendend weiß. Nur der Neuschnee schafft auch das: Die Schallwellen zu absorbieren, den Lärm der Welt einfach zu verschlucken. Zaubert also ein bisschen Ruhe. Wie aber soll man sich all das nicht wünschen?
Dieser Artikel zählt zu unseren Favoriten aus dem Jahr 2024. Er stammt aus dem Archiv, aber wir wollten Ihnen die Lektüre noch einmal ans Herz legen. Zuerst wurde er am 07.12.2024 veröffentlicht.
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