Wer einmal frische Nüsse gegessen hat, der weiß, wie viel Saft in ihnen steckt. Zuvor muss allerdings die zerfurchte Schale geknackt und die Haut von der Frucht gezuzelt werden. Dann aber sind die bleichen Hälften zum Anbeißen bereit. Ein leises Knacken beim Reinbeißen, schon macht sich milde Nussigkeit breit, dazu eine bittere Note fürs Umami, das ist der volle Walnussgeschmack.
Kaum eine kennt ihn besser als Vivian Böllersen. Die 36-jährige Mutter von zwei Kindern und studierte Öko-Landwirtin hat 2015 im märkischen Herzberg mit ihrem Mann Marcel die „Walnussmeisterei“ gegründet. „Ich wollte einen Beruf, in dem ich die Früchte meiner Arbeit ernten kann“, sagt die Berlinerin und nahm sich die Walnuss für ihre Masterarbeit vor. Wie sich zeigte: eine Arbeit mit Folgen. Denn schon lange hielt sie es für unsinnig, die von weit her importierten Walnüsse im Supermarkt zu kaufen. „Walnüsse gibt es schließlich auch hier.“
Walnüsse gab es schon vor der Eiszeit
2015 machten sich Böllersen und ihr Mann auf nach Herzberg in Brandenburg, wo sie die Gebäude einer ehemaligen Schmiede kauften und sich auf die Suche nach Anbauflächen für Walnüsse aller Art machten. In den Veltener Luchwiesen auf dem Land einer Genossenschaft wurden sie fündig. Aber welche Nüsse gedeihen überhaupt in der brandenburgischen Prignitz, fragte sich Böllersen. Es gab kaum Anbauerfahrung, also war sie als engagierte Forscherin gefordert.
Inzwischen bewirtschaftet das Paar Flächen von viereinhalb Hektar. Ihre 200 Bäume gedeihen im Nordwesten Brandenburgs. Gerade mal einen Meter groß waren die 30 verschiedenen Sorten, als sie sie pflanzten. Walnussbäume bringen erst Erträge zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr. Die eigene Ernte ist also noch überschaubar und variiert stark je nach Wetter. Den Rest kauft Böllersen zu: von weiteren Pachtflächen und aus privaten Gärten in der Region.
Ob Walnüsse so alt wie die Welt sind? Auf jeden Fall gab es sie schon vor der Eiszeit. Die Walnussgewächse weltweit sind eine einzigartige Pflanzenfamilie. Von der bei uns bekannten Echten Walnuss (Juglans regia) gibt es allein 22 Arten. In guten Erntejahren hat die Walnussmeisterei bis zu 40 Sorten vorrätig. Vermutlich sind Walnüsse einst aus den Laubwäldern Ostasiens zu uns gekommen und bereichern seither die Küchen weltweit. So viele Formen. So viele Aromen. So viele Namen. Dabei kennt man noch längst nicht alle beim Namen. Böllersen machte das neugierig.
In der Walnussmeisterei werden die Nüsse alter Sorten verkauft und solche der wilden Sämlinge, die als Mischsorten gelten. Böllersen nennt sie Gartennüsse. Sie sind oft mehr als hundert Jahre alt und kommen aus privaten Gärten. Dabei schmecken manche der Namenlosen genauso köstlich wie die „Getauften“. „Meine Lieblingssorte ist zurzeit die Moselaner“, verrät die 36-Jährige. „Sie schmeckt etwas süßlich und ist super haltbar.“ Und wie lange? „Trocken und kühl gelagert schmeckt sie auch ein Jahr nach der Ernte noch“, sagt Böllersen.
In der Walnussmeisterei werden Nüsse geknackt wie anderswo die Äpfel gemostet
Die Walnuss ist also ein Ganzjahresprodukt und nicht nur eine Freude des Herbstes oder in den Plätzchen zu Weihnachten. Mit ihren ungesättigten Fettsäuren, den vielen Vitaminen und Mineralien sollte man jeden Tag eine Handvoll zu sich nehmen. Walnüsse sorgen nicht nur auf der berühmten Engadiner Nusstorte für Vergnügen, auch im Brot, in der Schokolade oder als Likör sind sie ein Genuss.
Böllersen hat inzwischen viele Fans, auch außerhalb ihres 500-Seelen-Dorfs mit Bahnanschluss nach Berlin. Wer einen Walnussbaum sein Eigen nennt, bringt die Ernte zum maschinellen Knacken wie andere die Äpfel in die Mosterei. Die vielen Schalen der Walnüsse, die die Knackmaschine übrig lässt, dienen der Familie in diesem Winter als Heizmaterial.
Anwohner und Vorbeifahrende kaufen vom Hof weg die von der Walnussmeisterei initiierten oder selbst gemachten Produkte. Das sind natürlich die Naturnüsse, geknackt oder in der Schale. Böllersen bietet aber auch kandierte Walnüsse an und ein Mus, das herrlich zum morgendlichen Müsli passt, Walnuss-Senf und seit Neuestem auch Walnussmehl. Das feine und aromatische Walnuss-Öl wird in einer uckermärkischen Ölmühle gepresst.
Böllersen bietet auch besondere Päckchen wie das „Wunderwelt Walnuss“ an, das erst zusammengestellt wird, wenn die Herbsternte getan ist. Die findet händisch statt. Wie in einem kleinen Setzkasten sortiert liegen die knackfrischen Nüsse da. Acht verschiedene Sorten laden zur Verkostung ein. Im letzten Jahr war der „Falsche Elefant“ dabei, eine dünnschalige zierliche Nuss, die ein straffes Fleisch barg. Die Sorte „Jupiter“ hatte eine etwas dunklere, stark strukturierte Schale und schmeckte fast schokoladig. Besonders groß und rund war die Sorte „Alsószentiváni 117“. Eine aromatische und etwas speckige Nuss.
Die Walnuss gilt als Fruchtbarkeitssymbol und wird schon im Alten Testament erwähnt
Wahrscheinlich gibt es allein in Deutschland mehr als 100 Sorten der Echten Walnuss. Sogar verschiedene Sorten der roten Walnuss gibt es. Ihr rosiger Kern ist für Laien allerdings von außen nicht zu erkennen. „Biozertifiziert sind aber nur unsere eigenen Nüsse“, betont Böllersen.
Derzeit hat sie einen ausrangierten Spargelstand zur Nussbude umgebaut und an die Straße vor ihren Hof gestellt, wo gerade heftig um- und ausgebaut wird. Das Geschäft soll weiter blühen, nicht nur im Shop, sondern eines Tages auch in einem Café mit Nussprodukten vom eigenen Hof. Schon jetzt ist besonders am Wochenende ordentlich was los, wenn die Touristen kommen, da Herzberg nördlich von Berlin auf direktem Wege in die Rheinsberger Seenlandschaft liegt.
Die Walnuss, die in der Schweiz Baumnuss heißt, gilt seit jeher als Fruchtbarkeitssymbol. Sie wurde schon im Alten Testament erwähnt. Ihre Bäume können bis zu 20 Meter hoch werden, phantastische Kronen entfalten und noch im Alter dem Tischler ein herrliches Holz liefern. Bis dahin liegt der Genuss in der Frucht.
Wie aber knackt man eigentlich eine Walnuss? Instrumente gibt es genug. Böllersen demonstriert es an einer Rotkernigen: „Man öffnet die Nuss am besten, indem man den Nussknacker auf ihre Wölbungen rechts und links von der wulstigen Rückennaht drückt. Dann bleibt der wunderschöne Kern, der immer ein wenig an unsere Hirnhälften erinnert, am ehesten heil.“
Ein Walnussbaum habe schon im Garten ihres Großvaters gestanden, erinnert sich Böllersen. In ihrer Walnussmeisterei verkauft sie heute auch Jungpflanzen. Vielleicht mal eine Polternuss? Auch Schaffnuss oder Pferdenuss genannt. Riesige Schale, kleiner Kern. Der poltert, wenn man sie schüttelt. Im Paris des 19. Jahrhunderts galt sie als Noix à bijoux. Man knackte sie, entfernte das Innere, vergoldete die beiden Hälfte und nutzte sie als Schmuckkästchen für Seidenstrümpfe und anderes. Schleife drum, fertig. Auch fein.
Rezept für Torta di Noci
Zutaten:
- 350 g frische Walnusskerne
- 4 Eier
- 200 g Zucker
- 1 EL Vanillepaste
- 1 Prise Salz
- Abrieb einer Bio-Zitrone
- 1 EL Puderzucker
Zubereitung:
- Eine Springform mit 26 cm Durchmesser leicht einfetten und mit Backpapier auslegen. Backofen auf 180˚C (Ober-Unterhitze) vorheizen. Die Walnusskerne in eine Küchenmaschine mit Messer geben und mehrfach pulsieren, bis die Kerne in feine Stückchen gemahlen sind.
- 4 Eier trennen, die Eigelbe kommen in eine größere, das Eiweiß in eine mittelgroße Schüssel. Den Zucker auf beide Schüsseln gerecht aufteilen. Die Vanillepaste zum Eigelb geben. Zunächst Eiweiß, Prise Salz und Zucker mit den Schneebesen eines Handrührers schaumig schlagen, bis sich die Masse verdoppelt hat und schön fluffig ist.
- Nun ebenfalls mit den Schneebesen des Handrührers das Eigelb aufschlagen, bis es eine hellgelbe Farbe angenommen hat. Den Abrieb einer Zitrone dazu geben und unterrühren. Die gemahlenen Walnüsse zum Eigelb geben und alles verrühren. Ein Drittel der Eiweißmasse kräftig mit der Walnuss-Ei-Mischung verrühren, den Rest der Eiweißmasse vorsichtig unterheben.
- Den Kuchenteig in die Springform füllen und auf mittlere Schiene im Ofen etwa 35-45 Minuten backen, bis ein in die Mitte des Kuchens gesteckter Holzstab ohne klebrige Teigreste wieder herausgezogen werden kann. Den Kuchen auskühlen lassen, mit Puderzucker bestreuen und servieren.
Quelle: Das Rezept stammt von der Rezeptentwicklerin und Food-Kolumnistin Angelika Schwaff, die auch den Podcast „Schnitzel & Stories“ betreibt. Mehr zu entdecken gibt es auf bonappetrip.de.
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