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Well-Brüder mit neuem Album: Michael Well über Söder und bayerische Überheblichkeit

Interview

Michael Well: „Das Grünen-Bashing in Bayern ist schlimm“

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    Michael Well ist Mitglied der Well-Brüder. Das Trio hat mit „Bayern Unplugged“ ein neues Album aufgenommen.
    Michael Well ist Mitglied der Well-Brüder. Das Trio hat mit „Bayern Unplugged“ ein neues Album aufgenommen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Herr Well, die Biermösl Blosn wurden 1981 bundesweit bekannt, als Sie beim traditionellen Maibockanstich im Münchner Hofbräuhaus die dort versammelten Minister und Landtagsabgeordneten scharf kritisierten. Nehmen die bayerischen Volksvertreter es heute eher mit Humor, wenn man sie verspottet?
    MICHAEL WELL: Das hat sich verändert, das stimmt. Jeder Politiker ist enttäuscht, wenn er beim Politikerderblecken auf dem Nockherberg nicht vorkommt. Es ist ein bisschen Hofnarrentätigkeit. Aber das Derblecken hat schon Tradition. In den 1980ern wurden wir vom Bayerischen Rundfunk ausgeladen und kamen darin Jahrzehnte nicht mehr vor, weil wir die Bayernhymne „verhunzt“ hatten. Das wurde mit wenig Humor genommen, das ist heute anders. Die Monolithe Strauß, Tandler oder Stoiber sind blasser geworden, die heutigen Politiker besitzen nicht mehr diese Ausstrahlung. Auch die Seilschaften funktionieren nicht mehr so wie früher, wo man nur etwas geworden ist, wenn man das Parteibuch besaß.

    Ihr neues Lied „Corona Bavariae“ handelt von einem Virus, das dafür sorgte, dass „Markus, der Erleuchtete“ das gelobte Land Bayern schloss. Ist das Ihr Beitrag zu einer kritischen Corona-Aufarbeitung?
    WELL: Wir haben die Aufarbeitung in Form einer kirchlichen Lesung begleitet. Es ist eine chronologische Abfolge des Zeitgeschehens aus unserer Perspektive. In der Pandemie habe ich gemerkt, wie wenig Musik und Kultur in der Politik eine Rolle spielen. Es war eine unglaubliche Enttäuschung, dass von Söder das Wort Kultur erst nach Wochen überhaupt in den Mund genommen wurde. In meiner Jugend war „Musiker“ noch ein abfälliger Begriff. Man wurde nicht wertgeschätzt. Das war auch in der Coronazeit wieder der Fall. Dabei bringt die Kulturbranche eine unheimliche Menge an Steuern und Wertschöpfung ins Land. In Europa gibt es kaum ein anderes Land, in dem so viel Kultur stattfindet wie in Deutschland.

    Ist Markus Söder sehr darüber enttäuscht, dass er kein Kanzlerkandidat geworden ist?
    WELL: Ja, ganz klar. Er wartet auf den Ruf aus Berlin und er wartet und wartet. Und wenn er nicht gestorben ist, wartet er noch heute. Söder ist unglaublich getrieben, Bayern langt ihm bei Weitem nicht. Er ist ein Ehrgeizling ohne Ende. Viele Dinge liegen bei ihm im Argen. Das Grünen-Bashing in Bayern etwa ist schlimm. Es geht nicht, dass Politiker im Wahlkampf mit Steinen beworfen werden. Söder zündelt da ganz stark mit. Man kann über alles streiten, aber das ist mir eine Spur zu viel.

    Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer ist als Bundestagsabgeordneter und Passauer Stadtrat zurückgetreten. Haben Sie eine Idee für seine berufliche Zukunft?
    WELL: Der riesige Agrarkonzern BayWa ist ja in Schieflage geraten. Er steht sinnbildlich für die Landwirtschaft. Politik ist die BayWa. Man kann hier keinen Fendt-Traktor kaufen ohne die BayWa. Und die steht jetzt mit fünf Milliarden Euro Schulden am Rande eines Konkurses. Da kann der Andi Scheuer doch eingreifen und retten. Der Typ hat schon so viel in den Sand gesetzt. Für mich ist das fast schon justiziabel. Mich wundert dieses niederbayerische Selbstbewusstsein. Eine grobe Selbstüberschätzung!

    Gibt es in Bayern viele, die so denken wie Sie?
    WELL: Ich stehe da nicht allein, aber leider drückt sich das nicht im Wahlverhalten aus. Wenn man überlegt, dass die traditionsreiche Partei SPD auf acht Prozent abgesackt ist. Die konservativen Freien Wähler, die CSU und die AfD kommen in Bayern auf fast Dreiviertel. Aber die Großstädte sind eher bunt orientiert. Ich lebe gern in Bayern, aber mich nervt dieses Besser-sein-Wollen. Das ist überheblich. In Bayern ist nicht alles super.

    „Aiwang“ ist dem stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten gewidmet.
    WELL: Wir haben den Gassenhauer „Ei, ei, ei, die Goass is weg“ auf den Aiwanger umgedichtet.

    Um das Paradies Bayern zu bewahren, spricht Aiwanger sich für eine Kehrtwende in der Migrationspolitik aus. Was unterscheidet ihn noch von der AfD?
    WELL: Wenig. Er fischt da im Trüben. Auch gepackt von Ehrgeiz ohne Ende. Aiwanger möchte gern in die Bundespolitik und versucht da alles abzugreifen, was geht. Bei Wahlkämpfen wird mit dem Migrationsthema immer die unterste Schublade aufgemacht. Das wirkt leider Gottes nach wie vor. Aber ich beneide die Landräte und Bürgermeister nicht, weil die überfordert sind, wenn in ein kleines Dorf 150 Migranten kommen sollen. Man muss versuchen, das Problem wirklich zu lösen, ohne dass es in Fremdenfeindlichkeit und Hass ausartet.

    Auf Ihrer Platte „Bayern unplugged“ gibt es das satirische Lied „Wochenend im Altersheim“. Wie könnte man die deutsche Pflegekrise ohne Zuwanderer bewältigen?
    WELL: In „Asyl für Deppen (AfD)“ fragt mein Bruder folgendermaßen: „Wer putzt denen, wenn sie alt sind, einmal die braunen Arschlöcher aus?“ Es kommt jetzt eine Welle von Leuten auf uns zu, die einmal gepflegt werden müssen. Das geht nur mit Migration, guter Integration und Bildung. Bei diesen Themen sind wir leider nicht viel weitergekommen. Im Gegenteil. Wir spielen mit Gerhard Polt übrigens gerade das Stück „A scheene Leich“ in den Münchner Kammerspielen, da geht es um Altersarmut und Menschenwürde. Es hat reale Bezüge. Ein Mailänder Investor hatte am Schliersee ein altes Hotel in ein Seniorenheim umfunktioniert und ein paar Pfleger engagiert. In diesem Haus sind dann 17 Bewohner gestorben. Manche sind in der Nacht draußen herumgeirrt und überfahren worden. Diese grauenvollen Ereignisse waren der Anlass für das Lied. Für mich gehören Seniorenheime zur Daseinsvorsorge. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss im Alter fair behandelt werden. Das Thema Pflegen kann man eigentlich nicht an einen Investor übergeben, der das rein ökonomisch sieht. Das Lied „Wochenend im Altersheim“ singen wir wirklich gern.

    Wie kamen Sie eigentlich mit Gerhard Polt zusammen?
    WELL: Wir haben uns 1979 beim Bayerischen Rundfunk kennengelernt, wo Polt, Hanns-Dieter Hüsch, Helmut Ruge und Dieter Hildebrandt einen Live-Plausch abhielten. Wir waren die Vorgruppe. Wir sind dann mal zusammen aufgetreten und wurden allmählich zu einer festen Institution.

    Feuern Sie und Gerhard Polt sich auf der Bühne gegenseitig an?
    WELL: Wir sind eine starke Einheit. Es ist schön, wenn es sich abwechselt zwischen Liedern, Wort und Musik. Man wirft sich die Bälle zu und hat ein paar Szenen zusammen. Eine schöne, tolle Freundschaft ist auch die mit den Toten Hosen. Wir kennen sie seit dem Festival gegen den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf Pfingsten 1986.

    Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen bayerischer Hausmusik und preußischem Punk?
    WELL: Ja, es ist die Anarchie. Die Freiheit, das zu machen, was man gerne macht. Und auch versucht, das gut zu machen und dahinterzustehen. Eine Haltung zu bestimmten Themen zu haben. Wir haben zwei, drei Tourneen zusammen absolviert, die sehr lustig waren. Da haben die Hosen mal Zither, Hackbrett oder Alphorn gespielt. Es war eine gegenseitige Befruchtung.

    Das Lied „Sterben erster Klasse“ dreht sich um Luxus-Begräbnisse, bei denen das Sterben Spaß mache. Ein neuer Trend in Bayern?
    WELL: Dadurch, dass unser Vater Volksschullehrer war, haben wir viele kirchliche Geschichten mit begleitet. Wir Wells waren im Ort die Bestattungsbläser. Es hilft den Angehörigen, wenn das Dorf mittrauert. Das hat sich radikal geändert. Heute gibt es Ritualdesigner. Da tut ein wildfremder Mensch so, als ob es sich um einen persönlichen Angehörigen handele. Bei uns in Bayern wickelt der Konzern TrauerHilfe viele Beerdigungen ab. Eine unglaubliche Geldschneiderei. In deren Katalog sind 200 Särge in verschiedensten Formen und Urnen ohne Ende. Jeder Griff, jede Schleife, jeder Schlag des Totenglöckchens kostet was. Eine Whistleblowerin wurde entlassen, weil sie nur Kiefernsärge und keine Marmorschränke verkauft hat.

    Wie möchten Sie selbst eines Tages abtreten?
    WELL: Das verdrängt man zum Glück ein bisschen aus seinem Leben. Mir ist eher wichtig, dass meine Kinder sich nicht ums Erbe streiten. Erbschaftsstreitereien haben immer etwas mit Zuwendung und weniger mit Materiellem zu tun. Unser Vater ist 1995 und unsere Mutter 2015 verstorben. Bei 15 Geschwistern haben wir gedacht, das wird ganz schwierig werden, aber es ist überhaupt kein Problem gewesen. Es war wirklich eine „scheene Leich“. So stelle ich mir meine Beerdigung auch vor.

    Warum gilt Bayern als Vorstufe zum Paradies?
    WELL: Bayern wird von der Politik so proklamiert. Seehofer sagte: Bayern ist das Paradies. Wir bereiten das satirisch auf. Natürlich ist Bayern schön zum Wohnen, aber bei Gott nicht das Paradies. Man hat paradiesische Gefühle, wenn man zwei Maß Bier trinkt. Es ist genauso wie das Christliche in der CSU. Das wird konterkariert durch eine beinharte Asylpolitik. Das ist alles andere als christliches Verhalten.

    Zur Person:

    Die Well-Brüder aus’m Biermoos sind die Rebellen der bayerischen Volksmusik. Mit ruppigen Tönen und satirischen Texten fühlen sie Politikern auf den Zahn. Michael Well gehört neben Karl und Christoph zum Trio, er spielt mehrere Instrumente, darunter Tuba, Akkordeon, Cello und Alphorn. Er ist als 13. von 15 Kindern in Günzlhofen aufgewachsen, ausgebildeter Sozialpädagoge und Erzieher, als Mitglied der mittlerweile aufgelösten Biermösl Blosn wurde er bekannt. Seit mehr als zehn Jahren tritt der 66-Jährige mit den Well-Brüdern auf. Mit „Bayern Unplugged“ haben sie ein neues Album veröffentlicht und gehen mit Gerhard Polt auf Tour.

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