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Weinexperte gibt Tipps: Diese Aroma-Sorten schmecken

Weinempfehlung

Aroma - aber mit Tiefgang

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    Ein Glas Wein – voller Aromen. Gibt es da aber auch einen Tiefgang?
    Ein Glas Wein – voller Aromen. Gibt es da aber auch einen Tiefgang? Foto: Stock adobe

    Holunder, Cassis, Litschi, Muskat … Es gibt Rebsorten, die bei Weintrinkern verlässlich einen großen Eindruck machen mit Aromen, die unseren Geschmack faszinieren. In der Nase und danach am Gaumen starten sie ein Feuerwerk ohne Anlauf. „Frucht-Zwerge“ werden sie von Kritikern genannt, die ihnen Lager-Potential und Tiefgang absprechen. Unser Wein-Journalist und Sommelier hat sich in der bunten Welt der Aroma-Rebsorten umgeschaut und einige Vorurteile widerlegt.

    Ja, sie ereignen sich noch immer. Diese Sätze, die einen als Wein-Journalisten und Sommelier leise erschaudern lassen. Wein aus Deutschland und Österreich? „Lieber nicht. Zu sauer, zu dünn.“ Vermeintliche Weinkenner, die den Nabel der Weinwelt ausschließlich im südlichen Europa vermuten oder gleich auf der anderen Seite der Erdkugel. In diesem Fall argumentiere ich nicht mehr, sondern stelle eine Flasche von Michaela und Ludwig Ehn auf den Tisch. Die Reaktionen auf den ersten Schluck kenne ich mittlerweile: „So etwas kommt wirklich aus Österreich?“, oder: „Der ist ja ganz anders als die anderen deutschsprachigen Weine.“ Nun sind die Herrschaften kuriert und ich kann ihnen die Welt von leiseren großartigen Rebsorten aus unseren Landen, wie Riesling, Grüner Veltliner, Blaufränkisch und Spätburgunder eröffnen.

    Muskateller

    Was aber ist passiert am Tisch? Da kam ein Weißwein ins Glas, der mit feinen Muskatnoten, einer charmanten Bitternis gepaart, ja, Anklängen an Weintrauben, sofort fasziniert hat. Gerne übertreiben es die Winzer an diesem Punkt mit dem Kapital dieser Rebsorten, nämlich dem Aroma: Dann tapezieren diese Gerüche und Geschmäcker den Gaumen gnadenlos, was zur Folge hat, dass der Konsument vielleicht noch das zweite Glas trinkt, aber dann ist Schluss. Zu laut, zu plakativ wirkt das oft.

    Ganz anders verhält sich die Sache, wenn man, wie die Ehn´s aus dem österreichischen Kamptal, mit dem Muskateller umgeht. Die Geschwister jagen nicht dem Gaumen-Flash hinterher, sondern wollen einen stillen Muskateller auf die Flasche bringen, der sogar eine mittlere Länge hat und ein erstaunliches Reife-Potential. Beide Attribute verbindet man normalerweise nicht mit Muskateller. Es gibt nur 3000 Flaschen davon.

    2023 Muskateller, Ehn/Kamptal/Österreich, 14,50 Euro, www.ehnwein.at

    Sauvignon blanc

    Sie ist die berühmteste Aroma-Sorte auf diesem Erdenrund. Ein „Global Player“. Und gleichermaßen hochumstritten. Je nach Herkunft spielt sie mit Aromen, die grundsätzlich von Holunder und schwarzer Johannisbeere geprägt sind. Die Exemplare aus der Neuen Welt und aus Südafrika ragen dabei geschmacks- und geruchstechnisch Richtung Tropenfrüchte, also Maracuja und Mango, die Weine von der Loire eher ins grüne, grasige Aromenbild. Dazwischen dann die Weine aus Deutschland und Österreich. In unserem Land erlebt der Sauvignon blanc eine große Konjunktur. Kein Wunder: die Rebsorte passt klimatisch gut nach Deutschland. Außerdem kann man den Namen unfallfrei aussprechen – auch wenn man des Französischen nicht mächtig ist. Klingt immer lässig. Kritiker des vermehrten Anbaus bemängeln allerdings, dass der Sauvignon blanc im Prinzip eine heimatlose Traube sei, welche die Herkunft nicht widerspiegelt und deshalb keine wirkliche Identität vorzuweisen hat.

    Das Epizentrum des deutschsprachigen Sauvignon blanc liegt unzweifelhaft in der Südsteiermark. In dieser, auch noch wunderschönen, Wein-Region, bemühen sich viele Winzer seit Jahrzehnten um die Rebsorte. Mit dem englischen Adjektiv „crispy“, also „knusprig“ werden die Tropfen aus der Südsteiermark in der internationalen Weinwelt gerne gefeiert. Oft wird dabei das Geschmacksbild mit dem ganzen dicken Filz-Stift gezeichnet.

    Mit dem dünnsten aller Bleistifte ist dagegen Johannes Gross aus Ehrenhausen unterwegs. Er hat das elterliche Weingut im Jahr 2019 übernommen und ist mittlerweile im letzten Umstellungs-Jahr zur Bio-Zertifizierung angekommen. Für ihn ist die Zielrichtung klar: „Die Südsteiermark muss aus diesem frisch-fruchtigen, uniformierten Geschmack herauswachsen.“ Die Weine aus dem Hause Gross waren immer schon leisere Vertreter dieser Rebsorte. Zum schnellen Genuss sind sie eher weniger geeignet mit ihrer kraftvollen Gerbstoff-Struktur, die in der Jugend „manchmal ruppig wirkt“, wie Johannes Gross es beschreibt. Aber dann! Der junge Winzer beweist damit, wie schön doch die Aroma-Rebsorte Sauvignon blanc reifen kann und dabei Aromen hervorbringt, die, entgegen der Primär-Gerüche und Geschmäcker, ins Kräuterige ragen und ein ganz anderes Bild dieser Traube prägen. Höchst reizvoll ist das.

    2022 Bergwein, Sauvignon blanc, 15 Euro, www.gross.at
    Wohnen im Sauvignon blanc: Die Südsteiermark ist in jedem Fall einen Wein-Urlaub wert. Am besten verbringt man ihn in einem der zwölf Winzerhäuser von „Pures Leben“, die, still gelegen in Alleinlage, höchsten Komfort ohne unnötigen Luxus, bieten. Jeden Euro wert. www.puresleben.at

    Scheurebe

    Nein, diese Traube verkörpert auf den ersten Blick keine Erfolgsgeschichte. Im Jahr 1916 wurde sie von Georg Scheu aus Riesling und der Bukett-Traube gekreuzt und „Sämling 88“ genannt. Sie beeindruckt mit feinem Aroma nach schwarzen Johannisbeeren und Grapefruit. Eigentlich kann sie alles von trockenem Wein bis hin edelsüßen Tropfen mit ihrer leisen, aber rassigen Säure. Und das in höchster Qualität. Was das Aromen-Spektrum angeht, so ist die Scheurebe nicht weit vom Sauvignon blanc entfernt. In der Weinwelt wird sie bisweilen höher eingeschätzt als das große, weltumspannende Vorbild.

    Ausgerechnet zur Unzeit, im Dritten Reich, kam die Scheurebe in große Mode, da sie von einigen Nazi-Größen geschätzt wurde und deshalb kurzfristig in „Dr. Wagner-Rebe“ umgetauft wurde – nach einem braunen Bauern-Führer. Der Spuk hatte 1945 ein schnelles Ende. Und so ist die Scheurebe mit ihrem neuen Namen die erste entnazifizierte Rebsorte der Welt geworden. In Österreich hört sie übrigens immer noch auf die Bezeichnung „Sämling 88“.

    Mittlerweile wächst sie nur noch auf rund 1400 Hektar in Deutschland, was einen Bruchteil der gesamten Rebfläche von 104 000 Hektar in unserem Land ausmacht. Sieben Hektar davon stehen im Besitz des Weingutes Wirsching im fränkischen Iphofen. Wer die Scheureben aus diesem Hause je getrunken hat, möchte jede Briefmarken-große Fläche, die mit dieser Rebsorte bestockt ist, erhalten. Ob es nun der Gutswein für neun Euro ist zum Einstieg, die erste Lage vom Iphöfer Kronsberg, die süße Auslese oder die phänomenale Beerenauslese ist, die einen gereiften Hartkäse begleitet wie nichts Anderes.

    „Den hat der Großvater im Jahr 1952 zu uns in den Steigerwald gebracht“, erzählt Andrea Wirsching. „Die Scheurebe mag kühle Standorte und tiefgründige Böden.“ Perfekte Voraussetzungen sind das für den Anbau im Steigerwald, dem östlichsten Anbaugebiet Frankens. „Diese Fruchtigkeit wird dann gepuffert von den kräuterigen Aromen des Keuper-Bodens. Das beeindruckt unsere Kunden selbst in Chicago und New York“, sagt Andrea Wirsching. Wenn man jetzt nur noch den Namen aussprechen könnte…

    2023 Iphöfer Kronsberg Alte Reben trocken, Erste Lage, 18 Euro, www.wirsching.de

    Traminer

    Sie wird zu den ältesten Rebsorten der Welt gezählt und fasziniert durch Noten nach Bienenwachs und Litschi. Ihr Aroma ist in der Tat betörend und sehr dominant. Deshalb sollte man vorsichtig in der Menü-Folge sein bei der Frage, wo man ihn einsetzt. Als Apero mit oder ohne gereiften Hartkäse funktioniert der Traminer in restsüßer Variante immer. Zur Nachspeise ist er eine sichere Nummer. Noch spannender wird es allerdings, wenn der Traminer trocken ausgebaut wird. Keine leichte Aufgabe für den Winzer, denn diese Traube bildet ordentlich Alkohol und wird in trockener Version deshalb oft zu mächtig.

    Ganz anders zeigt sich der Traminer, wenn Marie und Matthieu Boesch aus dem Elsaß ihn interpretieren. Weit weg von überbordenden Aromen mit feiner Mineralik präsentiert sich der Wein aus der Lage „Zinnkoepfle“. Das kleine Gewann der Familie Boesch hat nur 0,8 Hektar und ist mit 50 bis 70 Jahre alten Rebstöcken bepflanzt. Dieser absolut außergewöhnliche Tropfen räumt mit allen Vorurteilen gegen Aroma-Sorten auf: Er ist ein herausragender Speisebegleiter mit größtem Tiefgang und zudem lagerfähig für Dekaden.

    2019 Zinnkoepfle Grand Cru, 33 Euro, www.weinhalle.de

    Rosenmuskateller

    Rot und süß ist eine äußerst seltene Kombination, denn in der Reife der Trauben am Stock fällt gerne und oft die rote Farbe durch die Edelfäule Botrytis Cinerea aus, was den Anblick im Glas schmälern kann. Christian Plattner vom „Ansitz Waldgries“ in Bozen, der schon den roten Vernatsch vor der Bedeutungslosigkeit gerettet hat, widmet sich auch dieser, im Anbau schwierigen, Rebsorte mit großem Engagement. Er hat einen Süßwein erschaffen, der die kulinarische Kombination mit Zimt und dunkler Schokolade liebt. Die Süße dominiert diesen Tropfen nicht. Vielmehr tänzelt das feine Holunder- und Muskataroma so elegant über die Zunge, dass man auch auf jegliche Nachspeise verzichten könnte und lieber eine zweite Flasche öffnet von den nur 1500, die der Jahrgang hergibt.

    2021 Rosenmuskateller Mitterberg, 0,375 l/ 37 Euro, www.geisels-weingalerie.de

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