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Wein: Silvaner-Weine sind die stillen Stars aus Franken

Wein

Silvaner-Weine sind die stillen Stars aus Franken

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    Kann alles, aber kann er auch die Weinwelt erobern? Der Silvaner.
    Kann alles, aber kann er auch die Weinwelt erobern? Der Silvaner. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Unvergessen die Szene aus dem Jahr 2015 im feinen Pariser Hotel „Baltimore“, zwischen Eiffelturm und Arc de Triomphe im 16. Arrondissement gelegen: Eine fränkische Delegation des deutschen VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) hatte eingeladen, die Spätburgunder und Silvaner aus Franken zu verkosten. Und so kamen Sommeliers der feinen Gastronomie und Weinkritiker der „Grande Nation“ des vergorenen Traubensaftes, hoch dekoriert mit Sommelier-Abzeichen, die sie wie heldenhafte Kriegsorden trugen, und widmeten sich den Gewächsen aus ihnen gänzlich unbekannten Orten wie Bürgstadt, Randersacker und Iphofen. 

    Was soll man sagen? Die Spätburgunder von Paul und Sebastian Fürst und von Martin Schmitt machten großen Eindruck auf die routinierten Burgunder-Spezialisten. Bei den Silvanern allerdings zuckte die Pariser Wein-Prominenz und zückte die Verkostungsbücher im Sekundentakt. Was war denn das? Eine Rebsorte mit burgundischer Eleganz, die, ganz schüchtern, mit Noten nach Birnen und Kräutern mindestens genauso ernsthaft daherkam wie die großen heimischen Chardonnay-Gewächse aus Meursault, Puligny und Chassagne. Nur eben für einen Bruchteil deren Preise. 

    • Steigerwald

    So könnte die große Erfolgsgeschichte des Silvaners in der internationalen Weinwelt beginnen. Dass es bislang nicht dazu kam, liegt ganz sicher nicht an Paul Weltner aus Rödelsee. Im Steigerwald, also im östlichen Franken, erschafft er Sylvaner, die leise Brillanz besitzen, innere Dichte und Spannung und eine, man kann es nur unfachmännisch ausdrücken, eine wunderschöne Würzigkeit. Die Weine sind ein wenig wie der Winzer selbst: am Anfang (der Reife) ein wenig spröde und nicht so leicht zugänglich. Im weiteren Verlauf der Begegnung (über die Jahre hinweg) allerdings öffnen sie sich hin zu großer Vielschichtigkeit.

    Sylvaner – Paul Weltner hat das Ypsilon und damit die alte Schreibweise der Rebsorte behalten.
    Sylvaner – Paul Weltner hat das Ypsilon und damit die alte Schreibweise der Rebsorte behalten. Foto: Peter Bender

    Paul Weltner hat das Ypsilon im Sylvaner immer behalten. Es ist die alte Schreibweise dieser Rebsorte, die es nachweislich im April 1659, aus dem österreichischen Donau-Raum kommend, mit 25 Pflanzen ins fränkische Castell geschafft hat. „Österreicher-Rebe“ hieß sie früher auch, wobei es im rot-weiß-roten Ursprungsgebiet heute gar keinen Silvaner mehr gibt. Den ganz großen Glanz entfaltet Weltners Wein in der Reife. Aber wer hat schon einen Weinkeller, der wunderbare Vorratskäufe erlauben würde? Wie schön, dass Paul Weltner ein ganzes Paket an gereiften Weinen mit dem Namen „Alles außer Jungwein“ (sechs Flaschen für 150 €) anbietet, um die Potenz seiner Weine zu zeigen. 

    2016 Rödelseer Küchenmeister, Erste Lage, € 22, www.weingut-weltner.de

    • Taubertal

    Wenn man Stephan Krämer auf seinen Winzer-Lebenslauf anspricht, gerät man ins Staunen. „Ich mache erst seit 2012 Wein. Vorher war ich eher Getränke-technologisch unterwegs“, sagt Krämer, der seit 1992 sehr wohl im Weinberg arbeitet. Mittlerweile hat er sich dem biodynamischen Weinbau verschrieben als Mitglied von „Naturland“. Der Silvaner spielt bei dieser Entwicklung eine nicht unerhebliche Rolle. Den sieht Krämer von seiner ganz eigenen Warte aus: „Diese Rebsorte wurde lange Zeit in ein „making“ gepresst: Gelbfruchtig sollte er aus dem Glas springen. Dabei ist der Silvaner gar keine plakative Rebsorte. Dem muss man genau zuhören.“

    „Der Silvaner ist gar keine plakative Rebsorte“, sagt Stephan Krämer: „Dem muss man genau zuhören.“
    „Der Silvaner ist gar keine plakative Rebsorte“, sagt Stephan Krämer: „Dem muss man genau zuhören.“ Foto: Weingut Krämer

    Stephan Krämer ist fasziniert vom Alterungspotenzial

    Krämer macht in Auernhofen im Taubertal „immer mindestens“ drei verschiedene Silvaner (Alte Reben, Silex und Muschelkalk) und ist fasziniert vom Potenzial dieser Rebsorte: „Silvaner kann mit Maischevergärung umgehen. Wenn man auch noch einen Orange-Wein aus ihm macht, wird der Gerbstoff über die Reife integriert. Das finde ich richtig cool.“ Keine andere der großen Rebsorten kann das. Dabei haben die Silvaner-Trauben kaum Eigengeschmack, wenn sie noch am Stock hängen. „Erst in der Transformation zum Wein zeigt er, was er wirklich kann.“ Auch Krämer ist fasziniert vom Alterungspotenzial. Im Jahr 2013 hat einen ganzen Posten Silvaner weggelegt. Jetzt erst bringt er ihn heraus. Alterserscheinungen: null. Die Frage, in welchem Gebinde diese Rebsorte ausgebaut werden sollte, stellt sich für Stephan Krämer gar nicht erst. „Der Silvaner kann auch noch wunderbar mit dem Ausbau im Holzfass. Er gehört einfach ins Holz, wenn er groß werden soll.“

    2019 Alte Reben, € 18, www.kraemer.bio

    In der Kritik, unter anderem die behäbige Silvanerwerbung

    Aber was sind denn nun die Gründe, warum der Silvaner bei all seinem Potenzial doch nicht weltweit durch die Decke geht? Die fränkischen Winzer werden bei dieser Frage relativ einsilbig. Da wird Standespolitik mit entsprechenden Sanktionen befürchtet. Die behäbige Weinwerbung (beliebter Claim seit gefühlt unzähligen Jahren: „Spargel liebt Silvaner“) steht in der Kritik. Vor allem die Etablierung des neuen „Bocksbeutels PS“, der nicht ausschließlich dem Silvaner vorbehalten war, wird als vergebene Chance zur internationalen Positionierung gesehen. Auch die Rolle der mächtigen Genossenschaften am Main wird von vielen Weinbauern als Grund angesehen, der eine zukunftsgerichtete Strategie im qualitativ hohen Segment verhindert. Besonders tragisch, denn der Silvaner ist eigentlich für die klimatischen Herausforderungen der Zukunft bestens geeignet – im Gegensatz zu etlichen anderen Rebsorten in Deutschland: Die dicke Haut der einzelnen Beeren ist relativ unempfindlich für übermäßige Sonneneinstrahlung und steckt viele Wetterkapriolen klaglos weg. 

    • Sulzfeld

    Auch jenseits des Weines ist dieser Ort jede Reise wert. Ein intaktes Stadtbild, der Main vor der Haustür, im Sommer übrigens gut zu beschwimmen. Aber das nur nebenbei. Und: Im Gegensatz zu anderen fränkischen Weinorten gibt es keine überbordende Menge an Touristen in Sulzfeld. So bleibt dann doch Zeit für das Wesentliche.

    Acht verschiedene Silvaner gibt es bei Ulrich (links) und Philipp Luckert im Sulzfelder Weingut Zehnthof.
    Acht verschiedene Silvaner gibt es bei Ulrich (links) und Philipp Luckert im Sulzfelder Weingut Zehnthof. Foto: Peter Bender

    Zu den lauten Protagonisten in der Weinwelt zählen die drei Luckerts (Philipp, Wolfgang und Ulrich) nun so gar nicht. Sie tauchen mit ihren grandiosen Weinen nicht in gestylten Hochglanz-Zeitschriften auf. Ihre Tropfen gewinnen nicht die Preise, die auf roten Teppichen verliehen werden. Bei Verkostungen muss man die Luckerts suchen und dann auf obligatorische Umarmungen verzichten. All diese Umstände mögen auf den ersten Blick als Nachteil oder vertane Chance gesehen werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn man das so sagen kann, dann ist der Silvaner eigentlich der „Luckert der Rebsorten“. Kein Wunder, dass es in diesem Weingut dann auch gleich acht verschiedene Silvaner gibt.

    Ulrich Luckert: „Der Silvaner lässt den Boden und die Lage sprechen“

    Für Ulrich Luckert ist die Sache ganz klar: „Es ist unsere Haupt-Rebsorte, unsere Leidenschaft und unsere Herzensangelegenheit. Vom Gutswein angefangen bis zum Großen Gewächs.“ Der eigentlich starke Müller-Thurgau und der filigrane Riesling von den Luckerts werden durchaus geschätzt von der Kundschaft. Aber die Klimaveränderung macht sich auch in Sulzfeld in der Auswahl der zukünftigen Rebsorten bemerkbar. „Der Riesling wird bei uns in heißen Jahren eher einseitig“, sagt Luckert. Da ist der Silvaner ganz klar im Vorteil. Langfristig wird sich der Fokus wohl mehr auf den Silvaner richten im Hause Luckert. „Er ist halt eher neutral und lässt den Boden und die Lage sprechen.“ Was die Stilistik und damit auch den Ausbau angeht, so haben die drei vom Weingut ganz klare Vorstellungen. Alle Silvaner, von der einfachsten Qualität angefangen, werden spontan vergoren mit wilden Hefen und im großen Holzfass ausgebaut. Die Idee dahinter ist kurz erzählt: „Wir wollen in dieser Rebsorte keine fruchtigen Komponenten.“ Mit einem langen Hefelager bis zu einem halben Jahr Dauer und einer geringen Schwefelgabe haben die Luckerts eine durchgängige Stilistik erschaffen, die erkennbar bleibt quer durch alle Qualitätsstufen, angefangen vom vorzüglichen Liter für 8 € bis hin zum Silvaner „Creutz“, der 150 € erfordert. Die Geschichte dieses High-End-Silvaners ist erstaunlich. Vor einigen Jahren erfuhr Uli Luckert bei einer Ortssitzung, dass dieses Mikro-Gewann zu haben ist. Ehrlich gesagt: Optisch macht dieses kleine Fleckchen Land, zwischen Häusern und Garagen gelegen, überhaupt nichts her. Was aber die wurzelechten Reben, gepflanzt im Jahre 1870, in die Flasche bringen unter den Händen der Familie Luckert, rechtfertigt den Preis, der kein Marketinggag ist, um Aufsehen zu erregen. Mit filigraner Salzigkeit und einer leisen Tiefe, die aus Franken direkt ins Burgund führt, verbleibt man andachtsvoll mit dem Glas in der Hand. Ohne das Engagement der Luckerts, die seit langer Zeit biologisch wirtschaften und darum kein Aufheben machen, würde es diesen Weinberg wohl gar nicht mehr geben. 

    Und das Schönste daran ist, dass auch dieser Silvaner in keinster Weise „sophisticated“ ist, sondern sogar sehr gut verständlich – auch für Wein-Novizen.

    Ein großer Wein also, der in der Ruhmeshalle der weltweit besten Weine lässig Platz finden würde. Und dann war da noch die Geschichte mit Paris. Uli Luckert sagt es ganz leise und doch mit Stolz: „Also a weng Silvaner verkaufen wir nach Paris – so 1200 Flaschen im Jahr.“ 

    2022 Sulzfelder Silvaner, € 13, www.weingut-zehnthof.de

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