Pro: Beim Anblick manch eines VHS-Programms sehnt man sich die Rente herbei
Leicht ist der Fehler begangen, die Volkshochschulen zu unterschätzen mit ihren manchmal etwas kaffeefleckigen Teppichböden und muffigen Räumen. Wer aber ins Programm so mancher VHS blättert, dem schlagen oftmals hundert eng bedruckte Seiten entgegen, die es in sich haben. Zwischen Knödel-Diplom, Motorsägen-Führerschein und Ölmalerei nach Bob Ross tut sich eine so weite wie geheimnisvolle Welt der Weiterbildung auf, bei deren Anblick man sich fast die Rente herbeisehnt. Einfach, weil man dann mehr Zeit hat.
Aber die Vielfalt der VHS-Kurswelt erschließt sich nicht nur aus der pensionierten Langeweile heraus. Es ist nie verkehrt, einen Indisch-Kochkurs anzutreten oder aus purem Interesse mit Baskisch oder Katalanisch zu beginnen. Und bevor man statt zur Volkshochschule übereilt ins universitäre Gasthörerdasein startet, gönnt einem die VHS erst einmal eine Orientierungsphase. So lässt sich zwischen Anthropologie-Kurs und Sitzungen zum Herrschergeschlecht der Staufer auch mal ein Vortrag zu Rabenvögeln besuchen, um mehr über das Geheimnis deren Intelligenz und soziale Fähigkeiten zu erfahren.
Dass man die über hundertjährigen Volkshochschulen gerne unterschätzt, hat wohl auch mit ihrem leicht verstaubten Image zu tun. Aber diese Einschätzung ist komplett veraltet, denn eigentlich waren sie ihrer Zeit voraus. Man muss es vielleicht einmal so sehen: VHS-Kurse waren ungeachtet von Bildungsabschlüssen schon immer für alle zugänglich - egal, ob es sich um Latein, Bildende Kunst oder Kurse über die Literatur des 20. Jahrhunderts handelt. Barrierefreie Bildung für alle sozusagen. Wo gibt es so was sonst noch? (Lino Wimmer)
Contra: Von den Erfolgen der VHS-Kursen bleibt wenig übrig
Manche Menschen scheinen Zeitwunder zu sein. Der eine will jetzt Kinderlieder mit der Ukulele begleiten, die andere macht Gehirnjogging in Form eines Koreanisch-Kurses. Wie bekommen die das nur hin? Falls an dieser Stelle ein bisschen Neid herauszuhören ist, liegen Sie durchaus richtig. Denn die Realität für die meisten Menschen ist die: Man ist froh, wenn man den Alltag gewuppt bekommt, mal einen Abend fürs Theater oder Kino freischaufelt und alle paar Wochen ein Buch ausliest.
Natürlich wäre es toll, wenn man in der Lage wäre, mühelos über die Plejaden im Sternbild Stier am Sternenhimmel zu plaudern. Oder man sich Zeit nehmen könnte, für „Visagistik, so mogelt man sich schön“. Tatsache aber ist, zumindest der eigenen Erfahrung nach, dass von den Erfolgen der einstmals enthusiastisch gebuchten VHS-Kurse auf lange Sicht wenig übrig bleibt und das Gelernte im Alltag schnell wieder versickert. Quintessenz des Spanisch-Kurses: Una paella, por favor. Quintessenz des Italienisch-Kurses: Ecco, e la piccola casa di Carlo. Quintessenz des Englisch-Konversationskurses: Keiner diskutiert, weil in der fremden Sprache alle zu unsicher sind.
Selbstverständlich würden sich mit etwas längerem Atem Erfolge einstellen und es fühlt sich wunderbar an, nahezu akzentfrei auf Spanisch eine Paella zu bestellen zu können. Leider ist es aber meist so, dass der Kellner dann routiniert auf Englisch abkassiert, hmm... Man kann nicht alles lernen und das muss man auch nicht. Man darf auch mal in aller Ruhe nichts tun, nichts denken und den farbenfrohen Herbstkranz, der mit ausgefeilter Technik im vhs-Kurs gewickelt wird, einfach nicht binden. (Doris Wegner)
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