"Mama, wird es jetzt Krieg bei uns geben?" – "Papa, müssen wir jetzt alle sterben?" Solche Sätze haben in den vergangenen Tagen hierzulande Eltern aus dem Mund ihrer Kinder gehört – und manch Mutter oder Vater war da sprachlos.
Die Informationen über den Ukraine-Konflikt bewegen auch die Jungen und Mädchen in unserer Region, denn sie machen nicht an der Kinderzimmertür halt – über Schule, Kindergarten und die Medien gelangen sie auch zu den Kindern und Jugendlichen.
Ein Abschirmen von Informationen ist nach Ansicht von Medienwissenschaftlerin Maya Götz nicht möglich. Um den Kindern und Jugendlichen ein Stück weit die Angst zu nehmen und sie mit den schlechten Nachrichten nicht allein zu lassen, rät die Leiterin des Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen Eltern zur behutsamen, sachlichen Aufklärung und gibt folgende Tipps:
1. Zuhören, was das Kind über den Ukraine-Krieg weiß
Erkundigen Sie sich, was das Kind weiß und wie es sich fühlt. Hören Sie ihm zu, lassen Sie das Kind erzählen. Wenn das Kind einen besorgten Eindruck macht, fragen Sie gegebenenfalls nach, zum Beispiel: "Wie fühlst du dich?" – "Macht dir das Angst?" Kleine Jungen oder Mädchen lassen sich oft auch gern bitten, aufzumalen, was ihnen gerade durch den Kopf geht. Für die Kinder ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie immer mit ihren Sorgen zu ihren Eltern kommen können und ihnen zugehört wird.
2. Sachlich und ruhig bleiben – und nicht in Details verstricken
Da das Thema ohnehin schon emotional aufgeladen ist, sollten Eltern alle weiteren Emotionen rausnehmen und ruhig und sachlich die Fragen ihrer Kinder beantworten. Verwenden Sie dabei einfache Worte und kurze Sätze, das macht es jungen Kindern einfacher, die Antwort zu verstehen. Schmücken Sie die Informationen nicht mit Details aus. Eltern von Kindern ab etwa acht Jahren können auch professionelle Kindermedien wie die ZDF-Kindernachrichtensendung Logo! verwenden, um ihren Kindern die Vorgänge in der Ukraine zu erklären. Auch auf Capito, der Kinderseite unserer Zeitung, haben wir schon über den Konflikt berichtet. Die Seite finden Sie hier:
3. Sicherheit geben – und altersgerecht mit einfachen Sätzen erklären
Krieg macht Kindern Angst. Eltern können ihnen etwas Sicherheit geben, indem sie eine räumliche Distanz herstellen. Das funktioniert bei jüngeren Kindern mit Sätzen: "Die Ukraine ist weit weg", "Du bist hier sicher", "Ich passe auf dich auf". Bei älteren Kindern können Eltern einordnend erklären: "Das Verhalten des russischen Präsidenten ist nicht normal. Die Chefs und Chefinnen der meisten anderen Länder würden so etwas nicht tun. Wichtig ist nun, dass alle zusammenstehen und sagen, dass man so etwas nicht machen darf. Die anderen Länder suchen nun nach einer Lösung." Ältere Kinder verstehen auch schon das Thema Sanktionen und wie sie politisch eingesetzt werden. Durch den Ukraine-Konflikt könne auch die politische Grundbildung der Kinder und Jugendlichen gefördert werden, sagt Maya Götz.
4. Sorgen nehmen – und Kinder selbst aktiv werden lassen
Kinder haben eine große Empathie und sorgen sich um andere Kinder. Sollte die Frage "Was ist mit den Kindern dort?" fallen, rät Maya Götz, kleinen Kindern zu antworten: "Den Kindern wird geholfen. Sie werden in Sicherheit gebracht." Eltern sollten diesen Aspekt aber nicht von allein ansprechen, rät die Medienexpertin. Es gibt auch Möglichkeiten, wie Kinder hierzulande aktiv werden und anderen Kindern helfen können, sagt die Medienexpertin. Beispielsweise ihre zu klein gewordenen Wintersachen zu spenden oder einen Spielsachen-Flohmarkt zu veranstalten, um Geld für Spenden aufzutreiben. Kinder möchten helfen, das nimmt ihnen ein Stück weit das Gefühl, einer Situation ohnmächtig ausgeliefert zu sein.
5. Ehrlich sein, aber Informationen auch filtern und dosieren
Im Gespräch mit ihren Kindern sollten Eltern authentisch bleiben. Sie können auch zugeben, dass sie auch ein bisschen Angst haben, wenn sie die Bilder sehen - so sehen die Kinder, dass sie mit ihren Gefühlen richtig liegen, das beruhigt etwas. Allerdings sollten Eltern nicht alles erzählen, was sie gerade umtreibt - das sollten sie nur mit Erwachsenen besprechen. Maya Götz weiß um das Dilemma, vor dem viele Eltern gerade stehen: Bin ich ein Lügner oder eine Lügnerin, wenn ich die Dinge beschönige? Viele Informationen verträgt mein Kind aber noch nicht. Und was, wenn sich die Lage weiter zuspitzt? Glaubt mir mein Kind dann noch? Maya Götz betont: "Es geht hier ums Kind, nicht um die Eltern." Zum Wohl des Kindes sei es Eltern erlaubt, Informationen zu filtern, einzuordnen und nach eigenem Ermessen zu dosieren. Nach Ansicht der Medienexpertin sei es auch keine Lüge, wenn Eltern ihren kleinen Kindern die Ukraine als "weit weg" schildern. 1000 Kilometer seien für ein Kindergartenkind ganz weit weg. Auch der Satz "Du bist hier sicher" stimme: "Von der Situation, dass hier Bomben fallen, sind wir weit entfernt."
6. Einen Satz auf keinen Fall verwenden
Den Satz "Du musst keine Angst haben" auf keinen Fall sagen. Das Kind kann nun einmal diese Gefühle haben und fühlen sich dann missverstanden oder schlecht. Eltern sollten sich zurücknehmen, ihren Kindern nicht ihre eigenen Sorgen zeigen und nicht vor den Kindern über den Konflikt diskutieren. "Je größer Herr Putin erscheint, desto beängstigender wirkt er", erklärt Maya Götz.
Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Ukraine-Konflikt.