Jetzt kann man es wieder beobachten, in freier Natur und auf dem offenen Feld. Im Auenland in der Eifel und auch auf ostdeutschen Riesenäckern, auf der Allgäuer Kuhweide wie auf der plattdeutschen Heidschnuckenwiese, dort kann man es betrachten und bestaunen: das Flirtverhalten liebeswilliger Landwirte. Na gut, oder etwas banaler: Bauer sucht jetzt wieder Frau im Fernsehen, Inka Bause vermittelt. Diesmal posiert die Moderatorin auf Werbe-Bildern sogar vor einer vierstöckigen Heuballentorte, mit Schleifchen rundum. RTL feiert die 20. Staffel des Formats. Fast zwei Jahrzehnte „Bauer sucht Frau“. Wir blicken zurück auf ein Reality-TV-Märchen, das von zärtlichen Ziegenzüchtern, kräftigen Kartoffelbauern und singenden Schäfern handelt. Zeit für Erntedank!
2005 begann die Erfolgsgeschichte von „Bauer sucht Frau“
Als der Sender RTL im Jahr 2005 auf die bauernschlaue Idee kam, einer müsse sich doch mal um die demografische Entwicklung auf dem Lande kümmern, also Großstädterinnen auf die Höfe treiben, an Bauern auf Koppeln verkuppeln – ja, da sorgten sich viele: Stopp! Werden Landwirte hier vorgeführt? Am Nasenring durch den Saustall des Reality-TV-Geschäfts gezerrt? Der Bauernverband jaulte. Skandalös, wie hier der Berufsstand verkauft wird! Und ja, es stimmt, die Show fuhr in den Jahren eine reiche Ernte an Skandalen ein. Allein die Pein, seine Liebe zu casten, vor der laufenden Kamera und Millionen Zuschauern, hätte ja schon genügt.
Da steht der Jungbauer ohne TV-Erfahrung auf dem Dorfplatz, die Lampions vom Scheunenfest sind längst erloschen, die Fernsehscheinwerfer aber leuchten, und ihm rotiert der Schädel nicht vom letzten Obstler, sondern von der schweren Entscheidung: Jetzt stehen Marianne und Sieglinde vor ihm, wen nimmt er mit auf dem Trecker nach Hause? Oder aber Szenen wie diese: Da sitzt das junge Stadt-Land-Glück (er Bauer, Brandenburg, sie Bürokauffrau, Berlin) lammschüchtern auf der alten Eckbank der Bauernmutter und weiß nicht so recht, in welchem Bett die Kandidatin heute schlafen soll. Oder doch bei den Heidschnucken?
Skandal um Claus Clausen, viel Liebe für Schäfer Heinrich
Manche Kandidaten umwehte aber nicht nur frischer Landduft, sondern auch der Odeur des Skandals: Claus Clausen (Staffel 5) passte ideal in das Format „Bauer sucht Frau“, da wäre der zünftige Zusatz „fröhlicher Friese“ (ach, alberne Alliterationen!) garantiert gar nicht nötig gewesen. Schade nur, dass Clausen laut Medienberichten damals gar nicht ledig gewesen sein soll. Und sich nur beworben habe, wegen einer verlorenen Wette unter Männern. Und es kam noch härter: Der „zärtliche Ziegenwirt“ Fritz war nicht nur Freund von gehörnten Tieren, sondern früher einmal auch Fan extrem rechtsextremer Parolen. Ex-NPD-Mitglied. Einst aktiv in der Szene. Ziemlich zwielichtig, meinten manche, und RTL warf ihn aus dem Format.
Aber neben solchen Exempeln stehen Typen wie Schäfer Heinrich. Ein Mann mit Hut, der seine Lieder singt, ein Kerl wie frisch als Exponat aus dem Heimatmuseum entwendet. Heinrich spielte Harmonika, schrieb ein Lied, das zum Charthit aufstieg (“Das Schäferlied“), und auch weniger bekannte Songs (“Haus am Hühnerfrikasee“). Heinrich wurde zur TV-Instanz, die Primetime im TV zur Schäferstunde.
Narumol und Josef zählten zu den TV-Lieblingen
Und die Show hat auch Beispiele der Liebe hervorgebracht: Narumol und Josef (Staffel 5), sie scheinen sich gegen jede Wahrscheinlichkeit in der Reality-Liebes-Lotterie gefunden zu haben. Glücklich schaute der Josef drein, wenn ihm seine Narumol über den Hof folgte. „Wir beide werden zusammenbleiben, bis unser Leben zu Ende“, meinte sie und schob ihr markantes, liebevoll-befehlstonartiges „hä?!!“ hintendrein. Als die Thailänderin dann einmal ihrer Müdigkeit und auch ihrem Wissen um Redewendungen Ausdruck verleihen wollte, entfleuchte ihr ein „Ich bin fix und fertig“. Dass ihr dabei das „X“ nicht über die Zunge rollte, zu einem „K“ verrutschte, ist heute TV-Geschichte. Aber es war auch eine Gemeinheit, wie Boulevardmedien diesen Moment ausschlachteten.
Schönheit vergeht, Hektar besteht? Nein, TV-Ruhm vergeht, TV-Liebe besteht, alte „Bauer sucht Frau“-Regel. Am Ende zählt die Bilanz vor dem Altar: Wie viele Eheschließungen konnte die Show einfädeln? Gut 35 der Paare haben sich verheiratet, kaum eines hat sich geschieden. Vielleicht ist auch die Moderatorin der Show eine talentierte Liebespsychologin, auf jedem zweiten Hochzeits-Beweisfoto lächelt Inka Bause mit in die Linse, als geladener Partygast. Früher Schlagerstern, heute seelsorgende Schutzpatronin aller alleinstehender Landwirte mit zu viel Anbaufläche, aber zu wenig Partnerin an ihrer Seite – auch nach Ende der Show kümmert sie sich offenbar: „Die Bauern können mich anschreiben, wenn es brennt, telefoniere ich auch schon mal mit ihnen“, sagte Bause letztens im Interview.
„Bauer sucht Frau“ hat sich im Stil verändert
Doch Zeiten wandeln sich: Lang vorbei die Epochen, in denen Bauer noch bei der Brautschau mit Hektar wucherten, um Vieh feilschten. War doch sowieso schon seit Urzeiten nichts als fiese Unterstellung! Übles Klischee. Heute sieht man in dieser Show die Balz des modernen Landwirts: Vom schönen Schweinebauern Siggi in Süderbrarup, mit seinem Hightech-KI-Supertrecker, schwenkt die Kamera nach Partenkirchen, zum patenten Pferdewirt Patrick mit Doppeldiplomabschluss. Und manchmal verliebt sich Landwirt Ludwig auch in den Bald-schon-Bauer Bertolt. Da sitzen sie dann in der getäfelten Landhausküche und niemand stört sich am Hof an dem gleichgeschlechtlichen Glück. Auch Landwirtinnen suchen schon lange in diesem Format nach der Liebe und sogar eine internationale Ausgabe läuft regelmäßig bei RTL, um den Suchradius zu erweitern.
20 Staffeln, dafür kann die TV-Branche ein Erntedankfest feiern. Denn die Saat wuchert: Mit dem Erfolg von „Bauer sucht Frau“ begann es zu blubbern in den Denkstuben der TV-Redaktionen. Neue Kuppelformate quollen aus allen Sendeplätzen. Sie fanden Schwiegertöchter für Söhne, vermittelten „Beautys“ an „Nerds“, erzeugten in Frauen den urplötzlichen Wunsch, von einem Junggesellen die letzte Rose geschenkt zu bekommen. Da mögen Kritiker sagen: Pfui bäh! Geht auf keine Kuhhaut! Alles nur gestellt und der Rest Voyeurismus. Darin liegt vielleicht eine Wahrheit ... aber hat das Übel wirklich mit „Bauer sucht Frau“ begonnen? Früher sah man „Herzblatt“ und „Geld oder Liebe“ und nannte das schon beste Unterhaltung.
Die 20. Staffel von „Bauer sucht Frau“ läuft an
Vielleicht ist die Liebe in Zeiten der Kamera, diese TV-Partnersuche keine massentaugliche Lösung gegen Masseneinsamkeit. Keine Chance für jedermann. Aber in Zeiten, in denen Großstädterinnen an Tinder-Depressionen leiden, und wütende Jungbauern mit Traktoren Autobahnauffahrten blockieren, ja da wirkt es doch vergleichsweise harmlos und Hoffnung stiftend, was jetzt zum 20. Mal über den Acker der privatrechtlichen Sendeplatz-Bewirtschaftung auf uns zugerollt kommt: Tindern zwischen Rindern. „Bauer sucht Frau“, Staffel 20.
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