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Foto: Fabulabs Gmbh
Foto: Fabulabs Gmbh

Retnerbeige ist das neue Babybeige: Immer mehr Eltern stecken ihre Kinder in farblose Klamotten.

Trend bei Babys
30.01.2023

Warum Eltern ihre Babys in beige Klamotten stecken

Von Felicitas Lachmayr

Aschgrau, creme, eierschalenfarben – das sind die Töne des Alters. Doch das Rentnerbeige färbt ab. Auch Babys bekommen gern mal naturfarbene Strampler übergestülpt. Was hinter dem Trend steckt.

Beige Stoffhose, dazu eine eierschalenfarbene Strickjacke und auf dem Kopf eine cremefarbene Kappe. Wen haben Sie vor Augen? Einen älteren Herren, der mit dem fahlen Betongrau des Gehwegs zu verschmelzen droht? Wo denken Sie hin. Die Farbpalette zwischen vergilbtem Buchseitengelb und recyceltem Papiergrau, die eigentlich erst im Alter so richtig zum Tragen kommt, ist längst auf die jüngere Generation übergeschwappt – und hat sie ihrer Buntheit beraubt. Denn Rentnerbeige ist das neue Babybeige. 

Manche Kinderabteilungen gleichen im Kolorit dem morgendlichen Haferflocken-Gemansche. Strampler in Sand, Kamel oder Elfenbein baumeln neben cremefarbenen Strickjäckchen und aschgrauen Söckchen. Beiger Einheitsbrei. Jetzt also farblos groß werden statt eintönig alt werden. Aber warum gerade beige? Diese Nicht-Farbe, die alles unscheinbar werden lässt, was sie umhüllt. Die wie eine Tarnfarbe wirkt, weil sie sich an ihre Umgebung anschmiegt. Geräuschlos, dezent. Die sich mit nichts beißt und zu allem passt. Diese farbloseste aller Farben. Dieser Inbegriff von Langeweile. 

Loriot spottete schon in den 1980er Jahren über farblose Spießigkeit

Aber was sind das für Töne. Genauso öde wie das Farbspektrum wäre es, sich über die damit verbundene Spießigkeit zu mokieren. Das hat Loriot schon in den 1980ern getan, als er als Chef eines Möbelgeschäfts die Farben fürs neue Sofa präsentierte. „Da haben Sie 28 Grautöne in jeder Qualität: mausgrau, staubgrau, aschgrau, steingrau ...“ Töne in Gelb oder Mattgrün fürs Wohlbefinden? Kommt dem mürrischen Ehepaar nicht ins Haus: „Wir hätten gern das Aschgrau.“ Legendär, aber längst alter Hut. 

Neu ist hingegen, dass jetzt auch Kleinkinder in farbarme Klamotten gesteckt werden. Bilder von Babys, die im beigen Strampler über den Korkboden robben, fluten die Instagram-Profile ambitionierter Eltern. Nicht nur die Farben wirken aus der Zeit gefallen, auch die Schnitte sind retro. Rüschen, Pluderhosen, Kniestrümpfe und Matrosenkrägen zieren die Babykleidung. Der britische Guardian spottete nicht ohne Grund, der Stil erinnere an Waisenkinder aus den Arbeiterhäusern des 19. Jahrhunderts. Nichts leuchtet, nichts glänzt, nichts schreit nach Spaß. Ein Trend, so trist, dass er im Englischen einen eigenen Namen bekam: Sad beige parenting. Traurig beige Erziehung. 

Geprägt hat den Begriff die Britin und Zweifach-Mutti Hayley DeRoche, die dem farblichen Einerlei mit Humor begegnet. Auf Tiktok und Instagram postet sie als „Sad Beige Lady“ ironische Videos zum Thema und trifft den Nerv hunderttausender Eltern. Denn am realen Chaos aus verkleckerten Lätzchen, wasserfarbbeschmierten Wänden und trötenden Feuerwehrautos gehen die neutralen Kinderzimmer und herausgeputzten Babys in Beige, die online präsentiert werden, vorbei. Aber versuchen kann man es ja mal. 

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Dezente Farben wirken beruhigend und suggerieren Naturverbundenheit

Ein Vorteil in den Augen vieler Eltern: Die dezenten Farben wirken beruhigend, wenn auch mehr auf sie selbst als auf die Kinder. Braun und Beige sollen Ordnung ins familiäre Durcheinander bringen. Neben Klamotten sind deshalb auch Spielsachen und Möbel in Erdfarben getaucht. Dass der Blick ins Kinderzimmer einem trüben Januarmorgen gleicht, ist einerlei. Der Geschmack der Eltern geht vor. Sie wollen sich die häusliche Boho-Ästhetik nicht vom bunten Kinder-Klimbim zerstören lassen. 

Wenn die Spielsachen schon wie kleine Tretminen im Wohnzimmer herumliegen, dann wenigstens in Form von Naturholzklötzchen. Die fallen neben Rattan-Stuhl und Eichenregal zumindest nicht gleich auf. Außerdem suggerieren die gedeckten Farben Natürlichkeit. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit, auch wenn nicht jeder beige Strampler aus ökologischer Bio-Merinowolle besteht. 

Auf den ersten Blick mag die Eintönigkeit spartanisch wirken, doch achtsame Eltern lassen sich die schadstofffreien Spielzeuge und fairen Klamotten einiges kosten. Ein weiterer Grund für die Erdtöne: Sie sind genderneutral und brechen mit gängigen Farbklischees vom Pink für Mädchen und Hellblau für Jungs. 

Vielleicht spiegelt sich im Baby-Beige auch schlicht der Stil der Eltern wider. Denn in der Erwachsenenwelt ist die Nicht-Farbe ebenfalls längst angekommen. Pop-Sternchen Billie Eilish zeigt sich gern in Sandfarben, auch Influencerin Kim Kardashian zelebriert den Nude-Look. Beige ist in, egal in welchem Alter. Aller Unscheinbarkeit zum Trotz. „Hat jemand Emil gesehen? Ach, da drüben im Sandkasten sitzt er ja.“

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