Nach dem Urlaub steht manchen Männern die Ferienfreude ins Gesicht geschrieben. Auf den sonst so glatten Backen sprießen plötzlich Haare, mal wild wuchernd in Form eines Vollbartes, mal gezähmt an Kinn oder Kieferlinie. Die Urlaubsstoppel stehen für Unabhängigkeit von den Zwängen des Alltags. Mal nicht jeden Tag den Gesichtsbewuchs beseitigen, sondern abschalten und den Rasierer gleich mit.
Das hat sich offenbar auch Markus Söder gedacht, denn der bayerische Ministerpräsident zeigt sich neuerdings mit Bart. Ein Privileg sei es, sich nicht rasieren zu müssen, schwadroniert er auf Instagram und fragt seine Gefolgschaft: „Gefällt euch der Sommerbart oder lieber glatt rasiert?“ Auf den Smiley mit Heiligenschein folgen 40.000 Herzen und 1500 Kommentare. Weg damit, lieber aalglatt, finden die einen. Cool, lässig, sexy, die anderen. Manch einer sehnt sich schon nach einem Bier mit dem bayerischen Bartträger. Wirkt ja auch gleich nahbarer, wenn sich ein Politiker mal gehen und einen Dreitagebart wachsen lässt, denn der ist das beste Zeichen fürs Nichtstun. Bei Söder könnten die Stoppel auch strategisch sein, um sich dem Wahlvolk anzubiedern, aber so viel Kalkül will man dem unrasierten Maggus nicht unterstellen, wobei...
Söders Gesichtsbehaarung signalisiert sommerliche Selbstzufriedenheit
Die Urlaubsstoppel unterstreichen den legeren Freizeitlook, den Söder generell gerade an den Tag legt. Statt mit Hemd und Krawatte präsentiert er sich auf Instagram gern volksnah in Poloshirt und Baseballcap, mit Fahrradhelm oder in Badehose, dann immerhin im Wasser. Würden Ilse Aigner oder Annalena Baerbock plötzlich Bikinibilder posten oder fragen, ob es mal Zeit wäre für einen Pony zum kinnlangen Haar, wäre ihre politische Glaubwürdigkeit schneller dahin als Söders Bart abrasiert, aber das ist jetzt geschlechterbezogene Haarspalterei.
Söders Gesichtsbehaarung jedenfalls signalisiert sommerliche Selbstzufriedenheit. An der mangelt es dem Ministerpräsidenten auch das restliche Jahr über nicht, aber mit dem neuen Look setzt er einen drauf. Denn was da in seinem Gesicht wuchert, scheint wohlüberlegt. Da sprießt nicht einfach ein willkürlicher Dreitagebart, nein, der Ministerpräsident hat sich für einen royalen Schnitt entschieden, den „Henriquatre“, benannt nach dessen berühmtestem Träger, dem französischen König Heinrich IV. Auch andere Promis wie Leonardo di Caprio oder Brad Pitt zeigten sich schon mit dem Modell, das den Mund umrahmt und nach Symmetrie und klaren Konturen verlangt.
So ein Bilderrahmen um den Mund lenkt den Fokus aufs Gesprochene, was Söder gefallen dürfte, denn gefühlt generiert er mit seinen Social-Media-Beiträgen derzeit mehr Aufmerksamkeit als mit seiner politischen Arbeit. Auf Instagram fordert er Abschiebungen nach Syrien und verspeist im nächsten Post Schweinebraten. Überhaupt haut er sich Mahlzeiten rein, die Ernährungsberater schaudern lassen. Wurstplatten, Fleischfetzen, Würstel und zwischendurch ein Stück Melone fürs Sommerfeeling. Bayerisch, deftig, bürgerlich – nur ja nicht vegetarisch.
Wandelbarkeit hat der bayerische Ministerpräsident schon oft genug bewiesen
Aber ging es nicht gerade noch um Bärte? Also zurück zu Söders Bart und der Frage, was er damit sagen will. Er ist ja nicht der Erste, in dessen Gesicht es plötzlich wuchert. Unvergessen Harald Schmidt, der einst mit Rauschebart von einer Weltreise zurückkehrte, aber der musste auch nicht den Anschein von Seriosität wahren. Oder man denke an den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der stets glattrasiert mit Gelfrisur nach seinem Rücktritt plötzlich leicht zerzaust mit Dreitagebart daherkam. Aber auch das weckt falsche Assoziationen, denn ans Aufhören denkt Söder sicher nicht. Im Gegenteil, er träumt lieber von der Kanzlerkandidatur.
Wandelbarkeit hat der bayerische Ministerpräsident schon oft genug bewiesen. Er muss nur aufpassen, dass ihn der Bewuchs nicht ins falsche Licht rückt. Denn ein Bart im Gesicht eines Politikers ist ja nicht einfach nur ein Bart, sondern ein ideologischer Zuschnitt. In konservativen Kreisen gilt er nach wie vor als verlottert, deshalb hat Söder ihn sichtlich in Form gebracht. Vom zerzausten Sozialistenbart eines Wolfgang Thierse, vom Wildwuchs eines Anton Hofreiters oder vom völlig entfesselten Rauschebart eines Karl Marx ist er weit entfernt.
Unrasiert ist bislang niemand zum Kanzler gewählt worden
Eher noch erinnert Söders Bart an eine dezente Version jener Frisur, die König Ludwig II. einst im Gesicht trug und das dürfte Söder schon wieder schmeicheln. Zwar interessierte sich der Märchenkönig mehr für Schlösser als fürs gemeine Volk, aber zumindest war er ein bayerisch-konservatives Urgewächs, so eine Art bayerischer Popstar. Vom Königsthron träumt Söder bisher nicht, aber immerhin von der Kanzlerkandidatur.
Über seine Gesichtsbehaarung sollte er dann aber noch mal sinnieren, denn niemand schaffte es bislang unrasiert ins Amt. Und nur zwei Kanzlerkandidaten hatten jemals einen Start mit Bart gewagt – beide sind gnadenlos gescheitert. „Politik ohne Bart“, forderte ein glattrasierter Helmut Kohl 1994 und setzte sich gegen seinen unrasierten SPD-Herausforderer Rudolf Scharping durch. Auch der bärtige Martin Schulz scheiterte 2017 im Wahlkampf gegen Amtsinhaberin Angela Merkel. Ob’s am Bart lag? Dieses Risiko wird Söder nicht eingehen und sich seines Barts vermutlich bald entledigen. Eins aber hat Söder geschafft: Dass mal wieder alle über Söder reden. Ein Glück, dass die sitzungsfreie Zeit nun vorbei ist und damit vielleicht auch das Gerede übers Gewächs im Gesicht.
Söder glaubt wohl mit Bart junge Wähler anzusprechen. Aber Söder wird weder mit noch ohne Bart Kanzler werden, er hat nur schlechte PR-Berater.
Das war das erste was mit auffiel die Ähnlichkeit zum späten Ludwig II, jetzt stellt sich nur die Frage ob er damit auch politisch baden geht.
Wie sieht eigentlich die Bilanz von Söder in Bayern aus. Nur auf die Ampel hauen reicht nicht. Die AZ sollte mal die Erfolge von Söder auflisten und nicht über seinen Bart berichten. Auch negative Leistungen wie Masken usw.
Das ist auch meine Meinung Herr Burghard Deichmann. und ich denke mir Persönlich ist das egal, denn Ihn werde ich Sicherlich nicht als Kanzlerkandidat wählen mit oder ohne Bart.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden