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Schlaf verbessern: Was hilft wirklich?

Die Zahl der behandlungsbedürftigen Schlafstörungen in Deutschland steigt. Dazu kommt: Etwa jede dritte Person hat Probleme mit ihrem Schlaf.
Foto: Christin Klose, dpa
Schlaf

Wer schlafen will, bleibt wach: Was man für den besseren Schlaf tun kann

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    In einem Hotelzimmer bei Füssen: Ein Doppelbett, ein Ledersessel mit Fußteil, ein Sofa. An der Wand ein Fernseher, darunter "lodert" ein künstlicher Kamin. Draußen ist es noch hell, eine große Fensterfront legt die Sicht auf den Weißensee und die Berge frei. Alles wirkt wie ein normales Hotelzimmer, aber da ist noch mehr. Auf dem Bett liegt eine grau bezogene Bettdecke, dazu vier Kissen mit folgender Notiz: "Eine kleine Auswahl unserer Kissenbar. Gute Nacht!" Welches nimmt man da nur? Sie fühlen sich an, als wären sie unterschiedlich gefüllt. Eines hat eine Kerbe für den Nacken, ein anderes raschelt besonders laut, wieder ein anderes ist ganz weich. Kurz mal den Kopf auf jedes der Kissen legen – und die Entscheidung fällt auf das mit der Kerbe, das ergonomische. 

    Wer im Boutique-Hotel Dreimäderlhaus in Weißensee bei Füssen eincheckt, sucht nicht nur ein Hotelzimmer zum Schlafen. Der sucht für den guten Schlaf das passende Hotelzimmer. Ein zertifiziertes "Guter-Schlaf-Zimmer", drei davon haben sie hier. Und damit nicht genug. Wer nicht schlafen kann, wendet sich an die Schlaflotsen. 

    Schlaflotsen? Sieht man sich aktuelle Studien zum Schlaf der Deutschen an, bräuchte es davon wohl Millionen. Denn die Menschen hierzulande schlafen schlecht. "Seit zehn bis 20 Jahren nehmen Schlafstörungen statistisch betrachtet zu", sagt Ingo Fietze. Er ist Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité. 

    Grundsätzlich gilt: Es gibt Schlafprobleme und behandlungsbedürftige Schlafstörungen. Etwa jede dritte Person hat Probleme mit ihrem Schlaf. Mal verlaufen die Nächte besser, mal schlechter. Erst wenn jemand über die Dauer von vier Wochen an drei Nächten in der Woche so schlecht schläft, dass er oder sie am nächsten Tag beeinträchtigt ist, besteht Behandlungsbedarf. Dann ist die Rede von einer Schlafstörung. Der Insomnie. 

    Immer mehr Menschen in Deutschland schlafen schlecht

    Und warum diese steigende Zahl an Insomnien? Fietze zufolge gibt es heutzutage schlichtweg mehr Auslöser für Schlafstörungen und darum auch mehr Menschen, die schlecht schlafen. Dahinter stecken zum Beispiel Existenzängste und finanzielle Sorgen – schlichtweg Stress aller Art.

    Aber was sind schon vier Wochen schlechten Schlafens? Eigentlich keine lange Zeit, doch dieser Wert ist nicht zu unterschätzen. Je länger eine Insomnie andauert, desto schlechter ist sie behandelbar. Fietze zufolge kann das nicht Einschlafen, nicht Durchschlafen oder zu frühe Aufwachen schon nach drei Monaten chronisch werden. "Insomnie ist eine chronisch anerkannte Krankheit", sagt er. Etwa 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland würden daran leiden. 

    Fragt man hingegen Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster, spricht er je nach Studie von etwas weniger Menschen mit Insomnie: Fünf bis zehn Prozent seien es. So oder so, er sagt: "Das sind mehr Menschen als mit Diabetes, die Insomnie ist eine Volkskrankheit." Und wie so oft im Leben bedingt ein Übel noch einige weitere: Wenn wir nicht ausreichend schlafen, steigt das Risiko für eine ganze Menge Krankheiten: Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck. Dreimal höher ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression oder Angststörung zu erkranken, sagt Weeß. Eine Vielzahl an Risiken also. 

    Das Problem um den Schlaf hat inzwischen auch die Industrie erkannt, die mit Hilfsmitteln unterschiedlichster Art für besseren Schlaf wirbt. Gewichtsdecken, Melatonin-Tee, Baldrian, Anti-Stress-Kapseln, Schlafroboter (eine Art Kissen, das beim ruhigen Atmen helfen soll). Auch Autoren und Autorinnen arbeiten sich am Thema Schlaf ab: Romane, Sachbücher und Ratgeber sollen Lesende müde machen.

    Sieben Schlafgastgeber in Füssen für besseren Schlaf

    Zurück im Schlafhotel. Neben den Kissen findet sich eine Box. Darin: Schlafmaske, ein duftendes Lavendelspray, Schlaftee, Ohrstöpsel, Kräuterkissen. Außerdem eine Schlaffibel, ein Notizbuch und einige Flyer etwa mit Achtsamkeitsübungen. Im Schrank liegt eine Wolldecke, auch an eine Wärmflasche ist gedacht, schließlich ist sie die erste Wahl bei kalten Füßen oder grummelndem Bauch. Direkt neben dem Bett ein Radiowecker – mit vorinstallierten Meditations- und Entspannungsübungen. Zudem die nicht unrelevante Info: Langschläfer-Frühstück gibt es bis 11.30 Uhr, direkt aufs Zimmer. 

    Das Zimmer "Seegrund" im Boutique-Hotel Dreimäderlhaus in Weißensee bei Füssen.
    Das Zimmer "Seegrund" im Boutique-Hotel Dreimäderlhaus in Weißensee bei Füssen. Foto: Manuela Müller

    Sieben Schlafhotels gibt es in Füssen, und die Stadt hat noch mehr zu bieten. Denn hier trifft Schlaf auf Kneipp'sche Naturheilkunde. Im Wirtshaus in der Stadt erklären Nadine Anné und Sascha Maurer in einem ruhigen Eck, was es damit auf sich hat. Anné arbeitet bei Füssen Tourismus und Marketing, Maurer ist Diplom-Psychologe und Schlaf-Coach in Füssen. Bis 2015 gab es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sich eine Kneipp-Therapie auf Schlafstörungen auswirkt, die keine organische Ursache haben, also auf den Lebensstil zurückzuführen sind. Drei Jahre forschten die Ludwig-Maximilians-Universität und die Füssener Gesundheitsratgeber zu Kneipp und dem Schlaf. 2018 dann die Ergebnisse des entwickelten Programms: eine erhebliche Verbesserung der Schlafqualität, und zwar nachhaltig. Sechs Monate nach dem Programm konnte bei knapp drei Viertel der Teilnehmenden noch immer eine "klinisch relevante Verbesserung der Schlafqualität" nachgewiesen werden. So viel zur Kurzfassung – auf dem Tisch im Wirtshaus in Füssen sind verschiedene Reader ausgebreitet. Anné und Maurer sind leidenschaftlich beim Thema, bleiben es während des Essens und auch noch, als alle Gläser längst geleert sind. 

    Von der Krankenkasse anerkannte Schlafkur in Füssen

    Seit 2021 erkennen auch Krankenkassen die Wirksamkeit der Kur an, erzählen die beiden: Zur Option steht eine dreiwöchige Kompaktkur "Gesunder Schlaf durch Innere Ordnung" sowie ein fünftägiges Angebot namens "Schlafschnuppern". Für diese Zeit gibt es Seminare, die sich an den fünf Säulen der Gesundheitsphilosophie nach Kneipp orientieren. Das sind: Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen und Innere Ordnung. Auf dem Stundenplan stehen also Kneipp'sche Wechselgüsse, Bewegungstraining, Vorträge zu Pflanzenheilkunde und Ernährung sowie Ordnungstherapie. Ergänzend dazu wird der Aufenthalt in einem der ansässigen Schlafhotels empfohlen. "Nach den drei Wochen sollen Menschen selbst die Lösung ihres Problems werden können", sagt Anné. Zur Kur kommen zu 85 Prozent Frauen, meist zwischen 55 und 70 Jahren. "Frauen lösen und erkennen Probleme anders als Männer", sagt sie. Dazu Maurer: "Gestörter Schlaf scheint bei den Männern irgendwie normal zu sein. Auch wenn sie darunter leiden, ist es für sie ein Ausdruck der Stärke, da durchzugehen."

    Wenn Maurer seine Seminare gibt, achtet er vor allem auf zwei Dinge: Die Chronobiologie und die Psychologie. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, wenn Lärche und Eule gemeinsam ins Bett gehen – denn in der Regel ist die Eule erst später müde. Das bringt ihren Rhythmus durcheinander, erklärt er. "Ich sage immer, wenn du jemanden liebst, lässt du ihn oder sie später ins Bett." Und was hat es mit der Psychologie auf sich? Dabei geht es etwa um das Selbstwertgefühl. "Wenn Menschen einen geringen Selbstwert haben, sind sie gestresst und dadurch oft schlafgestört. Sie gehen mit der Idee ins Bett, dass ein Problem noch immer nicht gelöst ist und morgen wieder auf sie zu kommt'", sagt Maurer.

    Besondere Kriterien für "Guter-Schlaf-Zimmer" zu erfüllen

    Zurück im "Guter-Schlaf-Zimmer": Eigentlich sieht man gar nicht, was alles hinter einem Zimmer mit dieser Zertifizierung steckt. Denn es geht vor allem um Luft, Lärm, Licht und die Lage. Ein Beispiel: Der Lattenrost des Bettes muss mindestens 28 Federleisten besitzen. Oder: Eine nächtliche Belüftung ist ohne störende Lärm- und Lichtemissionen möglich. Außerdem wird das WLAN ab 22.30 Uhr abgeschaltet – denn auch Elektrosmog soll in den zertifizierten Räumen reduziert werden. Das Hotel verzichtet ebenso auf Metallbetten und synthetische Stoffe – sogar die Wandfarben sind mineralisch.

    Das "Guter-Schlaf-Zimmer" in Weißensee.
    Das "Guter-Schlaf-Zimmer" in Weißensee. Foto: Manuela Müller

    Und dann wären da noch die Schlaflotsen. Um Missverständnisse direkt auszuräumen: Diese sitzen nicht neben dem Bett und singen Schlaflieder (dafür gibt es den Radiowecker). Sie stellen auch nicht ungefragt die 28 Federleisten des Lattenrostes individuell ein – können sie aber, wenn man das möchte. In erster Linie sind sie Hotelangestellte und Ansprechpartner für besseren Schlaf, dafür sind sie extra ausgebildet. 

    Bettina Frankenreiter ist Schlaflotsin im Dreimäderlhaus. Längst nicht alle Gäste nehmen ihre Dienste in Anspruch. Denjenigen, die offen dafür sind, hilft sie bestmöglich, sich auf den Schlaf einzustellen. "Seitdem wir Schlafgastgeber sind, wird das Publikum im Dreimäderlhaus jünger", sagt Frankenreiter. 

    Das sagen die Schlafexperten Weeß und Fietze zur Wirkung von Melatonin

    Wo aber ist jetzt eigentlich das Melatoninspray? Ganz grundsätzlich vertrauen die Menschen eher auf naturbelassene Stoffe. Melatonin ist so ein natürlicher, körpereigener Botenstoff, der derzeit "sprichwörtlich in aller Munde ist", sagt Schlafforscher Weeß. Und das, obwohl es ihm zufolge keine Studie gibt, die belegt, dass der Stoff hilft. "Wir finden keine Hinweise, dass Melatonin bei moderaten oder schweren Schlafstörungen einen Nutzen hat." 

    Oder, um es mit den Worten Fietzes zu sagen: "Chapeau an die Industrie. Da haben kluge Menschen verstanden, womit man Geld machen kann". Grundsätzlich habe jeder Mensch einen normalen Melatonin-Gehalt. Lediglich für ältere Menschen oder Personen mit Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen könne die Einnahme relevant werden. An dieser Stelle sei auch erwähnt: Je älter wir werden, desto häufiger kommen Schlafstörungen vor. Frauen sind zwei bis drei Mal häufiger betroffen als Männer.

    In seinem Buch "Schlaf wirkt Wunder" schreibt Weeß, dass Frauen, statistisch gesehen, im mittleren Lebensalter im Durchschnitt etwa zwanzig bis dreißig Minuten mehr Schlaf pro Nacht benötigen als Männer. Zudem seien Frauen, vor allem im Alter, auch die tieferen und stabileren Schläferinnen. Allerdings sind sie auch deutlich anfälliger für Insomnien. 

    Ob Frau oder Mann, wer an Schlafstörungen leidet, ist dankbar für jedes Hilfsmittel. Eine aktuelle Studie der DAK zeigt: Viele nehmen die Behandlung von Schlafproblemen selbst in die Hand. Jeder zweite Betroffene kauft rezeptfreie Schlafmittel in der Apotheke oder Drogerie. Die klassische Schlaftablette habe Fietze zufolge in der Bevölkerung – und auch unter Medizinern – einen schlechten Ruf. Sie ist im eigentlichen Sinne oft ein Beruhigungsmittel. "Sie macht zwar auch etwas müde, aber die eigentlich für den Schlaf bedeutsame Wirkung ist die Anspannungslösung", sagt Weeß.

    Klar ist, mit Melatonin werden weitestgehend falsche Versprechen gemacht. Auch für andere Mittel wie CBD-Öl gibt es keine wissenschaftliche Basis. "Das ist teuer und mindert die Schlafqualität", sagt Fietze. Natürlich gebe es Einzelfälle, in denen Menschen feststellen, dass sie mit CBD-Öl, Melatonin, dem neuen Kissen oder Nahrungsergänzungsmitteln besser schlafen. "Das sind aber eher diejenigen, bei denen die Schlafstörung gerade erst beginnt oder gering ausgeprägt ist."

    Helfen Baldrian, Melisse und Co. beim Einschlafen?

    Was aber ist mit "altbewährten" Mitteln wie Baldrian oder Melisse? Auch da fehlt der Nachweis der Wirksamkeit, sagt Weeß. "Bei leichten Schlafstörungen können hochdosiertes Lavendelöl oder Baldrian in Einzelfällen schon mal helfen", sagt er. Grundsätzlich sei die beruhigende Potenz der natürlichen Schlafmittel aber eher gering. 

    Was also tun, wenn der Schlaf ausbleibt? Im Netz finden sich Dutzende Tipps und Tricks: Abends kein helles Licht, kein später Sport oder keine schweren Mahlzeiten vor dem Schlafen. Dabei ist das Hauptproblem vieler Menschen ein ganz anderes: Es gelingt ihnen nicht, eine entspannte Haltung zu entwickeln. "Die Anspannung ist der Feind des Schlafes", sagt Weeß. Die zweithäufigste Ursache ist ihm zufolge, dass viele Menschen ins Bett gehen und direkt schlafen wollen, aber das erhöht den Druck. Ein Beispiel: Wenn man mal nachts um drei Uhr aufstehen muss und nur wenig Zeit zum Schlafen hat, setzt sich schon beim Zubettgehen ein Teufelchen auf die Schulter und sagt: "Jetzt schlaf mal schnell". Druck entsteht und man wird angespannt. Wälzt sich von links nach rechts, schaut auf den Wecker und beginnt zu rechnen. Weeß nennt das eine "schlafverhindernde Unruhe". 

    Die schlechte Nachricht ist wohl, dass Menschen, die sowieso schon schlecht schlafen, ihren Schlaf stärker beobachten als andere. Und je mehr sie sich auf das Thema fokussieren und je mehr sie schlafen wollen, desto angespannter werden sie und desto unwahrscheinlicher ist, dass sie tatsächlich einschlafen. Das Fachwort für diese Art von Schlafkiller: Schlaferwartungsängste.

    Die Selbstvermessung des Schlafes: Was bringen Schlaftracker?

    Auch Schlaftracker, ob nun als Uhr oder Ring, richten die Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer auf ihre Schlafqualität. "Dass Schlaftracker die Qualität des Schlafes verlässlich messen, ist Nonsens", sagt Fietze. "Wir haben drei verschiedene Ringe miteinander verglichen und jeder hat etwas anderes gemessen." Lediglich die Einschlafzeit und Dauer könne daraus entnommen werden. Und klar: Wenn jemand dauerhaft jede Nacht nur 20 Minuten Tiefschlaf hat und weiß, dass er nicht gut schläft, ist das wahrscheinlich kein Messfehler.

    Auch Weeß sieht die Tracker kritisch, denn das Messen von Bewegungshäufigkeit und Puls ist sozusagen die Steinzeitmethode der Schlafforschung. "Da werden Menschen oft verunsichert." Zudem können sie Schlaferwartungsängste verstärken. Er findet: Erlaubt ist alles, was entspannt. Dass Hilfsmittel wie Gewichtsdecken, Einschlafroboter und die "Selbstvermessung des Schlafes" grundsätzlich helfen, könne man nicht sagen. Es mag Ausnahmefälle geben, aber: "Es gibt keine Wirksamkeitsstudien, ich rate nicht zu solchen Gadgets", sagt Weeß. 

    Der Schlagmangel hat für ihn auch gesellschaftliche Gründe. "Mit den frühen Aufstehzeiten kommen wir in ein chronisches Schlafdefizit hinein. Sie passen nicht zu unserer inneren Uhr." Während der Arbeitswoche bauen sich die meisten Menschen ein Schlafdefizit auf. Doch die gute Nachricht: Schlaf kann nachgeholt werden, allerdings nur ein paar Tage, sagt Fietze. Wer sich unsicher ist, wie lange seine oder ihre sogenannte Wohlfühlschlafmenge ist, kann dies am besten im Urlaub testen. Nach ein paar Tagen stellt sich diese Menge automatisch ein, denn: "Der Körper kann nicht länger schlafen, als er braucht. Niemand schläft drei Wochen jede Nacht zehn Stunden, das geht nicht. Es sei denn, man hat eine Hypersomnie, auch eine Schlaferkrankung."

    So viel sollten erwachsene Menschen schlafen, um gesund zu bleiben

    Zurück im Wirtshaus in Füssen: Im Durchschnitt schlafen Menschen in Deutschland pro Nacht weniger als sieben Stunden, sagt Schlaf-Coach Sascha Maurer. Um gesund zu bleiben, seien sechs Stunden pro Nacht erst mal ausreichend. Entscheidend sei weniger die Schlafdauer als die Schlafqualität. Grundsätzlich lässt sich eine Nacht in fünf Schlafphasen einteilen. Die ersten beiden sind die Tiefschlafphasen. Diese sind für die psychische Gesundheit wichtig, danach erfolgen Regenerationsprozesse im Gehirn und auch etwa die Wundheilung. Im Verlauf der Nacht wird der Schlaf dann immer leichter. Dabei ist es laut Maurer völlig normal, nachts aufzuwachen. 28 Mal pro Nacht – absoluter Durchschnitt. 

    "Die Menschen wissen immer noch viel zu wenig über Schlaf", sagt der Experte. Sie kümmern sich erst um ihren Schlaf oder um Emotions- und Stressregulation, wenn der Stress zu groß ist und Störungen auftreten – und meistens auch erst dann, wenn sie schon chronisch sind, sagt er. 

    Viele schieben ihre Einschlafprobleme auf das abendliche Gedaddel am Handy. Grundsätzlich sagt Maurer zum Handy im Bett: "Wenn es hilft zu entspannen, ist es okay". Natürlich schiebt er gleich ein großes Aber hinter, denn er ist überzeugt, dass das Handy denjenigen, die bereits eine Schlafstörung haben, nicht hilft. "Häufig ist es sogar der Grund, warum sie nicht schlafen können." Denn bis kurz vor dem Schlafen prasseln Informationen auf den Nutzer ein, die gedankliche Prozesse auslösen können. Zum Blaulicht am Bildschirm sagt er: "Das ist ein Streitpunkt in der Wissenschaft, ob das Lichtspektrum aktivierend ist oder nicht. Mag sein, dass es im Durchschnitt nicht so ist – aber individuell ist es entscheidend."

    Und was sagt der Schlafforscher zum Smartphone im Bett? "Bei angemessenem Abstand kommt nur wenig Blaulicht auf der Netzhaut an, das spielt eine untergeordnete Rolle", sagt Fietze. Mit einem normalen Abstand von 40 bis 50 Zentimetern sei es kein Problem. "Das Handy an sich ist kein Schlafkiller." Zum Problem wird es erst, wenn man damit etwas macht, wovon man schlecht loslassen kann – also abhängig machende Formate konsumiert. 

    Die abschließend gute Nachricht liefert Fietze gleich noch mit: "Der Schlaf ist ein sehr stabiles Konstrukt." Was das bedeutet? Man kann alles "falsch" machen und trotzdem gut schlafen. Sonst gäbe es ihm zufolge auch keine Schichtarbeit oder stressgeplagte und dennoch gute Schläfer. Unzählige Menschen auf der Welt schlafen wie Murmeltiere – ob Krieg, Elend oder Hunger. "Das ist auch gut so", sagt er. Doch wenn einmal der Wurm drin ist, sei er oft irreversibel. 

    Persönliche Einschlaftipps der Experten Weeß, Fietze und Maurer

    Was sind also die ganz persönlichen Tipps der Experten bei Schlafschwierigkeiten? Schlafforscher Weeß plädiert für kognitive verhaltenstherapeutische Techniken vor der Anwendung von Schlaftabletten. Also erst mal lernen, abzuschalten. Weil aber viel zu wenige Therapieplätze vorhanden sind, empfiehlt er bei leichten bis moderaten Schlafstörungen sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa). Die Apps sind auf vielerlei Krankheitsbilder zugeschnitten, auch Panikstörungen, Depressionen oder Burn-out können damit therapiert werden. Bei Schlafstörungen kann der Hausarzt die App auf Rezept verschreiben, Nutzerinnen und Nutzer durchlaufen dann ein Therapieprogramm. 

    Für Professor Fietze von der Berliner Charité ist es die sonore Männerstimme, die schlaffördernd wirkt. Seine Empfehlung: Das Fernsehformat "The Joy of Painting" mit dem Maler Bob Ross. "Da schläft man garantiert ein", sagt er und lacht.

    Sascha Maurer aus Füssen hat eine Atemübung entwickelt, die die Grübelschleife im Kopf unterbinden soll. Im Wirtshaus in Füssen, zwischen Lachen, Stimmengewirr und einer herumflitzenden Bedienung, führt der Schlaf-Coach sie gelassen vor: Man konzentriert sich auf zwei Punkte der eigenen Atmung, den Nasenflügel und die Bauchdecke. Dabei legt Maurer seine Hand auf den Bauch. Wenn man sich darauf fokussiert, wie die Luft in die Nase ein- und ausströmt und der Bauch sich hebt und senkt, hat das Hirn keine Kapazität mehr für die Grübelschleife, sagt er. Kommen einem Gedanken in den Kopf, die von der Übung ablenken, wendet Maurer die "Swipe-Technik" an: Die Gedanken einfach vor dem geistigen Auge wegwischen. Das demonstriert er mit einer wischenden Handbewegung. Gerade anfangs sei die Übung schwer. Deswegen wird erst trainiert, im Sitzen und etwa dreimal am Tag für einige Sekunden. "Man merkt sehr schnell, wie man zur Ruhe kommt", sagt er. Und wenn man erst mal richtig gut ist, klappt die Übung auch im Bett.

    Jetzt aber mal Zeit zum Schlafen: Im Dreimäderlhaus wird heißes Wasser in die Wärmflasche gefüllt, ab damit unter die Decke. Licht dimmen, kräftig mit dem wohlduftenden Lavendelspray sprühen und eine Tasse beruhigenden Schlaftee trinken. Während man dann also nach all den Vorbereitungen dort liegt, taucht plötzlich ein eher untypischer Gedanke auf: Hat man sich für das richtige Kissen entschieden? Er verzögert das Einschlafen. Doch dann folgt eine solide Nacht, nicht wie zu Hause, aber es ist ruhig, das Bett bequem. Das Aufwachen am Morgen geschieht dann auf natürlichste Weise – Sonnenstrahlen scheinen auf das Bett, es wird warm. Fast wie im Urlaub. 

    Der Ausblick auf den Weißensee von der Seeterrasse des Hotelzimmers.
    Der Ausblick auf den Weißensee von der Seeterrasse des Hotelzimmers. Foto: Manuela Müller
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