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Sally Rooneys 'Intermezzo': Ein tiefgründiger Blick auf Trauer und Liebe

Buchkritik

Sally Rooneys „Intermezzo“: Es geht um Tod, Trauer und Sex

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    Einfühlsam beschreibend: Sally Rooney mit ihrem neuen Roman „Intermezzo“.
    Einfühlsam beschreibend: Sally Rooney mit ihrem neuen Roman „Intermezzo“. Foto: Diane von Schoen

    Es gibt viele Arten, mit Trauer umzugehen. Manche gesünder für Geist und Körper, manche weniger gesund. Am Ende gilt es das jedoch nicht zu bewerten – wenn etwas jemandem hilft, dann ist das für den Moment der richtige Umgang mit dem Verlust. Sally Rooneys neuer Roman „Intermezzo“ gibt einen Einblick in das, was in den Köpfen von zwei Trauernden passiert: nach einer Krebserkrankung ist der Vater der Brüder Ivan und Peter gestorben. Die beiden trennen nicht nur grundlegend verschiedene Lebensrealitäten, sondern auch ein Altersunterschied von zehn Jahren. Während der 32-jährige Anwalt Peter mitten im Leben zu stehen scheint, verdient sich das Schachtalent Ivan nach seinem Physikstudium seinen Lebensunterhalt bei Gelegenheitsjobs und Schachturnieren. Der Tod ihres Vaters stellt die Brüder vor grundlegende, existenzielle Fragen.

    Nach „Normale Menschen“, „Gespräche mit Freunden“ und „Schöne Welt, wo bist du“, ist es der vierte Roman der mittlerweile 33-jährigen irischen Bestseller-Autorin Sally Rooney. Bekannt wurde sie mit ihrem ersten Roman, „Gespräche mit Freunden“, 2017 erschienen und 2019 ins Deutsche übersetzt worden. Es ist oftmals dasselbe Narrativ, welches sich wie ein Faden durch Rooneys Romane zieht, die Charakterzüge der Protagonistinnen und Protagonisten oftmals ähnlich: Die Geschichten spielen sich zwischen der Großstadt Dublin und irischen Kleinstädten ab, die Jahreszeit ist meist herbstlich kühl. Und auch bei der Wahl der Protagonisten hat sich in Rooneys Romanen eine gewisse Tendenz herauskristallisiert. Der Handlungsstrang dreht sich um gut situierte junge Menschen, sie wohnen schick in der Stadt, auf dem Land steht ihnen meistens ein Ferienhaus zur Verfügung. Und auch Zeit zum Nachdenken haben sie zuhauf. „Intermezzo“ ist, was das angeht, keine Ausnahme.

    Sally Rooney: „Intermezzo“. Roman. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Claassen Verlag, 496 Seiten, 24 Euro.
    Sally Rooney: „Intermezzo“. Roman. Aus dem Englischen von Zoë Beck. Claassen Verlag, 496 Seiten, 24 Euro. Foto: Ullstein Buchverlage

    Sex, Liebe, Tod und Trauer: Darum geht es in Sally Rooneys Roman „Intermezzo“

    „Intermezzo“: Der Titel des Buches bezieht sich auf einen Begriff aus der Welt des Schachs. Mit diesem Begriff wird ein forcierter Zug bezeichnet, den der Gegner nicht vorhersieht und der eine große Gefahr darstellt. Für Peter und Ivan ist der Tod ihres Vaters dieses „Intermezzo“: Beide versuchen, sich in ihren Liebesbeziehungen zu retten. Als Ivan für ein Schachturnier auf das Land fährt, lernt er dort die 15 Jahre ältere Margaret kennen, die das örtliche Kulturzentrum leitet. Sie hat eine Ehe mit einem alkoholkranken Mann hinter sich, er findet Zuflucht bei ihr. Ivan und Margaret reden viel, meistens über Gefühle. Bedacht und in aller Ruhe wählt Ivan, der für sein junges Alter kognitiv sehr reif erscheint, seine Worte. Nur beim sehr präsenten Thema Sex kommt Ivans Unsicherheit hervor, die er sonst mit seinem ruhigen Auftreten kaschieren kann.

    Peter hingegen wirkt wie das Gegenteil seines Bruders. Von Kamillentee zu Vodka-Energy. Ohne die Beruhigungstablette Xanax geht bei dem Anwalt nichts, seine Tage sind voll, seine Gedankengänge rastlos. Von seiner Jugendliebe Sylvia kommt er nicht los, führt nebenher eine sexuelle Beziehung mit der zehn Jahre jüngeren Studentin Naomi. Im Mittelpunkt des Romans stehen jedoch nicht die Beziehungen der Brüder. Es geht um den Umgang mit dem Tod, um die Gedankengänge herrlich normaler Menschen, die normale Alltagssituationen und Traumata bewältigen müssen. Rooney lässt auf den von Zoë Beck ins Deutsche übersetzten Seiten kein Detail aus, die Emotionen der Charaktere bringt sie so auf Papier, dass man beim Lesen eingesogen wird. Mit kleinen Feinheiten bleibt die Autorin, die sich politisch klar links positioniert und ihre zwei letzten Romane aus Protest gegen die israelische Siedlungspolitik nicht ins Hebräische hat übersetzen lassen, ihren Themen und Szenarien treu. Trotzdem funktioniert der Roman. Eben weil man in der gewohnten Sally-Rooney-Art in die Gefühlswelt von Peter und Ivan so mitgenommen wird, als sei man mittendrin, in den Gehirnen der Brüder.

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