Es beginnt stark. So stark, dass nach der leisen Enttäuschung über „Das verlorene Paradies“, den ersten, kurz vor der Preisübergabe vergangenen November auch auf Deutsch erhältlichen Roman von Abdulrazak Gurnah, plötzlich klar scheint, warum der Tansanier den Literaturnobelpreis bekommen hat. „Ferne Gestade“ nun setzt ein mit der Suche eines Mannes nach seiner Geschichte, zwischen zwei Leben, voller Erinnerungen an das verlorene Vertraute, noch fern der fremden Gegenwart um ihn herum – „Ich bin Flüchtling. Asylbewerber“, aus Sansibar stammend, nach England gekommen, wie Gurnah selbst.
Über einen Mann, der seine Geschichte sucht: Abdulrazak Gurnahs "Ferne Gestade"
Doch die Spiegelfigur des Autors ist nicht jener 65-Jährige, sondern einer, der als Dolmetscher zur Hilfe gerufen wird, ein jüngerer, der denselben Weg früher ging, über das Studium im Bruderstaat DDR hierher fand und in London Literatur lehrt (wie Gurnah). Und der stutzt, als er den Namen des Neulings hört. Es ist der seines toten Vaters. Tatsächlich verbindet die beiden Männer eine Vergangenheit, bitter für beide durch die sich wandelnden Herrschaftsverhältnisse ihrer kolonialisierten Heimat. Leider büßt das bei Erscheinen im Original vor 20 Jahren auch für den Booker Prize nominierte Buch gerade bei den langen Rückblickspassagen deutlich an Kraft ein. Aber durch das Aufeinandertreffen der Männer, deren Ringen mit dem anderen, sich und der gemeinsamen und doch trennenden Geschichte, überwiegt letztlich das Überzeugende.
Zum Buch: Abdulrazak Gurnah: Ferne Gestade. A. d. Englischen v. Thomas Brückner, Penguin, 416 Seiten, 26 Euro (ab 14.3.)