Triggerwarnung: In diesem Text werden Gewalt, Mord und Suizid thematisiert.
"Ich werde einige der gut aussehenden Menschen foltern, bevor ich sie töte, ausgehend davon, dass die Gutaussehenden das beste Sexleben hatten. All die Freude, die sie in ihrem Leben hatten, werde ich mit Schmerz und Leid bestrafen. Ich habe ein Leben voller Schmerz und Leid gelebt und es ist Zeit, diesen Schmerz den Menschen zu bereiten, die ihn wirklich verdienen. Wenn ich sie so leiden lasse, wie ich es getan habe, werden die Dinge fair sein."
Diese Worte schrieb der 22-jährige Elliot R. einige Wochen vor seinem Attentat, bei dem er mehrere Menschen ermordete. Wenige Minuten davor verschickte er das 141-seitige Manifest an seine Familie und Bekannte, in dem er sein Leben beschreibt, die Gründe für seinen Amoklauf nennt und seine Pläne detailliert darlegt. Am 23. Mai 2014 tötete R. in Isla Vista, einer Gemeinde in Kalifornien, sechs Menschen und verletzte 13 weitere. Danach nahm er sich selbst das Leben. Vor dem Anschlag veröffentlichte er außerdem ein Video auf Youtube, in dem er seine Gewalttaten ankündigte: "Ich weiß nicht, wieso ihr Mädchen euch nicht zu mir hingezogen fühlt, aber ich werde euch alle dafür bestrafen. Wenn ich euch nicht haben kann, Mädchen, dann werde ich euch zerstören", sagt er darin. Der Fall Elliot R. steht für eine Subkultur heterosexueller Männer, die ihre Sexualität als gescheitert ansehen – und Frauen die Schuld dafür geben. Mit teils tödlichen Konsequenzen. Sie nennen sich "Incels".
Die Incel-Szene besteht aus Männern, die behaupten, unfreiwillig im Zölibat zu leben
Der Begriff "Incel" ist eine Verschmelzung der englischen Worte "involuntary", zu Deutsch unfreiwillig, und "celibate", zu Deutsch sexuell enthaltsam. Sie tummeln sich in Internetforen und sagen von sich selbst, dass sie aus Gründen außerhalb ihrer Kontrolle keine romantischen und sexuellen Beziehungen aufbauen können. Was sie alle vereint, ist jedoch nicht bloß Einsamkeit, sondern Hass. Gegen Homosexuelle, Muslime, Juden und Frauen. Das weibliche Geschlecht, das sie so verzweifelt begehren, ist das ultimative Feindbild.
Elliot R., der Mörder, wird in der Incel-Szene als Held gefeiert. Seine Initialen, "ER", werden immer wieder in Onlineforen geschrieben, um seinen Morden zu huldigen. "To go ER" ist Incel-Sprache und heißt, einen frauenfeindlichen Anschlag zu verüben. Sein Attentat war nicht nur eine Gewalttat. Es war ein Amoklauf gegen Frauen – denn von ihnen fühlte R. sich ständig zurückgewiesen und erniedrigt.
In Incel-Foren – das größte hat mehr als 20.000 Mitglieder – stößt man auf menschenverachtende Inhalte. Wie groß die Szene wirklich ist, lässt sich kaum einschätzen. Die User teilen Vergewaltigungsfantasien, Gewaltverherrlichung und antisemitisches Gedankengut wie Holocaustleugnung. Auf ihren Profilbildern sieht man Nazigeneräle, Adolf Hitler und Hakenkreuze. Zu ihrer Ideologie gehört eine eigene Sprache, die sich über Jahre entwickelt hat. Sie bezeichnen Frauen als Löcher, Toiletten oder Femoide. Sexuell erfolgreiche, attraktive Männer werden "Chad" genannt und sowohl beneidet als auch verteufelt. Falls es eines der Mitglieder schafft, Sex zu haben, dann beschreibt man das als "ascending", zu Deutsch aufsteigen. Männer, die "aufsteigen", sind danach nicht mehr in der Gemeinschaft erwünscht.
Junge Männer werden häufig auf Plattformen wie Youtube oder Tiktok radikalisiert
Die meisten halten es für ausgeschlossen, jemals "aufzusteigen". Diese pessimistische Lebenseinstellung bezeichnen sie als "Black Pill". Der Begriff ist angelehnt an den Sci-Fi-Film "Matrix", in dem der Hauptcharakter die rote Pille schluckt, welche für das Erkennen einer schmerzhaften Wahrheit steht. Die "Black Pill" ist die Steigerung dieser "Red Pill". In der Incel-Ideologie wird eine angeblich unumstößliche Wahrheit akzeptiert: dass ein unattraktiver Mann niemals eine romantische oder sexuelle Beziehung haben kann, weil Frauen sich Männer ausschließlich aufgrund des Aussehens aussuchen. Menschen, die daran glauben, leben mit einem Weltbild, das von Hoffnungslosigkeit geprägt ist.
Nicht jeder Mann, dem der Umgang mit Frauen schwerfällt, der länger als der Durchschnitt keine sexuellen Erfahrungen sammelt oder ein unerfülltes Bedürfnis nach Nähe und Intimität hat, ist automatisch ein Incel. Hinzu kommen muss die Überzeugung, dass Frauen die Schuld am eigenen Leid tragen. Wer in keiner Weise frauenfeindlich gesinnt ist, kann im heutigen Verständnis des Begriffs kein Incel sein. Doch wie wird ein einsamer Mann zum Incel?
Die Journalistin und Autorin Veronika Kracher war jahrelang in Incel-Foren unterwegs und veröffentlichte 2020 ein Buch rund um die Incel-Ideologie. Sie sagt, es gibt keine "klassische" Incel-Biografie. "Was häufig auftaucht, ist eine Radikalisierung über das Internet, etwa bei Youtube oder Tiktok, und eine gekränkte Männlichkeit", sagt Kracher. Das Internet werde von antifeministischen Akteuren aktiv dazu genutzt, junge Männer zu rekrutieren und zu radikalisieren. Männer, die an gesellschaftlichen Anforderungen an Männlichkeit scheitern, sind dafür besonders anfällig. "Anstatt sich kritisch mit patriarchalen Verhältnissen und der eigenen Person auseinanderzusetzen, wenden die Männer sich aus Mangel an progressiven Alternativen, als auch bereits existenten frauenfeindlichen Ressentiments, an das Internet und werden radikalisiert", erklärt Kracher.
Der 25-jährige Alek M. fuhr am 23. April 2018 mit einem Kleintransporter in Toronto in eine Menschenmenge und tötete elf Menschen, darunter neun Frauen. Vor der Tat verfasste M. einen Facebook-Post, in dem es hieß: "Die Incel-Rebellion hat bereits begonnen! Wir werden alle Chads und Stacys stürzen! Heil sei dem überlegenen Gentleman Elliot [R.]!"
Bei einigen Männern gelingt die Radikalisierung. Denn auf die komplexen Probleme wie Einsamkeit und Zurückweisung hat die Incel-Ideologie einfache Antworten: Schuld an ihrer misslichen Lage sind Frauen, Juden, Muslime, kurz – die anderen. Aber vor allem Frauen. Denn sie verweigern den Männern das, worauf sie einen Anspruch zu haben glauben. In einem Youtube-Video sagte Elliot R.: "Ich bin der ultimative Gentleman. Ich verdiene Mädchen." Für die Incels sind Sex und Zuneigung Ressourcen, die ihnen zustehen und von Frauen gehortet werden. Wie Kracher erklärt, übersehen Incel-Anhänger den eigentlichen Ursprung der Probleme. "Incels scheitern an patriarchalen Geschlechterrollen. Das werfen sie aber nicht dem Patriarchat vor, denn sie identifizieren sich damit. Stattdessen verlagern sie ihre Unsicherheit und ihren Frust auf Frauen", sagt Kracher.
Faschistische Männlichkeitsbilder sind ein vereinfachtes Heilversprechen für Krisensituationen.
Veronika Kracherundefined
Dass sie als Männer ebenfalls unter Strukturen toxischer Männlichkeit leiden, wird in der Incel-Szene ausgeblendet. Den Grund dafür erklärt Rolf Pohl. Er ist Sozialpsychologe und forschte im Schwerpunkt zu Männlichkeit und Geschlecht. "Männer müssen ihre Männlichkeit immer noch in einer Gesellschaft von männlicher Überlegenheit und Dominanz entwickeln. Wenn diese Männlichkeit in die Krise gerät, lauert immer ein Stück Gewalt", sagt Pohl. Die westliche Gesellschaft sei heteronormativ, das bedeutet: Heterosexualität ist die Norm. "Daher sind Männer auf Frauen geprägt, was wiederum ihrem Anspruch auf Autonomie und Überlegenheit widerspricht. Denn sie sind nirgends abhängiger als im Feld der Sexualität und Beziehung zu Frauen", erklärt der Soziologe. Das Wahrnehmen dieser fremden Kontrolle kann den Hass befeuern – vor allem dann, wenn Männer sich immer wieder von Frauen zurückgewiesen fühlen.
Dieser Hass verbreitet sich besonders schnell im Internet und verbindet die Gleichgesinnten, wie Pohl sagt. "Zu einer Onlinegemeinschaft gehört oft ein Führer oder eine zentrale Idee. Wenn das verbindende Element der Frauenhass ist, wirkt das Internet als Katalysator", meint Pohl. Die Gefahr sei dabei, dass Gewaltfantasien und radikale Inhalte normalisiert werden. "Die Logik der Incels ist: Frauen haben die Pflicht, uns das zu geben, was uns als Männern zusteht. Und wenn sie uns das nicht geben, haben wir das Recht, sie umzubringen", sagt Pohl. Diese Logik wird in entsprechenden Foren immer wieder präsentiert und reproduziert. So sei der Sprung in die Wirklichkeit nicht mehr so groß.
Am 9. Oktober 2019 versuchte der 27-jährige Stephan B., bewaffnet in eine Synagoge in Halle einzudringen. Dies gelang ihm nicht. Er tötete zwei Menschen außerhalb der Synagoge. Seinen Anschlag übertrug er per Livestream im Internet. Darin stellte er sich auf Englisch vor und sagte: "Hey, mein Name ist Anon. Und ich glaube, der Holocaust ist nie passiert." Seine Motive: Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit. Der Feminismus sei schuld an der niedrigen Geburtenrate im Westen und somit an der Masseneinwanderung. Die Ursache aller Probleme ist laut B. "der Jude", das sagte er vor seinem Amoklauf. Während der Internetübertragung ließ er im Hintergrund ein Lied laufen, das Alek M., dem frauenfeindlichen Terroristen von Toronto 2018 gewidmet ist.
Der Sozialpsychologe Pohl warnt davor, die von Incels ausgehende Gefahr zu bagatellisieren: "Man darf nicht denken: Das ist ja nur Internet." Denn es ist eben nicht nur Internet. Utøya 2011, Isla Vista 2014, Toronto 2018, Halle 2019, Hanau 2020, Plymouth 2021, Texas 2023: Das sind nur einige Beispiele für antifeministisch motivierte Anschläge, die von Männern begangen wurden, die der Incel-Ideologie nahestanden. "Es hat eine Konsequenz, dass der Hass sich aufbaut und sich einschleift. Die Incel-Szene ist ein Stück weit ein Einfallstor in die Radikalisierung", sagt Pohl. Oft kommt der Frauenhass nicht allein.
Gewalt an Frauen gibt es weiterhin in einer ungebrochenen Kontinuität.
Prof. Dr. Rolf Pohlundefined
Daran gekoppelt sind Rechtsextremismus und Antisemitismus. Das liegt an der Austauschbarkeit und Vergleichbarkeit der Feindbilder, wie Pohl erklärt. "Das Feindbild Frau ist ähnlich mit der Feindseligkeit gegenüber Juden", sagt der Soziologe. So werden Frauen einerseits als das schwächere, untergebene Geschlecht gesehen. Andererseits sind sie in vielerlei Hinsicht den Männern überlegen, weil die Männer in ihrer Sexualität von ihnen abhängig sind. Eine ähnliche Dynamik zeigt sich beim Feindbild des Juden, der von Antisemiten sowohl als über- wie als unterlegen wahrgenommen wird.
Inzwischen nehmen mehrere Länder die Gefahr durch Incels in Berichte zur Bedrohungslage auf, darunter die USA, Schweden und Dänemark. Wie das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf Anfrage mitteilt, ist die Incel-Subkultur "kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden, da ihr weder überwiegend noch in Gänze ein extremistischer Bestrebungscharakter zuzumessen ist". Das BfV habe die Onlineaktivitäten von Extremisten, etwa in sozialen Netzwerken, im Blick.
Ähnliches berichtet das deutsche Bundeskriminalamt (BKA): "Eine potenzielle Gefährdung durch irrational handelnde, emotionalisierte und/oder fantasierte Einzeltäter [...] entzieht sich einer polizeilichen Prognostizierbarkeit", teilt das BKA auf Anfrage mit. Es befasse sich mit gewaltbefürwortenden und misogynen Incels im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität. Straftaten mit Incel-Hintergrund werden laut BKA allgemein registriert, da es dafür keine bundesweiten Begrifflichkeiten gibt. Eine Straftat im Bereich "Hasskriminalität" könne jedoch als "frauenfeindlich" eingestuft werden. Sogenannte Femizide, also Morde an Frauen und Mädchen im Kontext patriarchaler Geschlechterdifferenzen, sind in Deutschland bisher kein eigener Strafbestand. Bezüglich der Frage, wieso das so ist, macht das BKA keine Angaben.
Laut deutschem Bundestag geht von Incels keine Gefährdungsrelevanz aus
Im Februar 2022 beantwortete der Bundestag eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion, die nach der Bewertung und dem Gefahrenpotenzial der Incel-Szene fragte. In der Antwort des Bundestags heißt es, die Incel-Subkultur weise ideologische Anknüpfungspunkte zum Rechtsextremismus auf. Allerdings lasse sich von der Incel-Ideologie aktuell keine Gefährdungsrelevanz ableiten.
Am 22. Juli 2011 tötete der Norweger Anders Behring Breivik 77 Menschen. Zuerst zündete er eine Bombe in seinem Auto, acht Menschen starben. Zwei Stunden später erschoss er auf der Insel Utøya in einem Jugendferiencamp 69 Menschen. Zuvor veröffentlichte er ein über 1500-seitiges Manifest mit dem Titel 2083: "A European Declaration of Independence" (auf Deutsch: 2083: Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung). Neben rechtsextremen und islamfeindlichen Inhalten liegt dem Manifest ein Hass auf Frauen und Feminismus zugrunde. Breivik schreibt, dass die männliche Domination vom radikalen Feminismus bedroht sei. In einem Absatz, den er vom norwegischen Blogger Fjordman kopierte, heißt es: "Die Wahrheit ist, dass europäische Männer Frauen mit mehr Respekt behandelt haben, als Männer aus allen anderen größeren Zivilisationen auf der Erde. [...] Trotzdem werden wir am meisten verteufelt und attackiert, während nicht weiße Männer mit viel mehr Respekt behandelt werden." Laut Augenzeugenberichten soll er gezielt auf Frauen geschossen haben.
Sowohl Kracher als auch Pohl glauben, dass hinter der Incel-Ideologie ein übergeordnetes Problem steht: strukturelle Frauenfeindlichkeit und ein Mangel an Gleichberechtigung. So sagt etwa Kracher: "Frauenfeindliche Gewalt wird in Deutschland nicht ausreichend beachtet. Dass aktuell Gelder von Demokratieprojekten gekürzt werden, ist nicht nur ein Geschenk an Neonazis und die AfD, sondern auch an Antifeministen." Sie findet: Gewalt an Frauen ist politisch gewollt – denn Männer in Machtpositionen profitieren davon. "Würden wir in einer Gesellschaft leben, in der die Sicherheit von Frauen und der Kampf gegen patriarchale Gewalt etwas bedeutet, gäbe es eine Umverteilung von Geldern. Weg von Menschen, die mehr Geld haben, als sie ausgeben können, hin zu Menschen, die es nötig haben", sagt Kracher. Um die Situation zu verbessern, brauche es feministische Pädagogik an Kitas und Schulen, bessere Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinen sowie eine Umverteilung von Geldern, etwa hin zu Frauenhäusern und Demokratieprojekten.
Ein Problem an der Incel-Ideologie ist die mangelnde Gleichberechtigung
Eine ähnliche Sichtweise hat Sozialpsychologe Pohl: "Die Abwertung des Weiblichen und die Aufwertung des Männlichen ist kulturell stark verankert. Um wirkliche Gleichstellung zu erreichen, muss geschlechterpolitisch in Deutschland noch sehr viel passieren." Sein Ansatz: Um ausreichend Aufklärung zu erreichen, müsse man Kinder bereits in der Schule sensibilisieren. "Es braucht mehr Arbeit am alltäglichen Sexismus, den Frauen und Mädchen immer noch ungebrochen erfahren", meint Pohl.
Sexismus und Frauenfeindlichkeit wird in Incel-Foren Tag für Tag verbreitet. Die Männer verfassen oft explizite und brutale Beiträge, in denen sie Gewaltfantasien schildern. Ein paar Beispiele: Ein Nutzer erzählt, wie er bei einem Waldspaziergang einer Frau begegnet ist. Er schildert, dass er ihre Brüste anfassen und dann habe wegrennen wollen. Ein anderer schreibt darunter, er wünschte, er wäre hemmungslos genug, um Frauen zu vergewaltigen. In einem anderen Post wird darüber diskutiert, ob man eine noch warme Frauenleiche vergewaltigen würde. Die Antworten reichen von "Natürlich" bis "Auf keinen Fall" hin zu detaillierten Schilderungen des Vorgehens. Das sind keine Ausnahmen. Solch extreme Aussagen finden sich in den meisten Beiträgen.
Kann diesen Männern noch geholfen werden? "Das ist schwierig, denn die Einstellungen sind sehr tief verwurzelt", sagt Pohl. Wenn jemand in eine solche Szene abrutscht, komme es darauf an, wie tief die Ideologie verankert wird. "Der erste Versuch wäre, an diesem Bild zu kratzen und es zu irritieren. Und sachte nachzufragen, wieso jemand so denkt. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben", rät der Soziologe. Kracher verweist auf die Notwendigkeit einer feministischen Pädagogik im Kindesalter, um Männer nicht in die Strukturen toxischer Männlichkeit fallen zu lassen. "Jungs wird selten beigebracht, über ihre Gefühle zu sprechen. Wir müssen ihnen vermitteln, liebevolle und emotional bedeutsame Beziehungen zueinander aufzubauen", sagt Kracher. Damit werde der Einsamkeitskrise von Männern entgegengewirkt.
Mitglieder der Incel-Szene gefährden potenziell sich selbst sowie andere Menschen
Bisher gibt es keine offiziellen Anlaufstellen für Männer, die sich von der Incel-Ideologie abwenden möchten. Eine Art Selbsthilfegruppe findet sich online auf der Plattform Reddit. Unter dem Titel "IncelExit" tauschen sich Menschen aus, die raus aus der Szene wollen. Die einst verfolgte Ideologie wird dort überwiegend kritisch aufgearbeitet. So schreibt etwa ein Nutzer: "An die Incel-Ideologie zu glauben, ist schlimm für die mentale Gesundheit. Die Incels, die hier sind, haben realisiert, dass es sinnlos ist, sich in ihrem selbst zugefügten Elend und ihrer Verzweiflung zu suhlen." Auf die Frage, wie man das Incel-Mindset ablegen könne, antwortet ein Nutzer: "Mit harter Arbeit. Man muss reifer werden und seine mentalen Probleme bearbeiten. Es gibt keinen anderen Weg raus." Ein Mann bezeichnet die Szene in einem Post als "Todeskult".
Die Gewalt, die in den Foren geäußert wird, richtet sich nicht nur gegen "die anderen", sondern auch gegen die Incels selbst. Einige von ihnen äußern Suizidgedanken. Es gibt eine eigene Beitragskategorie mit dem Titel "SuicideFuel", also Suizid-Kraftstoff, in denen die Männer die von ihnen als unabwendbar betrachtete Hoffnungslosigkeit manifestieren. Die Antworten von anderen Nutzern stacheln teils zum Suizid an, andere reagieren mit Verständnis oder wünschen Besserung. "Incels leiden oft an Krankheiten wie Depressionen oder Körperwahrnehmungsstörungen. Was die Szene diesen jungen Männern vermittelt, ist geradezu fatalistisch", sagt Kracher.
Hass, Gewalt und Fatalismus: Das ist die Welt der Incels. Die meisten von ihnen werden ihren Frust auf menschenverachtende Art und Weise im Internet los. Einige von ihnen nehmen sich das Leben. Einige verletzen oder töten andere Menschen. Nicht alle – die wenigsten – von ihnen sind Attentäter oder Vergewaltiger. Und nicht alle Attentäter sind Incels. Aber eines haben viele von ihnen gemeinsam: den Frauenhass. Es ist der sexuell frustrierte Mann, der sich Frauen überlegen fühlt. Der glaubt, allein aufgrund seines Geschlechts einen Anspruch auf Sex und Bewunderung zu haben. Der für sein Leid einen Verantwortlichen sucht.
Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde und Verwandte sein. Vielleicht fällt es Ihnen jedoch schwer, über ausgerechnet dieses Thema mit Menschen zu sprechen, die Ihnen nahestehen. Bundesweit gibt es eine Vielzahl von Beratungsstellen für Menschen mit Suizidgedanken. Eine Übersicht gibt die Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention oder auf dieser Übersichtsseite.
Im Notfall hilft der Rettungsdienst, den Sie unter der Telefonnummer 112 rund um die Uhr erreichen. Die Telefonseelsorge erreichen Sie unter der Nummer 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222. Die Hotline ist rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym. Ein Anruf bei der Telefonseelsorge wird weder auf der Telefonrechnung noch auf dem Einzelverbindungsnachweis ausgewiesen.