Pro: Weihnachtsbaum vor Weihnachten aufstellen
Traditionell darf der Christbaum erst an Weihnachten in die gute Stube und dort dann bis zur Ankunft der Heiligen Drei Könige am sechsten Januar bleiben – bevor er wieder rausfliegt aus der warmen Stube. Wie in der Ikeawerbung Knut. Bis heute im Gedächtnis: Der lässige Schwede, der durch die Gasse schlendert, während es Bäume von den Balkonen regnet. Aber zurück zum Thema: Warum nicht den Weihnachtsbaum einfach mal früher aufstellen?
Sicherlich, das könnte die Vorfreude auf das Weihnachtsfest schmälern. Aber gilt das dann nicht auch für Weihnachtsmärkte? Da stehen schon den ganzen Advent lang Tannenbäume herum. Ohne Baum wäre es auch trist und komisch, oder?
Wer jetzt argumentiert, dass der Baum drinnen schneller nadelt: Stimmt bedingt. Die Fichte nadelt schneller als die Weihnachtskerzen auf dem herunterbrennen, nach ein paar Tagen sieht der Weihnachtsbaum dann aus wie: „Mein kleiner grüner Kaktus“. Und steht kurz vor dem Rauswurf. Deswegen Tanne wählen anstatt Fichte und es einfach mal machen wie die alten Römer. Die haben an den Saturnalien vom 17. bis 24. Dezember immergrüne Zweige aufgehängt, um böse Geister fernzuhalten. Wer möchte schon wie Weihnachtsmuffel Ebenezer Scrooge in Dickens „Weihnachtsgeschichte“ von mahnenden Geistern heimgesucht werden, nur weil er Weihnachten vermuffelt hat. Dann lieber es halten wie die Römer und schönes weihnachtliches Grünzeug vor dem Fest aufstellen. Das ist eh die ältere Tradition. Was zeigt, alles ist relativ.
Für alle, die an Weihnachten wegfahren, bleibt auf diese Weise genug Zeit, den Baum auszusuchen. Vielleicht sogar einen besonders dicht gewachsenen, weil die Auswahl noch größer ist. Und dann gemütlich jeden Tag schmücken und die Pracht genießen, bevor es ans Kofferpacken geht. Außerdem tut die Farbe Grün der Psyche gut, schenkt Hoffnung. Und die braucht es in diesen Zeiten von Krieg, Klimakrise und Arbeitskräftemangel. Die Hoffnung auf bessere Zeiten. (Kristina Orth)
Contra: Warum sich denn den Charme von Weihnachten nehmen?
Noch alle Nadeln an der Tanne? Wer jetzt den Weihnachtsbaum aufstellt, nimmt sich mutwillig den Zauber des schönsten Fests des Jahres. Das wäre doch, wie alle Türchen des Adventskalenders auf einmal öffnen. Die Lust auf Lebkuchen schon im September stillen. Aber was soll dann noch kommen, wenn der große Moment sich schon lange hinzieht und man dann ganz weihnachtssatt ist?
Das Besondere von Weihnachten macht auch das Warten aus. Welchen Reiz soll ein Weihnachtsbaum am 24. Dezember noch haben, wenn man ihn schon vier Wochen lang angeschaut hat, die Lichterkette leuchtet und leuchtet? Abgesehen davon, dass der Baum, sofern er tatsächlich echt ist, seinen Charme an Heiligabend längst eingebüßt hat. Leise rieselt die Nordmanntanne. Oder noch schlimmer: Will man wirklich die ganze Adventszeit auf eine Plastikvariante schauen, die fertig dekoriert, nur schnell aus dem Keller geholt wurde? Alles schon gehört … So kann keine Weihnachtsstimmung aufkommen.
Weihnachten ist das emotionalste Fest, das wir im Laufe eines Jahres feiern. Und es lebt auch ganz entscheidend davon, dass sich die Vorfreude allmählich steigert. Wer fühlt sich denn Anfang Dezember schon weihnachtlich? Aber dann steht der Adventskranz auf dem Tisch, die schöne Heimlichtuerei um die Geschenke, dann das eine oder andere festliche Weihnachtskonzert und allmählich wird es Zeit für den Christbaum. Traditionell? Altmodisch? Na klar! Denn auch das ist Weihnachten im besten Falle: Ein Fest, bei dem Familienrituale zelebriert werden. Deshalb wird der Christbaum erst kurz vor dem Fest geschmückt, er leuchtet das erste Mal an Heiligabend – und die Nadeln bleiben an der Tanne. (Doris Wegner)
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