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Foto: H&M Studio/dpa-tmn
Foto: H&M Studio/dpa-tmn

Manche kennen sie noch aus den 80ern, jetzt sind auffällige Schulterpolster wieder häufiger zu sehen. Hier im Business-Look mit Mantel und Bluse von H&M Studio.

Pro und Contra
04.11.2023

Frage der Woche: Toll, dass die Schulterpolster zurück sind?

Von Birgit Müller-Bardorff, Veronika Lintner

Blazer mit breiten Schultern – das war doch mal so etwas von Achtziger? Von wegen. In der Mode sind sie zurück. Ist das eine gute Nachricht?

Pro: Jeder kann seine eigene starke Schulter sein

Gute Nachrichten! Wer sich im Leben nach einer starken Schulter sehnt, muss nicht mehr auf Tinder suchen. Oder seine zwar vorhandene, aber mit den Jahren doch etwas erschlaffte bessere Hälfte zum Fitnessklub jagen. Denn jetzt sind starke Schultern wieder für jedermann zu haben, kostengünstig und aus Stoff: Das Schulterpolster feiert als Trend sein Comeback. Ein Verbrechen an der Mode? Im Gegenteil, hoch soll es leben! 

Die Schönheitsindustrie spritzt heute auf Wunsch jede Lippe prall. Wangenknochen legt sie um Etagen höher, pumpt die Gesäßmuskulatur auf. Und diesen Optimierungszirkus soll man mit einem – bitte ungepolsterten – Schulterzucken hinnehmen? Oder selbst einen teuren Eingriff am Körper buchen? Nein. Wir leben ohnehin in einer Welt der gestalteten Körper – dafür sorgt schon die Mode. Röhrenjeans modellieren selbst barocke, üppige Körper in eine Form, die Sportlichkeit antäuscht. Was wie ein Gazellenbein anmutet, scheint auch nur so, weil der Mensch trickst und sich die Hufe höher schnallt, mit 20-Zentimeter-Absätzen. Alles Weitere richtet schon die Speck-weg-Unterhose. 

Also warum nicht den Blazer mit Schulterpolstern kaufen, in den Spiegel blicken und staunen: Ist das ein Leistungsschwimmer, der da zurücklächelt, mit v-förmiger Silhouette? Oder eine Eishockeyspielerin, bereit für den harten Bodycheck? Diese Polster demonstrieren Stärke, betonen die Schultern als tragfähige Stützen. Und die Mode der 80er-Jahre, so grauslich grell war sie gar nicht: Das Bond-Girl Grace Jones, die eiserne Maggie Thatcher, die tänzelnden Jungs von Milli Vanilli – waren das nicht Marken? Schultergepolsterte Erscheinungen? Jeder kann seine eigene starke Schulter sein. (Veronika Lintner)

Contra: Frauen sind nicht mehr auf Power Dressing angewiesen

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Mögen die Boomer auch noch so gescholten werden für das, was sie alles angerichtet haben (Klima- und andere Katastrophen): Manches wissen sie einfach besser als die Jungen von y bis z, weil sie über einen reichen Erfahrungsschatz verfügen. Und über Fotoalben aus den 80er-Jahren, in denen sich Jugendsünden wie Puffärmel, Rüschenkleider, Dauerwellen und Schulterpolster verbergen.

Ins Fitnessstudio ging man damals noch nicht, wie ein Schrank sah man trotzdem auch als zierliche 18-Jährige aus. Mit einer Schulterbreite, als sei das Leben ein Rugby- oder Eishockeyfeld. Und was war das ein Genestel und Gezupfe, wenn man das Schulterpolster der Bluse unter das des Mantels positionieren musste. Von wegen quadratisch, praktisch, gut. Und schön ist auf jeden Fall anders.

Aber gewiss, ein wenig Breitschultrigkeit kann nicht schaden, angesichts des immer noch verbreiteten männlichen Imponiergehabes in Vorstandsetagen und überhaupt im Leben. Aber ehrlich: Sich dafür die Hässlichkeit von Schulterpolstern unter Bluse, Blazer und Pulli zu sticheln, das ist wirklich nicht nötig. Mögen sie im 17. Jahrhundert als Zeichen von Macht erfunden worden sein, in den 1930er-Jahren zarter Weiblichkeit ein wenig Handfestigkeit verliehen haben und mag sich Margaret Thatcher damit in den 1980ern Respekt als eiserne Lady verschafft haben - sind wir wirklich immer noch auf Power Dressing, wie Mode mit breiten Schultern allen Ernstes auch jetzt wieder ausgeflaggt wird, angewiesen, um zu Powerfrauen zu werden? Haben wir es immer noch nötig, das Sein durch Schein aufzuplustern? Eben! Führung und Stärke haben wir auch ohne breite Schultern im Kreuz. (Birgit Müller-Bardorff)

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