Pro: Muttertag ist ein jährlich aufgefrischtes Anerkennungs-Doping
Mal ganz woke gefragt: Sollte man überhaupt Muttertag feiern? Ist das nicht ein konstruierter Anlass, geschaffen um Frauen gesellschaftlich auf ihre Rolle als Mutter zu reduzieren? Zum Profit einer Industrie noch dazu, die im Globalen Süden blühende, Pestizid-getränkten Dekoware für reiche Länder produziert, mit der noch dazu wertvolles Wasser von Süd nach Nord exportiert wird?
Schon gut, schon gut, wir sind ja nur neidisch. Die ganze Welt ist süchtig nach Anerkennung. Und der Muttertag ist ein jährlich aufgefrischtes Anerkennungs-Doping. Verdient natürlich, Mütter leisten Großes, das steht außer Frage. Aber ein wenig fühlt es sich an wie früher beim Geburtstag des großen Bruders. Die Geschenke waren alle für ihn und der Kuchen hat halb so gut nur geschmeckt. Mütter müssen am Muttertag fast nichts.
Väter dagegen haben nicht einmal am Vatertag Pause. Statt entspannt im Liegestuhl zu fläzen und schön Kaffee zu trinken, müssen sie schon früh aus dem Haus, um schwere Getränkekisten in nicht dafür geeigneten Kinder-Bollerwagen über Feldwege zu zerren. Man sieht die Gruppen dann spätestens am Nachmittag, vollkommen erschöpft von der ungewohnten Anstrengung, in Parks und auf Grünflächen lagern. Oft auf nacktem Boden, viele noch dazu verkleidet in pseudo-alpenländischem Lederzeug. Scheint die Sonne, holen sich alle einen schweren Sonnenbrand, ist ja keiner da, der sie erinnert, sich alle halbe Stunde einzucremen. Womit auch? Im Wagen liegt ja höchstens eine Tube Senf. Anerkennung bekommen die Männer nur in der Gruppe, alle anderen zeigen höchstens mit dem Finger auf sie. Wir klagen nicht. Wir wollen es nur mal sagen. Das ist Gleichberechtigung im Jahr 2023. (Matthias Zimmermann)
Contra: Männer brauchen kaum Beachtung
Klar: Ist schon nett, das ganze Gedöns zu Muttertag. Blumen, Geschenke, Gedichte und so weiter. Und ist doch schön, dass die Mütter ihren speziellen Tag haben. Aber neidisch sein? Nein, danke. Klar freut man sich, wenn der Nachwuchs einen in Form eines dreihebigen Jambus darüber informiert, dass einer der beste Vati der Welt ist. Wer auf so etwas Wert legt, hat ja Gelegenheit und Termin dazu, selbiges einzufordern. Gibt schließlich auch einen Vatertag. Der wird aber bekanntlich – wenn er denn überhaupt gefeiert wird – anders begangen. Stichwort: Bier, Bollerwagen, Biergartenbrunch.
Die Wahrheit lautet aber auch: Männer sind genügsamer, weniger anspruchsvoller. Statt eines selbst geklöppelten Freundschaftsarmbands reichen auch, je nach Zeitaufwand: ein Kasten Bier, ein freundschaftlicher Händedruck, ein Pfandbon vom Supermarkt. Männer sind die Haflinger unter den Menschen; sie brauchen wenig Zuspruch, kaum Beachtung und funktionieren ohne Lernzielkontrolle. Also auch ohne Kuchen und Gedicht. Jahrelang, wenn es sein muss. Abgesehen davon gibt es ja genug Gelegenheiten, einen eigenen Vatertag zu feiern.
Männer sind unter sich, wenn man vormittags im Baumarkt verzweifelt nach dem richtigen Dichtungsschlauch fahndet, wenn es darum geht, den Gartenzaun zu streichen oder am Grill für die Restfamilie Schweinenacken und Halumi-Käse optimal zu temperieren. Und diese Termine sind ja auch so etwas wie ein eigener, kleiner Vatertag: Keiner stellt Fragen, es gibt gleichgesinnte Mitstreiter und am Ende anerkennende Blicke für das Geleistete. Das ist kurz, knapp und schön. Und es reicht uns. Ok, ab und an ein Kuchen wäre auch schön. Muss aber nicht sein. (Florian Eisele)