Pro: Junge Menschen werden eher demotiviert, Sport zu machen
Die meisten Gespräche über die Bundesjugendspiele verlaufen in etwa so: „Ich hatte immer nur eine Teilnehmerurkunde.“ Oder: „Das mit dem Werfen war immer wirklich schrecklich.“ Alle können bei dem Thema mitreden – klar, die Spiele sind ja auch für alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland bis zur zehnten Klasse verpflichtend. Die meisten verknüpfen damit allerdings schlechte Erinnerungen.
Das liegt häufig an einer oder mehrerer der folgenden Gründe: a) eine Sportanlage, auf der man den ganzen Tag in der prallen Sonne ausharren muss. b) Die fragwürdige Ehre, vor der versammelten Klasse Sprung- oder Wurfversuche sprichwörtlich in den Sand zu setzen. Und c) die Urkunde als Beweis, dass man eine sportliche Niete ist oder zumindest nicht so talentiert, geübt oder sportlich wie der Großteil der Mitschülerinnen und -schüler.
Lust auf Sport und Bewegung kommen da nicht so recht auf. Dabei sind das die erklärten Hauptziele der Bundesjugendspiele. Warum also an etwas festhalten, was bei vielen nicht funktioniert? Wenn junge Menschen wirklich ermuntert werden sollen, sich mehr zu bewegen, gibt es sicherlich bessere Wege.
Immer wieder gibt es schließlich Menschen, die davon berichten, dass sie durch Erfahrungen aus dem Schulsport bis ins Erwachsenenleben traumatisiert sind und deshalb überhaupt keinen Sport mehr machen. Von beleidigenden Kommentaren ihrer Lehrerinnen und Lehrer, Mobbing durch Mitschülerinnen und -schüler oder sogar sexuelle Belästigungen ist alles dabei. Die Bundesjugendspiele sind nur eines von vielen Problemen. Aber eines, das man besten Gewissens abschaffen kann. (Annemarie Rencken)
Contra: Mit Enttäuschungen muss man später auch umgehen können
Keine Frage: So manches Kind ist bei den Bundesjugendspielen schon frustriert von der Tartanbahn geschlurft, weil die Mitschüler beim Sprint mal wieder schneller im Ziel waren. Doch das Sportfest deswegen komplett streichen? Das wäre der falsche Weg – es würde ja auch kaum jemand dafür plädieren, Mathe gänzlich abzuschaffen, nur weil der Zögling mal eine Sechs nach Hause bringt. Vielmehr geht es darum, die Spiele so zu gestalten, dass Sportskanonen weiter mit Begeisterung dabei sind, sich der Rest aber nicht abgehängt, gar ausgegrenzt fühlt.
Damit das klappt, hat die Sportkommission der Kultusministerkonferenz bereits 2021 beschlossen: Die Veranstaltung soll kindgerechter werden. Das heißt, aus dem Wettkampf wird ein Wettbewerb, bei dem die Lehrkräfte nicht mehr zentimetergenau messen und sekundengenau stoppen. "Bewegungsorientiert statt leistungsorientiert" lautet das Motto.
Während der Spaß in den Vordergrund rückt, bleibt so die Grundidee, jungen Menschen Lust auf Bewegung und Sport zu machen, erhalten. Zudem sind Konkurrenz, Ehrgeiz sowie Teamgeist und das Verarbeiten von Enttäuschungen alles Aspekte, mit denen die Jugendlichen nicht nur bei den Bundesjungendspielen, sondern weit über den sportlichen Rahmen hinaus konfrontiert sind. Spätestens in der Arbeitswelt, wenn der Chef am Freitagabend kurz vor Schluss noch mit "einer kleinen Bitte" um die Ecke kommt. Dann kann ein gewisses Maß an Frusttoleranz sicherlich nicht schaden. (Matthias Kleber)