Pro: Einfach mal Ausnahmen von der Regel machen
Bevor es an die Argumente geht, erst einmal ein kleines elterliches Buh an die Uefa: Von drei Vorrundenspielen des Gastgeberlandes fanden zwei um 21 Uhr statt, wo doch neben Millionen Bundestrainern und vielen Bundestrainerinnen auch die Neuers, Musialas und Gündogans 2035 zuschauen möchten. Das geht bei diesen Zeiten nur mit toleranten Eltern, die nicht auf einen kategorischen Platzverweis um 20 Uhr bestehen. Schon klar, 21 Uhr bringt mehr Geld. Also kümmern wir Eltern uns jetzt heldenhaft mit Fairplay um den Nachwuchs. Alles für den Fußball. Jawoll.
Denn: Natürlich ist es zu besonderen Anlässen in Ordnung, Kinder länger Fernsehschauen zu lassen. Eine EM verbindet, ist ein emotionales Ereignis, an das man sich viele Jahre später noch erinnert. Erst recht, wenn sie im eigenen Land stattfindet. Sie ist am nächsten Tag Thema auf dem Schulhof, da diskutieren Mini-Bundestrainer dann Spielzüge oder wer den Sieg mehr verdient hat. Man ist begeistert, man fiebert mit, man tröstet sich auch, wenn die Lieblingsmannschaft rausgeflogen ist. Wer einem kleinen Fußballfan das EM-TV-Erlebnis vorenthält, nimmt ihm oder ihr ein Stück soziale Interaktionsmöglichkeit.
Bei uns daheim gilt aktuell für das Grundschulkind: Wenn am nächsten Tag Schule ist, gibt’s bei Deutschlandspielen die erste Halbzeit, beim Rest die ersten fünf Minuten nach dem Anpfiff – und zum Frühstück dann die Kurz-Zusammenfassung per Stream. Sollte Deutschland ins Finale kommen, ist natürlich das ganze Spiel drin. Wenn das Kind dann in der Schule ausnahmsweise mal etwas müde (aber hoffentlich glücklich) aus der Wäsche schaut, wird es schon keinen Anpfiff geben. (Lea Thies)
Contra: Der Schlafmangel ist programmiert
Europameisterschaft ist nur alle vier Jahre, da kann man doch mal eine Ausnahme machen und das fußballbegeisterte Kind bis spätabends das Spiel schauen lassen. Klar, kann man schon machen, aber dann ist der nächste Tag halt auch dahin. Anstoß um 21 Uhr, Nachspielzeit, wenn’s dann noch spannend wird und ein Elfmeterschießen ansteht, ist der Schlafmangel programmiert. Die Augen fallen ja nicht mit dem letzten Tor zu, die Aufregung muss erst mal verarbeitet werden, also noch kurz reden über den traumhaften Pass, den ungerechten Strafstoß und dieses Eigentor, unhaltbar. Also mindestens noch eine halbe Stunde nach Spielende draufrechnen, bis endlich Ruhe einkehrt.
Und am nächsten Tag? Kommt das Kind nicht aus dem Bett, sitzt schlecht gelaunt am Frühstückstisch und schleppt sich vollkommen übermüdet in die Schule. Das ist nicht nur anstrengend für die Eltern, sondern vor allem fürs Kind. Dann lieber früh ins Bett gehen und am nächsten Morgen die Zusammenfassung anschauen – zehn Minuten, alles Wichtige drin und das Kind kann beim Fußballtalk in der Pause mitreden.
Damit gibt man eine klare Linie vor und das Kind weiß, woran es ist – im Gegensatz zu der unklaren Ansage, die erste Halbzeit schauen zu dürfen. Da fiebert das Kind mit und soll schlafen, bevor das letzte Tor gefallen ist. Das führt zu Recht zu Diskussionen, wer will schon ein spannendes Spiel sehen, ohne zu wissen, wie es ausgeht? Abgesehen davon zieht die EM ja nicht einfach ungesehen am Kind vorbei, es gibt genug andere Spiele, die früher beginnen. Das Kind kann auch mitfiebern, ohne die späten Spiele gesehen zu haben. Fürs Finale kann man dann ja mal eine Ausnahme machen. (Felicitas Lachmayr)