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Pro und Contra: Frage der Woche: Frauen in den Mantel helfen?

Pro und Contra

Frage der Woche: Frauen in den Mantel helfen?

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    Gute Manieren, Höflichkeit und etwas Aufmerksamkeit sind nach wie vor gefragt – etwa dem Gegenüber in den Mantel zu helfen. Aber ist das noch zeitgemäß?
    Gute Manieren, Höflichkeit und etwas Aufmerksamkeit sind nach wie vor gefragt – etwa dem Gegenüber in den Mantel zu helfen. Aber ist das noch zeitgemäß? Foto: Christin Klose (dpa)

    Pro: Altmodischer Charme um des Charmes willen zeigt Wertschätzung

    Weniges kommt so abgedroschen daher, wie der Satz „Früher war alles besser“. Denn natürlich ist das Quatsch. Dieses „früher“ meint oft eine Zeit mit vermeintlich mehr Freiheit, weniger Regeln und weniger politischer Korrektheit. "Früher war alles etwas unkomplizierter" würde es besser treffen. Aber zugegeben: „Früher“, also so ein 18.-Jahrhundert-Früher, hatte in manchen Bereichen seinen Charme. 

    Der Mann machte der Frau den Hof, um ihre Gunst zu erwerben. Beim Ball wurden die Damen zum Tanz gebeten. Heutzutage reibt sich das männliche Geschlecht im Club gerne auch mal ungefragt am weiblichen Gesäß, ohne seinem Objekt der Begierde jemals auch nur in die Augen geschaut zu haben. Etwas barocke Zurückhaltung würde da nicht schaden. 

    Heute gilt es als altmodisch, die Tür aufzuhalten, im Restaurant aufzustehen, wenn es die Frau tut, oder eben, sich in den Mantel zu helfen. Und ja: Es mag sein, dass diese Gepflogenheiten aus einer Zeit stammen, als der Mann als das überlegene Geschlecht angesehen wurde und die Frau als hilfloses Wesen, das vom "starken Geschlecht" beschützt und unterstützt werden muss. Die meisten Menschen haben diese Werte inzwischen abgelegt und wollen mit einer Geste wie dem In-den-Mantel-Helfen schlicht Höflichkeit und Wertschätzung zeigen. 

    Solange das Gegenüber also keine Freudensprünge und Jubelschreie erwartet, sobald er oder sie jemandem in den Mantel hilft und damit seine imaginäre Macht bestätigt sieht, ist diese Etikette völlig unproblematisch. Nebenbei bemerkt sind diese Gesten keine Einbahnstraße. Als Frau hält man dem Mann ebenso mal die Tür auf oder hilft der besten Freundin in den Mantel. Gute Manieren sind nicht an Geschlecht gebunden. Und wer einer Frau in den Mantel hilft, ist kein Bote des Patriarchats, sondern einfach ein Mensch mit einem Sinn für Wertschätzung. (Bianca Dimarsico)

    Contra: Ständige Hilfsangebote aufgrund des Frauseins können nerven

    Es war einmal vor 235 Jahren, da erschien das Werk "Über den Umgang mit Menschen" des Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. Auch heute – inzwischen leben wir nicht mehr in einer Monarchie und müssen uns auch nicht mehr in Pferdekutschen fortbewegen – gelten die Knigge-Regeln immer noch als das Standardwerk für gute Manieren. Häufig ist es während des ersten Tanzkurses so weit, dass sich pickelige und am Handy daddelnde Jugendliche mit den Regeln des guten Herrn Knigge beschäftigen müssen. Sie lernen dann etwa, wie man das Besteck am Tisch richtig hält, dass man Frauen die Tür aufhält oder ihnen in den Mantel hilft. Da kann man mit gutem Recht einmal fragen: Ist das alles im Jahr 2023 noch zeitgemäß?

    Was den letzten Punkt betrifft: nicht wirklich. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der viele Frauen selbstbewusst für ihre Unabhängigkeit einstehen. Denn auch, wenn es charmant gemeint sein soll, so schwingt mit der Geste, einer Frau in den Mantel zu helfen, ein bitterer Beigeschmack mit: Sind wir Frauen etwa zu blöd oder zu schwach, um alleine unsere Jacke anzuziehen? Spinnt man diesen emanzipatorischen Gedanken weiter, lässt sich sogar die Frage aufwerfen: Ist diese Geste wirklich nur reine Freundlichkeit oder gar eine Kompensationsstrategie der männlichen Geschöpfe, weil Frau heutzutage scheinbar alles alleine kann und Mann aber weiter das überlegene Geschlecht sein möchte, dass Frauen zu Hilfe eilt?

    Als Angehörige des weiblichen Geschlechts kann es tatsächlich nervig und bevormundend sein, wenn man ständig, nur aufgrund seines Frauseins, Hilfsangebote für etwas bekommt, dass gesunde, erwachsene Menschen auch ganz alleine schaffen. Oder sogar ohne Hilfe noch besser schaffen. Jede Frau hat wohl schon einmal diesen unangenehmen Moment durchleben müssen: Ein Mann möchte einem in die Jacke helfen, doch stellt sich dabei so ungeschickt an, dass Frau mit einem schmerzhaft verdrehten Arm, peinlich berührt, auf der Suche nach der Öffnung des Mantelarms, in der Luft herumstochert. Danke für nichts! (Paula Binz)

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