Pro: Abspanngucker haben mehr vom Kino
Ach, lasst sie rausgehen, all die Ungeduldigen. Denn sie wissen nicht, was sie verpassen. Höchste Zeit für eine kleine Hymne auf den Abspann. Er ist Puffer zwischen fiktiver und realer Welt, schenkt eine Schonfrist, während der man noch seinen Gedanken nachhängen kann und so tut, als ob man sich brennend für das Catering am Set interessieren würde. Wer denkt denn nach einem herzzerreißenden Happy End schon an die Schlange vor der Toilette und stürmt raus? Wo man doch verschämt im Dunkeln nach einem Taschentuch kramen, sich ein Tränchen wegwischen oder noch mal Luft holen und alles sacken lassen kann, wenn das Ende gar zu aufwühlend war.
Abspanngucker sind auf eine gemütliche Art Trüffelschweine. Was hätte man nicht alles verpasst? In desolater Verfassung wäre man nach dem letzten James Bond „Keine Zeit zu sterben“ aus dem Kinosaal gestolpert – ohne am Schluss des Abspanns einen kleinen Hoffnungsschimmer geschenkt zu bekommen.
Wer will denn freiwillig am Ende von „Mamma Mia“ auf Meryl Streep und Pierce Brosnan verzichten, die in 70er-Jahre-Klamotten tanzen? Oder auf die verpatzten Szenen bei den Dreharbeiten von „Schuh des Manitou“? Am Schluss des Abspanns dankt Bully Herbig übrigens noch all den wichtigen Unterstützern – und „Oma und Manitou“. So sehen Sahnehäubchen aus. Und manchmal ist der cineastische Schlussakkord ein Kunstwerk für sich – bei Herr der Ringe mit handgezeichneten Charakteren von Gandalf, Bilbo und Co. Oder der Abspann in der Anmutung der Karte des Rumtreibers bei Harry Potter in der „Gefangene von Askaban“. Im Kino haben Sitzenbleiber nicht die Hauptrolle – sind aber klar im Vorteil. (Doris Wegner)
Contra: Abspannschauen lohnt sich nicht
Die Leinwand wird schwarz, weiße Lettern erscheinen, der Film ist zu Ende. Oder etwa nicht? Im Abspann erscheinen die Namen aller Menschen, die am Film mitgearbeitet haben. Aber wer will das sehen? Viele Kinobesucher verlassen hastig den Saal – und das zu Recht.
Welchen Nutzen hat es, sechs, sieben, acht Minuten länger sitzen zu bleiben? Sich jeden einzelnen Namen durchlesen, ist schier unmöglich und außerdem wenig aufschlussreich. Dafür sind es einfach zu viele. Es mag eine nett gemeinte Geste sein, um die unbekannten Filmschaffenden zu würdigen. Aber bekommen diese Menschen das mit? Sitzt die Statistin oder der Cutter im Saal und beobachtet, wer sich anerkennend den Abspann anschaut? Wohl kaum.
Natürlich kann man sitzen bleiben, um über den Film nachzudenken, der gerade zu Ende gegangen ist. In den vergangenen eineinhalb Stunden sind viele Eindrücke auf einen eingeprasselt, das Ganze muss der Kopf ja auch erst einmal verarbeiten. Aber das ist schwierig, wenn um einen herum alle am Zusammenpacken sind und sich durch die Sitzreihen quetschen. Keine schöne Atmosphäre, um über die eben gesehenen Bilder zu sinnieren. Den Film Revue passieren lassen, das geht viel besser auf dem Weg nach Hause.
Schwarzer Hintergrund und weiße Lettern sind einfach nichts, was Zuschauer auf den Sesseln hält. Wenn nicht nebenbei Outtakes gezeigt werden oder außerordentlich gute Filmmusik läuft, kann man den Saal getrost verlassen. (Felicia Straßer)