Pro: Eine Pilzeinladung ist als besonderer Freundschaftsbeweis zu werten
Der Mensch träumt ja gern vom Schlaraffenland, in dem die Maronen-Röhrlinge und die Pfifferlinge sprießen wie im Nichtschlaraffenland der Giersch und in dem einem die gebratenen Steinpilze in den Mund fliegen. Gemeine Gallenröhrlinge gibt es dort nicht, im Nichtschlaraffenland aber natürlich schon. Deswegen muss man hier ja auch vorsichtig sein, wenn einen liebe Freunde locken: „Komm doch vorbei, wir konnten gar nicht so viele Pilze mitnehmen, wie wir gefunden haben.“
Aber die Einladung ablehnen? Auf keinen Fall. Zum einen wird sie leider viel zu selten ausgesprochen, weil die Pilzsammelnden ja oft enttäuscht nach Hause schlappen, nur ein paar angemorchelte Maronen im Körbchen. Und die auch noch teilen? Eben. Eine Pilz-Einladung ist daher stets als besonderer Freundschaftsbeweis zu werten. Zum anderen, weil man doch seine Pappenheimer kennt.
Echte Pilzkenner strahlen in der Regel etwas beruhigend Bergdoktorhaftes oder Försterinnenhaftes aus, können Pilzgeschichten erzählen. Sind Sie sich unsicher, stellen Sie unauffällig eine Pilz-Sicherheitsfrage, zum Beispiel, „Schon mal eine Frühjahrslorchel näher kennengerlernt“? Verstummt dann das Gespräch, die Gabel vielleicht besser beiseitelegen. Es könnte sich bei den Gastgebern um sogenannte pfifferlingblinde Pilz-Blender handeln, die selbst einen Fliegenpilz nur mithilfe einer Pilz-App identifizieren können, die Pilzausbeute im Grunde als Futter für den Instagram-Tweet benötigen: „Unglaublich, was die Natur uns schenkt“.
Grundsätzlich aber gilt: Wir sind hier zwar nicht im Schlaraffenland, aber Gastgeberinnen und Gastgeber geben sich in der Regel allergrößte Mühe, ihre Gäste nicht zu vergiften! (Stefanie Wirsching)
Contra: Hobbysammlern fallen schnell mal giftige Doppelgänger in den Korb
Es war so schön im Wald, Herbstluft geschnuppert und Pilze gesammelt fürs Abendessen. Willst du vorbeikommen? Schluck. Ich... äh... bin schon verplant heute. Billige Notlüge, aber was bleibt einem anderes übrig, wenn der Freund mal wieder Schwammerl suchen war. Allein die Vorstellung, wie er im Pilzführer blättert, die braunen Gewächse inspiziert und sie mit unsicherem Blick ins Körbchen wirft, genügt. Man muss nicht dabei gewesen sein, um sicher zu sein, dass er sich nicht sicher sein kann, was er da serviert.
Der Steinpilz lässt sich vielleicht noch vom Satansröhrling unterscheiden. Aber Perlpilz oder Pantherpilz? Krause Glucke oder Bauchweh-Koralle? Selbst beim Pfifferling kann dem ungeschulten Hobbysammler schnell mal ein giftiger Doppelgänger ins Körbchen fallen. So ein spitzgebuckelter Raukopf entfaltet seine tödliche Wirkung erst nach zwei Wochen. Die nächste Einladung dann zum Krimi-Dinner, um den Giftmord aufzuklären? Nein, danke.
Also besser notlügen und dem tückischen Abendessen entgehen. Da vertraut der verstädterte Feinschmecker lieber osteuropäischen Großzuchtanlagen, in denen Champignons fernab ihrer tödlichen Artgenossen sprießen. Wobei, wenn sich so ein halluzinogenes Schwammerl im Teller verirrt... könnte sogar recht lustig werden, wenn der Rausch ohne Wein direkt mit dem Essen kommt. Aber man will ja nicht gleich auf der anderen Seite des Mondes landen, wie der Typ in Suters Roman.
Also Finger weg vom Selbstgesammelten, denn nicht nur Giftpilze sind riskant. Auch in vielen Speisepilzen stecken radioaktive Überbleibsel aus der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Dann lieber Zuchtpilze aus dem Supermarkt verspeisen. (Felicitas Lachmayr)