Pro: Das Gequietsche der Turnschuhe hat endlich ein Ende
Anzugschuhe drücken, Pumps zerquetschen Zehen, Sneaker reiben an Fersen. Man sitzt im Büro und wünscht sich nur eins: Raus aus den Latschen! Feiner Moment, am intensivsten spürbar beim Abstreifen der dampfenden Skischuhe, aber auch nach einem Tag in bürotauglichen Tretern nicht zu verachten. Warum also warten bis nach Feierabend, um sich des Schuhwerks zu entledigen?
Mancher Kollege mag die Nase rümpfen angesichts der nackten Füße, die ungeniert unterm Schreibtisch hervorspitzeln. Auch bei Etikette-Experten sorgt das schuhlose Auftreten für blankes Entsetzen. Killt die Karriere schneller als kurze Hosen, freie Bäuche und Spaghetti-Träger. Aber man kann auch einfach aufs Fußverhüllungsgebot pfeifen. In hippen Branchen ist Barfüßigkeit im Büro längst Banalität. Kleiderordnung!? Ist so was von gestern. Ob einem die zündende Idee in Anzug und Krawatte oder Hoodie und Badelatschen kommt, wen interessiert’s. Das Ergebnis zählt.
Also Schuhe aus und barfuß durchs Büro. Stärkt die Muskeln, verbessert die Durchblutung und baut Stress ab, sagen Forschende des California Institute for Human Science. Eine halbe Stunde ohne Schuhe am Schreibtisch, schon fühlt man sich wie zu Hause, also wohler und entspannter.
Weitere Vorteil, auch für Kollegen: Das Gequietsche der Turnschuhe und Geklappere der Hacken hat endlich ein Ende. Auf leisen Sohlen huscht man durchs Büro und lässt sich vom kratzigen Teppich die Füße kraulen. Funktioniert nicht nur barfüßig im Sommer, sondern auch strumpfsockig im Winter. Aber Achtung: Schuhe direkt nach Ankunft ausziehen, damit es nicht zu sehr mufft, und abends waschen! Wer weiß, was da alles so kreucht und fleucht im Büroteppich. (Felicitas Lachmayr)
Contra: Was, wenn das Apfel-Messer doch mal in den blanken Fuß sticht?
Vielleicht klingt das jetzt nach Biedermeier und Stinkstiefelei, aber: Man muss sie beneiden, jene Hippies, die im Büro ihre Schuhe abstreifen. Elfen und Elfinnen des Alltags, die ihre Sneakers und Socken unter dem Schreibtisch parken, um die Zehen zu lüften. Menschen vom Schlag der Lässigen, die ihre letzte Krawatte auch schon verbrannt haben. Freier Geist, freie Füße – sie haben recht! Es ist an der Zeit, den Büro-Knigge von 1950 aus dem Bücherregal zu werfen, samt seinem ollen, vergilbten Verständnis von Benimm. Und trotzdem, an dieser Stelle eine Warnung: Ohne Schuhe, „unten ohne“, das birgt Risiken im Arbeitsalltag.
Wer weiß denn wirklich, wann zuletzt ein Staubsauger über den pelzigen Büro-Teppich geschlürft ist? Und in der Teeküche bleibt der bloße Fuß dann an der Klebespur hängen, die der Cola-Junkie der Abteilung verspritzt hat. Um die nächste Ecke biegt schon der Kollege, der von seinem Mittagsspaziergang ein Pfund Lehm und Mutterboden an den Sohlen ins Haus trägt – Matsch-Fallen für Nacktfüßler.
Zudem die Mahnung aus der Abteilung Arbeitssicherheit: Was, wenn das Apfel-Messer doch mal von der Küchentischkante fällt und in den blanken Fuß sticht? Wenn Zehen unter den Akten-Rollwagen geraten? Und selbst die Fraktion der Spießer hat Argumente: Barfuß driften die Gedanken leichter ab und kratzen freundlich winkend die Kurve Richtung Hängematte. Ernst und Konzentration – alles eine Frage der Haltung, und die stärkt manchmal ein Schuh. Stabile Sohle, sicherer Stand, das hilft beim Telefonat mit der Chefetage. Ohne Frage, Käsemauken lüften, die Freiheit sollte man sich nehmen dürfen. Aber „unten ohne“ ist eben nie so ganz ohne. (Veronika Lintner)