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Pro und Contra: Die Frage der Woche: Jetzt nicht mehr nach Italien fahren?

Pro und Contra

Die Frage der Woche: Jetzt nicht mehr nach Italien fahren?

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    Strahlende Siegerin: Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia, hat die Wahlen in Italien gewonnen. Ist das Land als Reiseziel damit gestrichen?
    Strahlende Siegerin: Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia, hat die Wahlen in Italien gewonnen. Ist das Land als Reiseziel damit gestrichen? Foto: Oliver Weiken, dpa

    Pro: Über die Faschisten an der Macht nicht einfach hinweglächeln

    Natürlich, wer seine Urlaubsziele nur nach besserem Wetter, anderer Natur und interessantem Kulturangebot aussucht, kann immer überall hinfahren, den hielt der gegen Andersmeinende durchgreifende Erdogan nicht vom Planschen an der türkischen Riviera ab, der glotzt auch fasziniert aufs Tadj Mahal, während in Indien Apartheid und Alltagshorror für Frauen herrschen. Dann viel Spaß beim Sonnen am herbstlich so schönen Gardasee übers Wochenende, beim Urlauben weiter südlich! Vielleicht auch mal einen Abstecher nach Predappio in die Emilia-Romagna, kulturell interessant, da ist Mussolini begraben, zur Pilgerstätte?

    „Besser Faschistin als schwul“ – das ist einer der hübschen Sätze von Giorgia Meloni, die die Menschen in Italien an der Spitze ihrer rechtsradikalen Partei mit Abstand am meisten gewählt haben. Und es gäbe reichlich mehr Unerträgliches, an das denken könnte, wer zwischen Sonne und Natur und Kultur halt auch Einheimischen begegnet. Und dann? Einfach drüber hinweglächeln, sind ja längst nicht alle Italienerinnen und Italiener … – buongiorno, due cappuccini, per favore?

    Oder kritisch befragend den Menschen begegnen, auf gemeinsame Ablehnung hoffend, sich ansonsten ausgerechnet als Deutscher empört aufspielen, weil die haben sie doch nicht alle … – cosa è permesso …? Dafür gäbe es (bei Menschen, die nicht fest dort vernetzt und darum ohnehin im Leben ankommen) nur eine Lösung: Wirklich reisen und auf den Grund gehen. Alles andere ist erbärmlich. Also bitte, soll es doch mal eine hübsche Delle des Tourismus im aufstrebenden Faschismus geben! Aber das müsste in der Folge bedeuten, dass womöglich ganz schöne viele Regionen nicht mehr beurlaubbar werden? So ist es.

    Contra: Italien ist immer noch ein demokratisches Land

    Keine Rotweinabende mehr in sizilianischen Trattorien, nicht mehr staunen vor Michelangelos David in Florenz und auch keine entspannten Badetage in dieser kleinen Bucht auf Elba? Italien bekommt 100 Jahre nach Mussolinis Marsch auf Rom eine rechtsradikale Regierung, kann man da noch unbeschwert hinreisen?

    Ja natürlich! Jetzt erst recht und Wahlsiegerin Georgia Melonis Deutschlandfeindlichkeit zum Trotz. Schranken aufzubauen, Kontakte abzubrechen, wo man Ressentiments bekämpfen sollte, ist kontraproduktiv. Die meisten Italiener werden deutsche Urlauber weiterhin willkommen heißen, weil sie auf deren Euro angewiesen sind.

    Aber muss man nicht Haltung zeigen auch durch die Wahl seines Urlaubslandes? Nicht mehr in die Türkei fahren, weil dort die Menschenrechte eine untergeordnete Rolle spielen, von Ländern wie Saudi-Arabien oder Iran ganz zu schweigen. Und nun also auch Italien, weil dort eine Rechtsregierung an die Macht kommt. Molto triste! Impossibile! Verzweifelten Italienliebhabern sei tröstend zugerufen: Derzeit deutet nichts darauf hin, dass Italien sich von der Demokratie und ihrer freiheitlichen Verfassung verabschiedet, das liebste Urlaubsland der Deutschen zum Schurkenstaat wird.

    Außerdem: Die Haltbarkeitsfrist italienischer Regierungen reichte in den letzten Jahrzehnten nicht entfernt an die italienischer Hartweizennudeln heran. Da würden sich Italienverweigerer aber ärgern, wenn sie im nächsten Sommerurlaub den Frühbucher-Rabatt in Mecklenburg-Vorpommern absitzen, obwohl in Rom der politische Wind schon wieder aus einer liberaleren Richtung weht. Bella Italia, wir kommen!

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