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Pro und Contra: Die Frage der Woche: Darf man Spaß am Trash-TV haben?

Pro und Contra

Die Frage der Woche: Darf man Spaß am Trash-TV haben?

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    Markus Mörl und Cosimo Citiolo sitzen am Lagerfeuer im Dschungelcamp 2023.
    Markus Mörl und Cosimo Citiolo sitzen am Lagerfeuer im Dschungelcamp 2023. Foto: RTL

    Pro: Lieber ein Stück inszenierte Wahrheit als die Heile-Welt-Betäubung

    Horsd’œuvre: Schweinspenis. Hauptgang: Büffelzunge. Und Süßes für Vegetarier: die Durian-Frucht. Aber bitte nicht die Nasenklemme lockern, dieses Obst trägt den Beinamen „Stinkfrucht“. Ja, so ein Menü serviert nur das Dschungelcamp auf RTL. Die B- bis F-Prominenz kampiert gerade wieder und die „Ich guck nur Arte“-Liga skandiert im Chor: Trash! Pfui Deibel! Aber nein, man soll die ARD nicht vor dem Abend loben.

    Täglich rauscht sie über den Schirm, diese Brutalität der Beiläufigkeit: Wenn im „Tatort“ dem dritten Opfer das Blut aus der Stirn spritzt (unser’n sonntäglichen Mord gib uns heute!), die Kamera auf den beladenen Tisch des Pathologen zoomt, so kurz nachdem die „Tagesschau“ die wahren Grauen aus aller Welt Revue passieren ließ. Wir alle schlucken diese Bilder, sofamüde, wie Gummibärchen aus der Tüte, als wäre nicht der wahre Kakerlakencocktail unserer Existenz beigemischt. Und da soll es verwerflich sein, wenn man mitfiebert, wie sich Fernseh-Promi-Prüflinge vor ein paar arglosen Mehlwürmern gruseln?

    Dschungelcamp 2023: Tessa Bergmeier und Cosimo Citiolo sind mit Schleim, Innereien, Melasse, Kakerlaken, Maden und Federn besudelt.
    Dschungelcamp 2023: Tessa Bergmeier und Cosimo Citiolo sind mit Schleim, Innereien, Melasse, Kakerlaken, Maden und Federn besudelt. Foto: Stefan Thoyah/RTL, dpa

    Ja, Trash birgt Abgründe und tarnt sie als harmlos: Heidi Klum jagt Hoffnungen über den Laufsteg, nur um sie mit Effekt platzen zu lassen. RTL testet Schwiegertöchter, die nicht wissen, wie ihnen geschieht. Aber im Dschungel? Da tritt an, wer die TV-Feuertaufe schon bestanden hat, sei es als Rosen-Junggeselle oder von Bohlen gekürtes Singwunder der Saison.

    Und lieber ein Stück inszenierte Wahrheit als die Heile-Welt-Betäubung der Marke „Bergdoktor“: Am Fernseh-Lagerfeuer zeigt sich, wer zum Pfadfinder taugt, wessen Socken wie die Durian duften. Brot und Spiele, Reispampe und Superstar-Karaoke, Scham und Jubel: Trash-TV ist eine allzu menschliche Prüfung der Gefühle. (Veronika Lintner)

    Contra: Im Trash offenbart sich ein Zeitalter der Persönlichkeitsstörungen

    Soll jeder seine Lebenszeit verheizen, wie er will – und jede die ihre freilich auch. Eigentlich. Tut ja niemandem weh, wenn, wer konsumiert, selbst die Behelligung durch diesen TV-Müll aushält, durch welche Haltung auch immer gepolstert? Nun ja, es gibt hier eben doch zwei Probleme.

    Erstens die unmittelbare Wirkung. Denn hohe Quoten, zu denen jeder Einschaltende beiträgt, unterstützen die mediale Suggestion, dass hier etwas von Bedeutung passiere. Was wiederum auch eine entsprechende Berichterstattung im Klick- und Quotenwettkampf notwendig zu machen scheint. 

    Und so bläht sich der Mist auf allen Kanälen auf, das Echo stützt Wahnsinns-Egos wie das Bohlen’sche und verwischt so den doch gesunden Unterschied, dass diese „Reality“ mit dem wirklichen Leben eigentlich nichts gemein hat. Dafür geben sich Menschen dann her, aus Geltungsbedürfnis oder nicht selten auch blanker Geldnot, mit ihren Ängsten und Träumen, Sehnsüchten und Verletzlichkeiten ausgestellt zu werden.

    Neue Jury, neue Staffel bei DSDS: Dieter Bohlen (rechts) hatte Leony, Katja Krasavice und Pietro Lombardi an seiner Seite.
    Neue Jury, neue Staffel bei DSDS: Dieter Bohlen (rechts) hatte Leony, Katja Krasavice und Pietro Lombardi an seiner Seite. Foto: RTL / Stefan Gregorowius / Stefan Gregorowius

    Und damit zweitens: So verkehrt sich der vermeintliche Spaß dann erst recht ins Ungesunde. Denn was ja eigentlich Show ist, rückt echte Personen (nicht selten im Durchlauf mehrerer solcher Formate) ins Scheinwerferlicht, gerade weil sie Privates und Öffentliches nicht trennen. 

    Statt die in Therapie zu schicken, werden sie gerade dadurch zu „Stars“ erklärt und so bei aller (vielleicht ironischen) Distanz des einzelnen Betrachters doch zur Signatur eines Zeitalters der Persönlichkeitsstörungen, das sich seinen Nachwuchs immer weiter heranzieht. Zusehends leben wir in der „Reality“, die wir uns als unterhaltsamen Trash zur Ablenkung von der Wirklichkeit gegönnt haben. Kein Spaß. (Wolfgang Schütz)

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