Pro: Der Aufzug ist ein Raum der Möglichkeiten!
Weil es hier um eine Frage von Auf- und Abstieg geht, vorweg ein Wort von Reinhold Messner, dem Himalaya-Bergfex: „Die Kunst des Bergsteigens ist es, die Grenzen zwischen Feigheit und Wahnsinn zu erkennen.“ Und den „Berg-“ in seinem Satz kann man ohne Bedenken, Helm und Sicherheitsseil auch durch „Treppen-“ ersetzen. Feige ist, wer – auf Höhe seiner Kraft – für ein einziges Stockwerk, 15 Stufen, den Aufzug nimmt. Aber es ist Wahnsinn, zu glauben, dass einen das Treppensteigen allein zum Fitness-Gott, zur Achtsamkeits-Influencerin, ja zum Messner macht. Was soll diese Verkultung der Stufen? Und diese Verteufelung des Fahrstuhls?
Wer glaubt, dass er mit der einmaligen Bürotreppen-Besteigung, Etage 4, schon sein Sportabzeichen verdient hat, der irrt. Reine Selbsttäuschung! Das ersetzt nicht kilometerlange Herbstspaziergänge. Nicht das Fußballtraining. Die gemeinsame Jogging-Runde mit dem besten Freund. Und das sind alles Aktivitäten, die mehr Spaß bereiten und inspirieren als der niedere Treppenalpinismus.
Bitte nicht missverstehen, jede Abwechslung vom Fläzen und Krummbuckeln in falsch justierten Bürostühlen hilft dem Körper. Und ja, manchmal öffnet sich mit der Aufzugtür die Hölle. Knoblauchwolke. Small-Talk-Geiselhaft. Peinliche Schweigeminute. Aber ist das so schlimm wie das Gefühl, hinter den Fortschritt der Menschheit zurückzufallen? Außerdem: Der Aufzug ist ein Raum der Möglichkeiten! In besseren Fahrstühlen erklingt sogar Musik. Und ein Kuss zwischen Stock 2 und 4 erhöht den Herzschlag auf Sportniveau. Messner sagt: Man muss im Leben „den größtmöglichen Schwierigkeiten mit größtmöglicher Vorsicht begegnen“. (Veronika Lintner)
Contra: Je öfter man die Treppe nimmt, desto leichter geht es
Treppe oder Aufzug? Was für eine Frage, Treppe natürlich! Einfachster Weg, um verstockten Gesprächen zu entkommen. „Morgen!“ „Morgen!“ „Wohin?“ „Vierter. Sie?“ „Achter. Mieses Wetter heute.“ Schweigen, Blick auf die Anzeige: Erst im Zweiten. „Und, auch im Stau gestanden?“ „Ne, Zug gefahren.“ „Verspätung?“ „Wie immer.“ Zäh, dieses Aufzuggeplänkel.
Noch schlimmer: Schweigefahrten, auf denen niemand etwas sagt. Oder diese Höllenfahrten, auf denen sich im Zweiten noch fünf Leute reindrücken. Oder diese Irrfahrten, bei denen man erst in den Keller und danach in den Zehnten rauscht, bevor man endlich im Vierten ankommt, weil jemand falsch gedrückt hat.
Dann lieber gleich die Treppe nehmen, auch wenn es Überwindung kostet. Denn es stimmt ja schon, so ein Aufzug ist verlockend, vor allem morgens. Einsteigen, Knopf drücken und gemütlich nach oben fahren statt zu Fuß die Stufen hinaufzuhetzen und mit hochrotem Kopf im Büro anzukommen.
Aber es ist ja auch so: Je öfter man es macht, desto leichter geht es. Also gar nicht erst darüber nachdenken und konsequent die Treppe nehmen, morgens rauf, abends runter und zum Mittagessen dieselbe Runde noch mal, dann hat man das Fitnessprogramm schon in den Alltag integriert. Tut nicht nur dem Körper gut, sondern auch der Seele. Im Grunde ist es wie am Berg. Hinauf zu kraxeln strengt mehr an als sich in den Lift zu setzen, fühlt sich aber besser an. Wer stundenlangen am Schreibtisch sitzt, für den ist jede Stufe ein Segen. Und wenn sich doch mal ein anderer im Treppenhaus verirrt, reicht spätestens im zweiten Stock die Puste nicht mehr und man kann mit gutem Gewissen nebeneinander herlaufen, keuchen und schweigen. (Felicitas Lachmayr)
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