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Foto: Sebastian Gollnow, dpa
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Na dann mal "Mahlzeit"!

Pro & Contra
20.01.2024

Sollte man Mittags mit "Mahlzeit!" grüßen? Ein Für und Wider

Von Veronika Lintner, Stefanie Wirsching

"Mahlzeit" ist das Maggi unter den Grußformeln. Egal, wer in der Schlange in der Kantine neben einem steht oder was auf dem Teller liegt – passt immer. Oder doch nicht?

Pro – Prost, Mahlzeit, es lebe die Vielfalt der Grußformeln!

Es ist nur ein Gerücht, dass die Bewohner des Nordpols ganze 400 Wörter für Schnee kennen. Olles Märchen. Franzosen wissen in ihrer Sprache auch nur eine Handvoll Begriffe für die Liebe. Aber hat schon jemand erforscht, wie viele Grußformeln die Begegnungskultur hier in Deutschland kennt? Von regional („Servus!“, „Adele!“) bis international („Ciao!“, „Salut!“), von spirituell („Grüß Gott!“) bis unkonventionell („Tschüsseldorf!“, „Tschaudi Arabien!“). Und dann gibt es die nüchternen unter den Grüßaugusts. Ihnen geht es beim Hallo um die Sache, um Pragmatik. Der Gruß, den sie täglich pflegen, folgt dem Motto des großen Journalisten Rudolf Augstein: „Sagen, was ist.“ Nein, sagen, dass jemand isst. „Mahlzeit!“ 

Dieser Gruß krempelt die Ärmel hoch, da darf sich sogar der Chef der Firma wie ein Bergbaukumpel unter Gleichen fühlen, wenn er im Flur zur Betriebskantine „Mahlzeit!“ ruft – ein vielfaches „Mahlzeit!“ hallt mit Garantie zurück. Dabei erwartet auch niemand ein förmliches Grußanhängsel, kein „Mahlzeit, sehr geehrter Herr Kommerzienrat Huber“, während das Gegenüber einem in die Suppe auf dem Tablett linst. Also: kein Risiko, keine Hierarchie, keine Skrupel, nur „Mahlzeit!“. Und in diesem Gruß schwingt eine Verheißung mit: Jetzt legen wir Hammer oder Stift beiseite, jetzt ist Zeit für ein Grundbedürfnis. Schon der kluge Gerhard Polt philosophierte: „Zeit plus Zeit ist mehr Zeit. Brot plus Zeit ist Brotzeit. Zeit mal Zeit ist Mahlzeit.“ 

Es lebe die Vielfalt: Wenn schon Margot und Maria Hellwig im Ton zweier wohlgestimmter Alpenposaunen gleich dreimal grüßend ihr Lied jodeln durften, „Servus, Grüezi und Hallo!“ – na dann ist doch ein kurz gegrunztes „Mahlzeit!“ erlaubt. (Veronika Lintner)

Contra: na Mahlzeit, von wegen nur eine verbale Sättigungsbeilage.

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Die sogenannte Mahlzeit-Studie der Universität Würzburg brachte vor einiger Zeit folgende Erkenntnis. Die Forschenden hatte in drei verschiedenen Kantinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt nach dem Kantinenbesuch zum einen nach der Einschätzung gefragt, wie viele Kollegen sie mit dem Wort „Mahlzeit“ gegrüßt hatten. Zum anderen wollten sie wissen, ob sie die Namen von mindestens drei dieser Menschen nennen könnten. Das Ergebnis war irre: Bis zu 50-mal, schätzten einige der Befragten, hätten sie während der Mittagszeit „Mahlzeit“ gesagt. Je höher die Zahl, eine der Befragten kam auf über 100, umso weniger konnten sie sich jedoch an einzelne Kollegen erinnern. „Mahlzeit hat sich zur wohl bedeutungsleersten Floskel im deutschen Sprachgebrauch entwickelt“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. 

So. Die Studie, Sie haben es natürlich gleich geahnt, gibt es natürlich nicht – und braucht es auch nicht: Es reicht zur Forschung der mittägliche Kantinengang, bei dem der belanglose Zweisilber durch Schlangen, Gänge und Tische hüpft – Mahlzeit, Mahlzeit, Mahlzeit. Womit man beim Problem wäre. Das Wort Mahlzeit ist nämlich ein Hybrid, eine Jekyll-Hyde-Konstruktion: Wirkt also erst einmal harmlos, nicht mehr als eine maggiartige verbale Sättigungsbeilage, aber offenbart dann eine dunkle Seite! Fordert, ist gierig und will sich ständig vermehren. Denn wie auf ein „Mahlzeit“ reagieren? Mit „Mahlzeit“ natürlich. Ein ganz fieser Trick. Wie kann man sich gegen den „Mahlzeit“-Zwang aber wehren? Nicken Sie freundlich, sagen Sie nichts! Die Menschen können sich eine halbe Stunde später eh nicht mehr an Sie erinnern. (Stefanie Wirsching) 

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