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Oscar-Verleihung: "Im Westen nichts Neues": Das Problem mit dem Kriegsfilm

Oscar-Verleihung

"Im Westen nichts Neues": Das Problem mit dem Kriegsfilm

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    Szenenbild aus „Im Westen nichts Neues“, dem Film, der für so viele Oscars nominiert ist wie kein anderer deutsche je zuvor.
    Szenenbild aus „Im Westen nichts Neues“, dem Film, der für so viele Oscars nominiert ist wie kein anderer deutsche je zuvor. Foto: Reiner Bajo, PA Media/Netflix

    Das muss doch irgendein Fiesling gewesen sein! Einer von der Sorte dieser ganzen deutschen Filmkritiker, die (ausgerechnet im größtmöglichen Scheinwerferlicht natürlich wieder unpatriotisch) einfach nicht einstimmen wollen in die international ja durchaus vorhandene Begeisterung über die neue Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ – nicht von ungefähr hat der Streifen Deutschland doch auch mit ganzen neun Nominierungen einen neuen Allzeit-Rekord bei den Oscars eingebracht

    Die besten Kriegsfilme aller Zeiten

    Und nun hat noch jemand dafür gesorgt, dass ausgerechnet in der Woche vor der Verleihung in der Nacht zum kommenden Montag unserer Zeit der nach Zuschauer- und Kritikerlisten beste Kriegsfilm als „Final Cut“ in die Kinos zurückgekehrt ist: Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“.

    Und selbst wenn man all den Aufwand für eine möglichst eindrucksvolle Darstellung der Gräuel des Ersten Weltkriegs erst mal unhinterfragt zugunsten der deutschen Remarque-Neuinszenierer in Rechnung stellt: Der Kontrast mit diesem Genre-Klassiker bekommt „All Quiet on the Western Front“ natürlich wirklich nicht gut. Die Kunst des kongenial anverwandelten Kriegswahns von Joseph Conrads Roman zu Marlon Brandos Spiel lässt das deutsche Drama bestenfalls wie bemühtes Handwerk aussehen. 

    Und sehr viel besser wird es auch nicht, wenn man vergleichend die Bestenliste nach unten weiterschreitet. Von älteren wie „Full Metal Jacket“ bis zu jüngeren wie „The Hurt Locker“, ob weiterhin amerikanisch „Platoon“ und „Die durch die Hölle gehen“, „Der schmale Grat“ und „Wege zum Ruhm“ oder international mit „Waltz with Bashir“ und „Hero“, „Lawrence von Arabien“ und „Panzerkreuzer Potemkin“ oder auch deutsch mit „Das Boot“ und „Die Brücke“ … – was wäre es, das „Im Westen nichts Neues“ dem allen hinzuzufügen oder auch nur an Charakteristischem zu bieten hätte, um in der gleichen Liga zu spielen? Auch Kriegs-satirische Höhepunkte wie „Starship Troopers“ und „Inglourious Basterds“ haben andere Blickwinkel eröffnet, selbst Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ – mal ganz abgesehen von seinem „Schindlers Liste“ – hat durch die gnadenlose Eröffnungsszene von der Landung in der Normandie einen bleibenden Filmeindruck hinterlassen, der über das bloße Abbilden hinausgeht. 

    Die Schwächen von "Im Westen nichts Neues"

    „Im Westen nichts Neues“ fügt vorherigen Verfilmungen wie der von Lewis Milestone 1930 nur eine technische perfekte Bildproduktion hinzu und dem Roman-Klassiker einige pädagogische Blähungen. Gerade diese beiden Erscheinungen aber sind in diesem Genre problematisch. Der überzeugende Kriegsfilm muss nicht doppelt beglaubigen, dass er natürlich eigentlich ein Anti-Kriegsfilm ist – das muss nur der Kriegsfilm, der sich mit allzu großer Hingabe an Hochglanzbilder von Schmutz und Schrecken auf einen Eindruck hin produziert, der durch sonst nichts in der ganzen Konzeption erzielt wird. Christopher Nolans „Dunkirk“ über die Rettung des britischen Expeditionskorps 1940 etwa hat die Personendramaturgie aufgelöst und lässt die Kamera auf Augenhöhe zum Geschehen an der Mole, auf See und in der Luft einfach die Fluchtbewegung mitgehen – eine ästhetische Entscheidung, aber auch eine inhaltliche Setzung, die das Kollektive statt des Individuellen, potenziell Heldenhaften in den Fokus nimmt. „Im Westen nichts Neues“ ist gemessen daran einfach nur herkömmlich. 

    Besonders allein ist aktuell das Umfeld, in das der Film unversehens erschienen ist. Denn geplant konnte das unmöglich sein, dass der historische Kriegsfilm einen tatsächlich ausgebrochenen Krieg spiegelt – höchstens als Mahnung, noch rechtzeitig aus der Geschichte zu lernen, kann die deutsche Produktion gemeint gewesen angesichts der zu Planungs- und Drehzeit nur höchst angespannt wirkenden Lage in Europas Osten. Aber natürlich hat nun der tatsächliche Krieg, der da seit gut einem Jahr in der Ukraine sein unmenschliches Unwesen treibt, die Wahrnehmung des Films geprägt. Wuchtige Bilder und menschliche Dramen, die den Ersten Weltkrieg in Szene setzen, während Kommentatoren mahnende historische Parallelen zwischen just jener Zeit und einer möglichen Eskalation heute ziehen. Und während trotz des Einsatzes von Drohnen und eines bedrohten Atomkraftwerks teils noch immer Stellungen befestigt und Schlachten geschlagen werden wie einst. 

    Krieg in der Ukraine, Krieg im Kino, Krieg bei den Oscars

    Das ist etwas, das dem Film Aufmerksamkeit beschert, man sich als Verantwortlicher aber aus allen erdenklichen Gründen nicht wünschen kann. Auch, weil der Film so geradezu voyeuristisch erscheinen kann, indem er unfreiwillig die aktuellen Nachrichtenbilder fortsetzt, die das konkrete Sterben ja nie unmittelbar zeigen. Bizarrerweise könnte „Im Westen nichts Neues“ – das würde jedenfalls zu Hollywood passen, samt Video-Botschaft von Selenskij – ausgerechnet darum auch zum Oscar-Triumph werden. „Apocalypse Now“ übrigens gewann damals in Cannes die „Goldene Palme“, bei den Oscars 1980 aber nur in den Kategorien Kamera und Ton. Aber die Deutschen haben seit langem in Hollywood die besten Karten, wenn sie – siehe „Das Leben der anderen“, siehe „Werk ohne Autor“ – ihre eigene kriegerische, totalitäre Vergangenheit aufwühlen. 

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