Corona in Mailand. Eine typische Straße in der Stadt: „Da ist sie, die Via Marghera, eng und elegant, auch diese Straße ändert sich nie, mit unbekümmerter Ironie erträgt sie die Zeit.“ Mittendrin das Café Royal, zentraler Treffpunkt der gut situierten Menschen, die hier wohnen und zu Pandemie-Zeiten mehr denn je an ihrer Existenz leiden. Marco Balzano hat sie in seinem Episodenroman „Café Royal“ porträtiert. Die 18 Episoden, benannt nach den jeweiligen Protagonisten, fügen sich zum Bild einer Gesellschaft, die an der Langeweile zu ersticken droht.
Da ist der Arzt, der seine Patienten nicht mehr sehen kann. Der Aushilfspriester, der mit seinem Glauben hadert: „Ich lese die Messe wie ein Postbeamter.“ Der Kellner, der von einer unerfüllbaren Liebe träumt. Die Ehefrau und Mutter, die aus Langeweile eine Affäre mit dem Jugendfreund beginnt. Die einsame Alte, die ihren Kindern eine Nase dreht. Die Adoptivtochter, die wegen des Lockdowns die Bindung an die Adoptiveltern vertieft. Die Frau, die sich beim Martini-Trinken in einen Fremden verliebt. Der Hilfskoch, der mit der jungen Obdachlosen tändelt...
Ein origineller Beitrag zur Post-Corona-Literatur
Die Episoden sind aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, mal in der Ich-Form, mal berichtet der auktoriale Erzähler, auch ein Brief ist dabei. Meist geht es um große und kleine Sünden während der Coronazeit, um Regelverstöße, darum, im Lockdown nicht am Leben zu verzweifeln. Das Beziehungsgeflecht hinter den vereinzelten Protagonisten erschließt sich nur langsam. Dann, wenn man schon bekannte Personen in einer neuen Episode wieder trifft. Noch besser, wenn man das Café Royal zum zweiten Mal besucht.
Marco Balzano gelingt es mit diesem Episodenroman, das Großstadtfeeling während der Coronazeit aufleben zu lassen. Sein „Café Royal“ ist ein origineller Beitrag zur Post-Corona-Literatur.
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