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Neues Verfahren macht Tiefe Hirnstimulation gegen Parkinson effektiver

Medizin

Neues Verfahren macht Tiefe Hirnstimulation gegen Parkinson effektiver

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    Wer sich mehrmals pro Woche und regelmäßig körperlich betätigt, hat als Parkinsonpatient gute Chancen, bestimmte Fähigkeiten länger zu erhalten.
    Wer sich mehrmals pro Woche und regelmäßig körperlich betätigt, hat als Parkinsonpatient gute Chancen, bestimmte Fähigkeiten länger zu erhalten. Foto: Tobias Hase, dpa

    Eine neue Form des Hirnschrittmachers kann die Symptome einer Parkinson-Erkrankung wohl deutlich besser kontrollieren: Die sogenannte adaptive Tiefe Hirnstimulation (aTHS) könne die Dauer motorischer Probleme im Vergleich zur konventionellen konstanten Tiefen Hirnstimulation (cTHS) etwa halbieren, schreibt eine Forschungsgruppe um Carina Oehrn von der University of California in San Francisco im Fachjournal Nature Medicine.

    Von einem „Meilenstein“ spricht der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): „Diese Studie eröffnet das Feld neu und bringt es dramatisch voran“, sagt Lars Timmermann, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Marburg. Nun müsse der Ansatz an einer größeren Zahl von Patienten geprüft werden.

    Tiefe Hirnstimulation kann oft schon ab dem vierten Krankheitsjahr sinnvoll sein

    Worum geht es? Bei der Parkinson-Krankheit, die allein in Deutschland Schätzungen zufolge zwischen 200.000 und 400.000 Menschen betrifft, sterben im Gehirn Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Symptome sind unter anderem Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsstörungen.

    Viele Betroffene versuchen das Zittern zu verstecken - oder meiden bestimmte Situationen, weil sie befürchten, dass ihr Tremor sich dann zeigt.
    Viele Betroffene versuchen das Zittern zu verstecken - oder meiden bestimmte Situationen, weil sie befürchten, dass ihr Tremor sich dann zeigt. Foto: Laura Ludwig, dpa

    Die Therapie setzt gewöhnlich auf Arzneien, die den Botenstoff Dopamin ersetzen sollen. Zusätzlich wird die Tiefe Hirnstimulation – auch Hirnschrittmacher genannt – eingesetzt, meist aber erst, wenn Medikamente nicht mehr ausreichend helfen. Timmermann zufolge kann das Verfahren schon früher sinnvoll sein, oft ab dem vierten Krankheitsjahr.

    Bei der Tiefen Hirnstimulation sollen eingepflanzte Elektroden durch elektrische Impulse in einer bestimmten Hirnregion verhindern, dass die Zellverbände krankhaft im Gleichtakt feuern und typische Symptome wie Steifheit und Zittern auslösen. „Die Tiefe Hirnstimulation kann die Lebensqualität der Betroffenen deutlich bessern“, sagt Timmermann.

    Forschende testen aufwendiges, neues Verfahren an vier Patienten

    Allerdings laufen die Impulse konstant – sie können also je nach Wirkphase der jeweiligen Arznei einen zu starken oder aber zu schwachen Effekt haben – auch weil die Ausprägung der Symptomatik stark schwanken kann. Timmermann vergleicht das Verfahren mit einem Auto, das konstant mit 80 Kilometern pro Stunde fährt. „In der Stadt ist das zu schnell und auf der Autobahn etwas langsam.“ Günstig wäre eine Art Tempomat, der die Geschwindigkeit an die jeweilige Umgebung anpassen könnte.

    Ottfried Fischer hat im Jahr 2008 seine Parkinson-Erkrankung bekannt gegeben. Doch bis heute tritt er öffentlich auf.
    Ottfried Fischer hat im Jahr 2008 seine Parkinson-Erkrankung bekannt gegeben. Doch bis heute tritt er öffentlich auf. Foto: Tobias Hase, dpa

    Genau dies soll die adaptive Tiefe Hirnstimulation ermöglichen: Im Gegensatz zum herkömmlichen Hirnschrittmacher soll sie dafür sorgen, dass die elektrischen Hirnimpulse nur in jenem Maße einsetzen, in dem sie gerade gebraucht werden. Dafür sorgen sollen Implantate, die im motorischen Kortex in beide Hirnhälften eingepflanzt werden.

    Den Nutzen des Ansatzes ermittelte das Team aus San Francisco in einem Pilotprojekt an vier Männern, die seit 10 bis 15 Jahren erkrankt waren. In einem verblindeten Verfahren nutzten die Teilnehmer jede der beiden THS-Formen der Hirnstimulation für jeweils einen Monat. Die Dauer der störendsten Beschwerden wurden bei der adaptiven im Vergleich zur kontinuierlichen Tiefen Hirnstimulation etwa halbiert, die Lebensqualität stieg in der Selbsteinschätzung der Teilnehmer deutlich.

    Forschende entwickelten mithilfe von KI für jeden Patienten einen Algorithmus

    Allerdings betrieb das Pilotprojekt dafür einen erheblichen Aufwand. Das Team ermittelte zunächst, wo im Gehirn sich die Symptomstärke am besten ermitteln lässt. Das Resultat – der motorische Kortex – dürfte wohl auf andere Parkinson-Betroffene übertragbar sein. Zudem entwickelte die Gruppe für jeden Patienten auf Basis von Künstlicher Intelligenz einen Algorithmus, um aus den Signalen aus dem Kortex die jeweilige optimale Stimulation zu ermitteln. Allein dieser Schritt habe pro Patient ein bis sechs Monate gedauert.

    Das Resultat der nun publizierten Studie beeindruckt nicht nur in Bezug auf die stark gebesserte Symptomatik, auch die benötigte Arzneidosis sank deutlich: Schon der normale Hirnschrittmacher kann laut Timmermann die Menge der erforderlichen Parkinson-Medikamente um 40 bis 50 Prozent senken. Die adaptive Tiefe Hirnstimulation reduzierte die erforderliche Dosis nochmals deutlich.

    Derzeit wird das neue Verfahren in den USA an einer größeren Gruppe von 25 Menschen mit Parkinson und Dystonie, einer neurologischen Bewegungsstörung, geprüft. Timmermann betont: Zunächst müsse man den Ansatz an weit mehr Patienten prüfen – vor allem auch über längere Zeiträume. Sollte sich der Effekt bestätigen und das Verfahren rasch zugelassen werden, könnte es in etwa vier bis fünf Jahren auf den Markt kommen, schätzt der Experte. Besonders profitieren könnten davon jene Parkinson-Betroffenen, deren Symptomatik besonders stark schwankt – dies sei unter anderem bei Frauen der Fall.

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