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Arktische Gold: Darum lieben Skandinavier Moltebeeren

Beeren-Ernte

In Deutschland unbekannt, in Skandinavien geliebt: So schmecken Moltebeeren

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    Moltebeeren sehen ein wenig aus wie gelbe Himbeeren und werden auch das arktische Gold genannt.
    Moltebeeren sehen ein wenig aus wie gelbe Himbeeren und werden auch das arktische Gold genannt. Foto: Inge Ahrens

    Ziemlich genau in der Mitte Lapplands, nur 56 Kilometer südlich vom Polarkreis, steht ein rotes Holzhaus an einem See. Die Bewohnerin heißt natürlich Astrid, wie es sich in Schweden gehört, und wer das Glück hat, Astrid im Hochsommer zu besuchen, geht mit ihr in die Moltebeeren. Das hat Tradition so weit im Norden. Aber Moltebeeren? Rubus chamaemorus genau genommen, das ist der wissenschaftliche Name. Moltebeeren sind bei uns unbekannt. Aber in Schweden sind sie eine Berühmtheit und gedeihen dann, wenn der Sommer schon auf der Kippe steht.

    Eimerchenweise und mit vor Eifer roten Backen wird man sie dann nach Hause tragen. Die reifen Beeren werden zu Hause für den Froster verlesen und die unreifen auf die Fensterbank gelegt, damit sie schön nachziehen. Einen guten Teil wird man sogleich vernaschen. Moltebeeren werden auch arktisches Gold genannt. Sie sehen aus wie goldgelbe Himbeeren mit anfangs noch rosigen Backen, sind aber längst nicht so süß wie ihre physischen Schwestern. Eher schmecken sie ein wenig herb.

    Goldene Farbe, saurer Geschmack: Das sind Moltebeeren

    Manche würden sagen, Moltebeeren sind sauer. Ihretwegen gehen die Bewohner der Nordländer seit jeher in den lichten Nadelwald, und längst kommen emsige Menschen von überall her, denn das schwedische Jedermannsrecht erlaubt es allen, sie zu pflücken. Moltebeeren sind ein dickes Geschäft. Wegen ihrer goldigen Farbe leuchten sie im Wald weit und breit. Aber jeder Schwede, jeder Norweger oder Finne hat ohnehin seine geheimen Sammelplätze, die er niemandem verrät.

    Hjortron heißen Moltebeeren auf Schwedisch. Sie läuten eine lukullische Jahreszeit ein. Vor dem Winter gibt die Landschaft noch mal ordentlich Gas. Es ist Erntezeit für alle, denn die Natur mit ihren Erntegründen ist das Größte so hoch im Norden. Darum spielt sie auch in der dortigen Küche eine große Rolle. Man nennt die Moltebeere auch Torfbeere oder Sumpfbeere. Sie wächst unter Nadelhölzern buschig, struppig und zahlreich im Sumpf fünf bis 25 Zentimeter niedrig, und die Gummistiefel der Suchenden saugen sich nicht nur einmal fest im klebrigen Nass, wenn man ihrer habhaft werden will. Platsch, sitzt man unverhofft zwischen pieksigem Gehölz in einer Pfütze. Macht nichts. Das Erntefieber trocknet alles.

    Nicht nur in Skandinavien: Wo wachsen Moltebeeren?

    Übrigens nennt das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm im 19. Jahrhundert die Moltebeere „kriechende Himbeere“, eben weil sie der Form wegen unserer Himbeere ähnelt und weil man sich nach ihr bücken muss. Zwischen den Breitengraden 78 und 54 kann man sie finden: in ganz Lappland, also auch in Norwegen und Finnland, aber auch auf Grönland und in Kanada, sogar in den schottischen Hochmooren und anderswo, wo das Klima stimmt.

    Die Ausbeute der Suche - ein bunter Beerenteller .
    Die Ausbeute der Suche - ein bunter Beerenteller . Foto: Inge Ahrens

    Erst grün, dann rot, dann gelb: Sobald sich die äußeren Blütenblätter weggerollt haben, ist das Früchtchen reif und muss mit gefühlvoller Hand geerntet werden. Das Wort Molte kommt nämlich von „schmelzen“, denn die Moltebeeren haben nicht nur eine feine Säure, sondern auch viel Saft. Das schmeckt himmlisch in einer Torte mit vielen Eiern und ordentlich Creme fraiche, deren Rezept man in einem Norwegen-Backbuch findet (Rezept und Buch siehe unten). Abgesehen vom Genuss sieht die Torte mit ihrer gebräunten Baiserhaube auch noch toll aus.

    Die nordischen Kochbücher sind in den letzten Jahren immer mehr geworden. Zurück zur Natur, spricht es aus den Seiten und Rezepten. Alle haben sie dieses Erdige, Gesunde und basieren viel auf selbst Geerntetem. Saisonal zu kochen war immer überlebenswichtig. Es ist noch heute selbstverständlich. Die Rezepte machen Mut, im Herbst zur Lese in egal welche Landschaft zu spazieren.

    Aus Moltebeeren lassen sich Essig oder Marmelade machen

    In den meisten Nordländern enden die Moltebeeren im Kompott und werden so gern zu heißen Waffeln gereicht, oder sie werden flugs eingefroren. Man kann auch feinen Essig daraus machen, fruchtige Marmelade, heilenden Tee aus ihren Blättern fabrizieren oder Likör ansetzen, wie es die findigen Finnen gern tun. Dabei bilden die Moltebeeren Ende Juli, wenn die Nächte noch hell sind, nur den Auftakt für die nordische Beerensaison. Mal abgesehen von den Walderdbeeren, die man schon im Juni finden kann.

    Manchmal sind mit den Moltebeeren auch schon die winzigen durch und durch blauen Blaubeeren reif, die jeden Kuchen zieren und ganz toll schmecken, nicht so wässrig wie die bei uns überall angebotenen Gartenblaubeeren. Am besten, man nimmt gleich zwei Eimer mit auf die Pirsch. Es folgen die Preiselbeeren bis in den September hinein. Besonders köstlich schmecken die auf einem Buchweizen-Biskuitboden mit einer Decke aus viel Schlagsahne. Und die Moosbeeren kann man auch im Oktober noch ernten. Was vergessen? Bestimmt.

    Blaubeere, Preiselbeere, Moosbeere, Ackerbeere, Schwarze Krähenbeere - etwas vergessen?

    Da wäre die rote leicht säuerliche Moosbeere, auch als Rauschbeere bezeichnet. Sie kann bei zu großem Verzehr als Folge einer kleinen Vergiftung schon mal zu rauschartiger Erregung führen, so heißt es. In Maßen genossen, schmeckt sie gut zu Wild und anderem Fleisch. Im September/Oktober ist auch die Ackerbeere so weit, auch als arktische Brombeere bezeichnet. Sie ist leicht zu finden, weil sie am Waldrand wächst. Nicht so viele Abnehmer hat die Schwarze Krähenbeere, obwohl sie noch viel mehr Vitamine bietet als die Blaubeere. Mit ihrem Saft wurden früher Stoffe gefärbt. Kenner machen daraus einen Cocktail.

    Ja, und auch die Vogelbeeren der Eberesche kann man ernten, sie zu Schnaps brennen oder für einen außergewöhnlichen Senf verwenden. Mal was anderes. Aber was macht man sonst noch mit all den Beeren? Ab ins Müsli, frisch oder aufgetaut, zu Konfitüre oder Chutney gerührt oder als Vitaminbombe für einen köstlichen Kuchen verwenden, wie eine mit Gin beschwipste Heidelbeer-Brombeer-Torte.

    Als festlicher Nachtisch empfiehlt sich eine Waldroulade mit Nüssen sowie getrockneten und zerstoßenen Wacholderbeeren, Heidelbeeren und Preiselbeeren, eben das was der Tiefkühler in der Adventszeit von der Herbsternte so hergibt. Die Roulade (Rezept S. 197) ist eine Ode an den Herbstwald, wenn der sumpfige Erntegrund Lapplands längst mit herabgefallenen Blättern und Rentierflechte bedeckt ist. Im Wald ist dann Ruh und der Einheimische freut sich über die getane Ernte einen ganzen Winter lang.

    Bei aller Vielfalt - die Moltebeere bleibt der Star unter den nordischen Beeren.

    Bei aller Vielfalt: Die Moltebeere ist und bleibt der Star unter den nordischen Beeren. Sie ist auch die teuerste, weil ihr Einbringen recht mühsam ist. Sie ziert sogar die finnische 2-Euro-Münze. In Schweden, wo Traditionen geachtet und hochgehalten werden, fanden die Beeren auch schon auf Tabletts und Küchentüchern Eingang ins heimische Design. Die Moltebeere ist eben eine ganz und gar nordische Schönheit und darum das Wahrzeichen Lapplands, das mit den Rosengewächsen und Himbeeren verwandt ist.

    Und kommt die goldne Herbsteszeit, dann reifen die Beeren weit und breit... frei nach Theodor Fontanes 1889 geschriebener Ballade vom Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, in der es allerdings um Birnen geht. Die Landschaft Schwedisch Lapplands jedenfalls ist bis in den Oktober hinein wie ein gedeckter Tisch. Danach sind die Moorschneehühner, Auerhähne und Elche wieder unter sich. Spätestens dann kommt mit dem Polarwinter eine lange Zeit mit Schnee und Eis, und die Kräuter- und Beerentriebe ruhen wie in einer gekühlten Speisekammer. Bis im späten Frühling und im aufkommenden Sommer die weiße Decke über der Landschaft schmilzt und unter der Mitternachtssonne alles erneut zu explodieren scheint.

    Bei diesem Kuchen liegen die „Moltebeeren im Himmelbett“.
    Bei diesem Kuchen liegen die „Moltebeeren im Himmelbett“. Foto: Nevada Berg

    Rezept Moltebeerkuchen mit Baiser

    Multer i himmelseng bedeutet übersetzt »Moltebeeren im Himmelbett«, was diesen Kuchen mit Pudding, Baiser und frischen Moltebeeren in der Tat perfekt umschreibt.

    Zutaten: ❖ FÜR DEN TEIG: leicht gesalzene Butter zum Einfetten 3 große Eier, raumtemperiert 100 g Zucker 120 g Weizenmehl Type 405 ½ TL Backpulver ❖ FÜR DEN PUDDING 2 EL Zucker 3 große Eigelb, raumtemperiert 1½ TL Speisestärke 200 g Crème fraîche 1 TL Vanilleextrakt ❖ FÜR DAS BAISER 3 große Eiweiß, raumtemperiert 150 g Zucker ❖ AUSSERDEM 125 g Moltebeeren oder gelbe Himbeeren

    Für den Teig den Backofen auf 165°C vorheizen. Aus Backpapier einen Kreis ausschneiden, der den Boden einer Springform (Ø 23 cm) exakt ausfüllt. Die Form mit Butter einfetten, das Backpapier einlegen und ebenfalls einbuttern. Eier und Zucker in einer Rührmaschine mit dem Schneebesen auf mittlerer bis hoher Stufe in etwa 5 Minuten luftig aufschlagen. Mehl und Backpulver über den Teig sieben und mit einem Teigschaber behutsam unterheben. Den Teig in die Form füllen und im Ofen in 20–25 Minuten goldbraun backen. In der Form auskühlen lassen und die Ofentemperatur auf 200°C erhöhen.

    Für den Pudding Zucker und Eigelb in einer großen Schüssel verquirlen. Die Speisestärke zufügen und alles zu einer dicken Masse aufschlagen. Crème fraîche und Vanilleextrakt in einem mittelgroßen Topf auf kleiner Stufe erhitzen und vom Herd nehmen, wenn die Mischung fast köchelt. Die Mischung unter ständigem Rühren langsam in die Eimasse gießen, damit diese nicht gerinnt. Zurück in den Topf geben und bei mittlerer Hitze unter ständigem Rühren köcheln lassen, bis der Pudding eindickt. Beiseitestellen und abkühlen lassen.

    Für das Baiser das Eiweiß in einer Rührmaschine mit dem Schneebesen auf mittlerer Stufe steif schlagen, dabei den Zucker langsam einrieseln lassen. Den Pudding bis zum Rand auf dem Boden in der Form verstreichen und die Beeren darüberstreuen. Das Baiser vorsichtig mit einem Teigspatel auf den Beeren verteilen, dabei mit schwingenden Bewegungen ein Wellenmuster kreieren. Den Kuchen etwa 15 Minuten im Ofen backen, bis das Baiser leicht gebräunt ist. Vor dem Servieren in der Form vollständig auskühlen lassen. Reste halten sich abgedeckt bis zu 3 Tage im Kühlschrank.

    Das Rezept stammt aus „Das Norwegen Backbuch“ von Nevada Berg, preisgekrönte Foodbloggerin, und ist erschienen im Prestelverlag (256 Seiten, 32 Euro).

    Das Norwegen-Backbuch von Nevada Berg
    Das Norwegen-Backbuch von Nevada Berg
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