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Mit Stift oder Tastatur: Wie wir uns Geschriebenes besser merken

Gedächtnis

Mit Stift oder Tastatur? Wie wir uns Geschriebenes am besten merken

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    Wie wir Texte schreiben, hat sich grundlegend verändert. Das hat Auswirkungen auf unser Gehirn.
    Wie wir Texte schreiben, hat sich grundlegend verändert. Das hat Auswirkungen auf unser Gehirn. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Jedes Kind lernt in der Schule, mit Stift und Papier zu schreiben. Später im Leben gewinnt das Tippen auf Tastaturen und Touchpads an Bedeutung. Rein mengenmäßig dürfte bei vielen Menschen das digitale Schreiben das Handschriftliche schon überholt haben. Das ist erst mal nicht schlimm, solange man beide Techniken sicher beherrscht. Schließlich haben beide Schreibarten Vorzüge.

    So können am Computer geschriebene Texte einfacher bearbeitet werden, viele Menschen sind auf Tastaturen wesentlich schneller, auch das Speichern und Verwalten ist einfach. Handgeschriebenes scheint hingegen die Nase vorn zu haben, wenn sich Menschen beispielsweise bei einem Vortrag oder einem Meeting Notizen machen.

    So präsentierten die norwegischen Neurowissenschaftler Audrey van der Meer und Ruud van der Weel Hinweise darauf, dass das Schreiben per Hand in solchen Situationen das Lernen fördert. Sie hatten 36 Studierenden Wörter auf einem Bildschirm gezeigt. Anschließend sollten die Teilnehmenden die Wörter mit einem Stift in Schreibschrift aufschreiben oder mit einem Finger in eine Tastatur tippen.

    Wer per Hand mitschreibt, kann sich Informationen besser merken

    Während des Experiments wurde die elektrische Aktivität im Gehirn gemessen, wie das Forschungsteam von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim im Fachblatt Frontiers in Psychology schreibt. Demnach riefen die Handbewegungen mit einem Stift aktivere Verknüpfungen zwischen bestimmten Hirnregionen hervor.

    Aus früheren Studien wisse man, dass die Verknüpfungsmuster entscheidend für die Gedächtnisbildung und die Informationsverarbeitung seien, und daher für das Lernen von Vorteil. Van der Meer fasst zusammen: „Es gibt einige Hinweise darauf, dass Studierende mehr lernen und sich besser erinnern, wenn sie handschriftliche Notizen zu Vorlesungen machen, während die Verwendung eines Computers mit einer Tastatur möglicherweise praktischer ist, wenn sie einen langen Text oder Aufsatz schreiben.“

    Am Computer schreiben Menschen eher wortwörtlich mit

    Ein US-Forschungsteam zeigte bereits vor zehn Jahren, dass handschriftliche Notizen Lernvorteile bringen können. Allerdings nennen sie dafür andere Gründe. So ließen sie Studierende fünfminütige Videos schauen. Dabei sollten sie sich entweder am Laptop oder handschriftlich Notizen machen. Etwa eine halbe Stunde später sollten sie Fragen zu dem kurzen Film beantworten. Insbesondere bei Verständnisfragen schnitten die Studierenden mit handschriftlichen Notizen deutlich besser ab.

    Viele tippen inzwischen lieber auf der Tastatur. Ob bei Erwachsenen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte das Schreiben mit der Hand tatsächlich weniger geworden ist, ist allerdings unklar.
    Viele tippen inzwischen lieber auf der Tastatur. Ob bei Erwachsenen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte das Schreiben mit der Hand tatsächlich weniger geworden ist, ist allerdings unklar. Foto: Andreas Gebert dpa

    Die Gruppe um Daniel Oppenheimer, mittlerweile an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh tätig, sieht den Grund darin, dass die am Computer tippenden Teilnehmenden mehr dazu tendierten, wortwörtlich mitzuschreiben. Das würde Lernprozesse behindern, denn Informationen würden weniger verarbeitet und weniger in eigene Worte gefasst, als wenn man sich nur Stichpunkte notiert.

    Grundsätzlich sei der Schreibprozess ein komplexer Vorgang, erklärt Necle Bulut, Sprachdidaktikerin an der Universität Münster, die zu Hand- und Tastaturschreiben forscht. Sie geht davon, dass Menschen sich mit Blick auf die Schreibart für den effizientesten Weg entscheiden. „Wenn das Handschreiben zu besseren Lernergebnissen führt, wird der Mensch darauf zurückgreifen.“

    Mit Hilfe von Sprachnachrichten lässt sich das manuelle Schreiben ganz vermeiden

    Unklar ist deutschen Expertinnen zufolge, ob bei Erwachsenen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte das Schreiben mit der Hand weniger geworden ist. Insgesamt wird aber möglicherweise mehr geschrieben, schließlich werden Unmengen an Textnachrichten verschickt. „Chats ersetzen heute weitgehend Telefonate“, sagt Nadine Anskeit, die an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe das Institut für deutsche Sprache und Literatur leitet.

    Sprachnachricht wird auf ein Smartphone gesprochen. Oft muss man gar nichts mehr schreiben, um sich mitzuteilen.
    Sprachnachricht wird auf ein Smartphone gesprochen. Oft muss man gar nichts mehr schreiben, um sich mitzuteilen. Foto: Karl-josef Hildenbrand

    Oft lässt sich das manuelle Schreiben ganz vermeiden. So hat jedes Smartphone mittlerweile eine Diktieroption, sodass man Nachrichten einsprechen kann. KI-gestützte Apps und Programme verschriftlichen auch Audioaufnahmen verlässlich. Noch einen Schritt weiter gehen Anwendungen, die auf Wunsch das Besprochene knapp zusammenfassen.

    Solche KI-generierten Zusammenfassungen könnten helfen, wenn man sich in einem Gespräch oder einem Vortrag voll aufs Zuhören konzentrieren will, sagt Expertin Anskeit. Es sei aber wichtig, sich mit den Angeboten kritisch auseinanderzusetzen. So könnten die KI-Hilfsmittel dazu verleiten, gedanklich abzuschweifen. Macht man sich eigene Notizen, zwingt das zum Zuhören. Grundsätzlich gelte: „Das Lernen selbst kann man nicht durch KI ersetzen.“ Dass Handnotizen aufgrund der digitalen Möglichkeiten irgendwann keine Rolle mehr spielen, glaubt Anskeit nicht. „Die sterben nicht so schnell aus.“ (Valentin Frimmer)

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