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Michi Beck von Fanta Vier: Neues Ablbum könnte das letzte sein

Interview

Michi Beck von Fanta Vier: „Das könnte unser letztes Album sein“

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    Der Musiker Michi Beck der Band «Die Fantastischen Vier» bei einem Auftritt.
    Der Musiker Michi Beck der Band «Die Fantastischen Vier» bei einem Auftritt. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Michi Beck, Ihre Töchter sind 17 und zwölf Jahre alt. Was halten die Mädchen vom neuen Album?
    MICHI BECK : Sie sind nicht mehr so krasse Fanta-Vier-Fans wie noch bei der letzten Platte, aber die ist ja auch sechs Jahre her. Im Moment hören sie eher ihr eigenen Sachen - Ariana Grande, oder junge Rapper wie Lucio 101 oder Reezy zum Beispiel. Ich bin aber auch gar nicht so ein Vorspieler wie Smudo oder Thomas, die ihren Familien unsere neue Musik immer gleich präsentieren. Ich warte lieber, bis die Kinder von selber neugierig werden. Ich zwänge ihnen nichts auf.

    In jedem Fall gibt es auf „Long Player“ für jedes Alter viel zu entdecken. Die neuen Songs klingen frisch und doch gleichzeitig ein bisschen Oldschool.
    BECK : Unser Ziel war es, einfach ‚real‘ zu sein, also echt und glaubwürdig. Wir wollten ein Album machen, das in erster Linie uns gefällt und in dem wir uns wiederfinden. Natürlich in der Hoffnung, damit Gleichgesinnte zu finden. Es sind also natürlich Elemente aus dem zeitgenössischen Hip-Hop und der modernen Popmusik drin, trotzdem steht „Long Player“ den Sounds der neunziger Jahre näher als dem, was aktuell so im Rap passiert.

    Seit eurem letzten Album „Captain Fantastic“ sind sechs Jahre vergangen. Wie schwer fällt es denn den Fantastischen Vier noch neue, musikalische Facetten hinzuzufügen?
    BECK: „Long Player“ ist das Ergebnis einer sehr langen Schwangerschaft und einer komplizierten Geburt. Auch dieses Mal haben wir wieder mit ersten Fragmenten und Ideen angefangen, die so ein bisschen den Beginn einer neuen Produktion kennzeichnen. Aber das fühlte sich noch nicht so an wie „Wir machen ein neues Album“. Mit der gezielten Arbeit an der Platte haben wir vor ungefähr drei Jahren losgelegt. Eines der ersten Stücke war „Wiedersehen“, das schon während der Corona-Pandemie entstand und sich mit Angstzuständen befasst. Vor einem halben Jahr haben wir die Strophen, die während der Lockdown-Zeit entstanden, komplett überarbeitet und den Refrain über Bord geworfen, den nun unser Freund Seven aus der Schweiz singt.

    Wie muss man sich diese Angstzustände vorstellen?
    BECK : Kurz bevor es mit Corona losging, haben wir Ende 2019 mit der ganzen Familie ein Sabbatical in Spanien gestartet. Dort war der Lockdown viel krasser als in Deutschland. Die Kinder durften praktisch das Grundstück gar nicht mehr verlassen. Da beschäftigt man sich natürlich mit Ungewissheiten und Ängsten. Auch „Weekendfeeling“, das sich mit dem Bedürfnis beschäftigt, wieder feiern zu gehen, ist in dieser Zeit entstanden. Mehr aber auch nicht. Wir haben gemerkt, dass wir nicht die Band sind, die ein Album über Beklemmungen schreiben wollte. Wir sind einfach keine introvertierten Künstlertypen, die sich ein halbes Jahr wegschließen und mit was Tollem wieder rauskommen. Wir müssen rausgehen, das Leben leben, um darüber schreiben zu können.

    „Runter von der Couch, wir bauen für die Kinder was auf“, heißt es in „Weekendfeeling“. Auch „44 Tausend“ handelt von der Euphorie, die ein Konzert in Euch auslöst. Und tatsächlich wart Ihr in den vergangenen Jahren sehr ausgiebig auf Tour, und im Dezember geht es schon wieder los. Sind die Fantastischen Vier vielleicht so ein bisschen livespielsüchtig?
    BECK : Um ehrlich zu sein: Ja. Die Freude, live auf der Bühne zu stehen, ist einfach extrem greifbar und mit nichts zu vergleichen. Allerdings könnten wir es uns nicht vorstellen, eine reine Tingelband zu sein, die nur noch mit den größten Hits auf Tour geht. Es treibt uns schon an, auch neue Lieder live zu spielen. Das ist das Allerschönste. Und es dient auch unserem Broterwerb. So viele Streams, um mit neuer Musik signifikant Geld zu verdienen, werden wir wohl nie erreichen.

    Erreicht Ihr denn auch noch neue Leute?
    BECK : Bei unseren Shows im Sommer haben wir immer gefragt, wer uns denn zum ersten Mal sieht. Und da waren jedes Mal rund die Hälfte der Arme oben, was uns positiv schockiert hat. Wir fragten uns „Wie kann uns jemand nach so langer Zeit zum ersten Mal sehen?“.

    Und?
    BECK : Ich denke, dass viele Kids durch „The Voice Of Germany“ zu uns gestoßen sind, wo Smudo und ich schon ziemlich lange in der Jury sitzen. Aber es waren tatsächlich auch viele Leute jenseits der vierzig das erste Mal da. Das hat uns motiviert, unsere Geschichte in „5 Zimmer mit Bad“ auf Tonträger festzuhalten. Weil wir auch wirklich stolz darauf sind, wie lange wir das schon machen.

    1991 kam das erste Album raus, 1992 der Superhit „Die da!?!“.
    BECK : Wir waren die erste Band, die ein vollständiges deutschsprachiges Hip-Hop-Album rausgebracht hat, 1991 mit „Jetzt geht’s ab“. Gerade für alle, die neu auf uns aufmerksam geworden sind, fanden wir es wert, das mal zu erzählen. „5 Zimmer mit Bad“ ist so ein bisschen das Manifest unserer Bandgeschichte.

    Wie lange wollt Ihr noch weitermachen?
    BECK : Mit jeder Platte kommen wir der Möglichkeit näher, dass es unsere letzte ist. Man muss vorsichtig sein mit solchen Aussagen und wir sind nicht so drauf wie Howard Carpendale, der vier Abschiedstourneen nacheinander macht. Wenn wir so etwas entscheiden sollten, dann wollen wir uns hundertprozentig sicher sein.

    Was heißt das konkret?
    BECK : Es könnte sehr gut sein, dass „Long Player“ unser letztes Album sein wird.

    Sicher?
    BECK : Nein. Ich habe auch vor 28 Jahren gesagt, dass ich mit 30 nicht mehr auf der Bühne stehen werde. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich behaupten will, ich werde mit über 60 nicht mehr auf der Bühne stehen. Ich werde im Dezember 57 und ich will mich nicht später Lügen strafen lassen.

    Ist man irgendwann einfach zu alt, um noch aufzuhören?
    BECK : Ja, genauso ist es. Irgendwann ist es zu spät. Die Alternativen werden halt auch weniger.

    Wann kam dieses Gefühl, dass es nicht mehr lohnt, Schluss zu machen, zum ersten Mal auf?
    BECK : Bei mir war das vor mehr als zehn Jahren, als Smudo und ich dieses Thema bei einem Treffen mit unserem Manager Bär ansprachen. Wir hatten dieses Gefühl thematisiert, aber dann gemerkt, dass wir voreilig waren. Ein halbes Jahr später hatten wir dann auch wieder Bock und fingen wieder an, neue Musik zu produzieren. 

    „Wir gehen dem Ende entgegen“, rappt Thomas in „Inferno“. Ganz loslassen könnt ihr das Thema wohl nicht.
    BECK : Klar, das kommt immer wieder mal auf. Wobei sich dieser Song mehr damit beschäftigt, dass es anfängt, dass wir Leute aus unserem Bekanntenkreis für immer verabschieden müssen. Das ist eher ein Lied, dass sich mit dem Leben an sich befasst.

    Als „Best friends for Life“ bezeichnet Smudo euch in „5 Zimmer mit Bad“. Was macht diese Freundschaft so besonders?
    BECK : Es ist wirklich so, dass unsere Beziehung über so ein „Man trifft sich und freut sich zu sehen“ hinausgeht. Das ist eher auf so eine Familienebene gerutscht. Die Familien, aus denen wir stammen, haben wir mit 18, 19 verlassen. Die Familien, die wir gegründet haben, die gibt es auch schon lange, aber eben nicht so lange wie es uns vier gibt. Wir teilen einfach wahnsinnig viel miteinander, wir kennen uns in- und auswendig.

    Ihr wart schon als Jungs zusammen, heute seid ihr gestandene Männer.
    BECK : Trotzdem hat sich gar nicht so viel geändert. Wir sind gemeinsam durch diese Lebensveränderung gegangen, vom Durchschnittsmittelschichtsteenie zum Popstar – das hat uns zusammengeschweißt. Ach, und dieser komische Pennälerhumor, den wir immer schon pflegen, der ist auch immer noch derselbe wie früher. Wir machen oft so Witze, bei denen wir denken, das sind jetzt die lustigsten Witze der Welt. Aber es kann gut sein, dass nur wir vier so empfinden.

    Können Sie sich ein Leben ohne die anderen Fantas überhaupt vorstellen?
    BECK : Nein! Selbst wenn wir beschlössen, dass wir nicht mehr auf Tour oder ins Studio gehen würden, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, die anderen nicht mehr ab und zu treffen zu wollen (grinst).

    Der sehr ruhige, auch traurige Song „Fliegen“ fällt auf diesem überwiegend sehr positiven und gutgelaunten Album aus dem Rahmen. Sie singen den Text, in dem es um das Zerbröseln einer langen Beziehung und die Folgen für die ganze Familie geht, allein. Möchten Sie mehr dazu sagen?
    BECK : Nein, nicht wirklich. Nur, dass „Fliegen“ ein sehr, sehr persönlicher Song ist. Mein Ziel ist eher, dass sich jemand in diesem Lied wiederfindet – so wie das schon Mitte der Neunziger bei „Sie ist weg“ der Fall war. Allerdings empfinde ich „Fliegen“ als deutlich tiefer. Alles weitere bleibt dem Interpretationsspielraum jedes einzelnen überlassen.

    Für aktuelle Pop- und Rapmusik ist das Stück jedenfalls hochkomplex und anspruchsvoll.
    BECK : Wir sind Meister im Beleuchten der Zwischenräume. Wir reden davon, dass das Leben schwierig ist, aber auch irgendwie geil. Ohne das werten zu wollen, aber Oberflächlichkeiten und Songs über Partys, schnellen Sex und das Äußere überlassen wir gerne anderen.

    Aber handelt „Wie weit“ nicht davon, was ihr zu tun bereit wärt, um euer Erscheinungsbild aufzupeppen? Das Video, wo ihr euch in einer Schönheitsklinik aus der Hölle behandeln lasst, ist extrem lustig aber auch verstörend.
    BECK : Der Song selbst ist eher eine erwachsene Liebesgeschichte über jemanden, der schon zwei, drei Beziehungen hinter sich hat. Der Clip ist natürlich sehr überzeichnet und unsere Charaktere sind überspitzt dargestellt. Wir stellen die für uns relevante Frage, wie weit wir gehen, um jung zu bleiben, um weiter mitzuspielen. Wir sind mit Mitte 50 halt die Dinosaurier innerhalb dieser Jugendkultur, die nach wie vor die wohl relevanteste von allen ist. Aber keine Angst, niemand von uns hat vor, an sich herumschnippeln zu lassen (lacht).

    „Sollte es uns irgendwann nicht mehr geben, werden unsere Lieder uns wiederbeleben“, heißt es im Titelsong. Wäre so eine Avatar-Show wie „Abba Voyage“ was für euch?
    BECK : Die gibt es ja schon, das machen ja jetzt Abba. Wir sind sehr technikaffin und immer an Innovationen interessiert. Aber mal sehen. Aktuell ist nichts geplant. Bis auf Weiteres gibt es uns noch in Fleisch und Blut zu erleben.

    Zur Person Der deutsche Musiker Michael ‘Michi‘ Beck, geboren am 11. Dezember 1967 in Stuttgart, ist ein Viertel der Hip-Hop-Band „Die Fantastischen Vier‘“. Zusammen mit Smudo, Thomas D. und Andreas Rieke gelang ihm 1992 mit dem Song ‘Die da!?!‘ der Durchbruch. Beck ist auch Solo unterwegs, feierte unter anderem mit seinem Album „Weltweit“ Erfolge. Seit 2014 ist er zusammen mit Smudo Coach bei der Sendung "The Voice of Germany". Michi Beck ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Töchtern in Berlin. Gerade eben ist das neue Album, „Long Player“ von „Fanta vier“ erschienen.

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