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Merz vs. Kinderbuchautoren: Was soll dieser Kulturkampf?

Zeitzeichen

Ne, nicht okay! Friedrich Merz diskreditiert Kinderbuchautoren

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    Nichts, wofür man sich verstecken muss: Die Kinderbuchautoren und -autorinnen zeigen auf der Frankfurter Buchmesse Flagge.
    Nichts, wofür man sich verstecken muss: Die Kinderbuchautoren und -autorinnen zeigen auf der Frankfurter Buchmesse Flagge. Foto: Birgit Müller-Bardorff

    Er hat es schon wieder gemacht. Friedrich Merz. Nach den Klempnern waren nun die Kinderbuchautoren dran. Masche oder Muster, dass der designierte Kanzlerkandidat der Union ganze Berufsstände in Misskredit zu bringen versucht? Nachdem er vor fast einem Jahr im Bundestag Olaf Scholz als „Klempner der Macht“ bezeichnet und damit die Sanitärbranche auf die Barrikaden gebracht hatte, ist inzwischen die Zunft der Kinderbuchschreibenden dran. Beim Parteitag der nordrhein-westfälischen CDU sagte er: „Der Robert Habeck ist Kinderbuchautor, okay. Ich bin Jurist. Hoffentlich auch okay. Aber uns beide verbindet eines: Wir haben von Technologie beide keine Ahnung.“

    Frankfurter Buchmesse: Kinderbuchautoren setzen Zeichen

    Ne, gar nicht okay, finden nun viele Menschen im Lande, die diese Geringschätzung derer, die sich um den Lesestoff für Kinder und Jugendliche kümmern, nicht hinnehmen wollen. Auf der Buchmesse in Frankfurt zeigen sie derzeit Flagge und eilen mit gut sichtbarem Aufkleber durch die Hallen. „Ich bin Kinderbuchautor“ - wahlweise natürlich auch Kinderbuchautorin - steht weiß auf rotem Grund zu lesen. Initiiert hat dies in den Sozialen Medien Christine Paxmann mit ihrer Fachzeitschrift Eselsohr und damit eine Welle an Sympathie- und Solidaritätsbekundungen losgetreten. „Wir wollen auf diesen Satz mit einem Statement antworten: Brust raus, Kopf hoch, hier stehen wir, die Kinderbuchautor:innnen im deutschsprachigen Raum. Wir sind wer.“

    Über 5000 Likes hat dieser Aufruf auf Instagram mittlerweile, renommierte Namen wie Kirsten Boie, Marc-Uwe Kling, Silke Schlichtmann, Jutta Bauer, Daniela Kulot sind mit dabei. „Wir sind nicht Taylor Swift, aber vielleicht auf einem guten Weg dahin“, sagt Paxmann durchaus mit Sinn für Selbstironie.

    Aber halt: War da nicht jener Post der Pop-Lady, in dem sie sich im Rennen um die Präsidentschaft in den USA für Kamala Harris positionierte? Schon kursieren in den Sozialen Medien auch Sätze wie dieser: „Ich hoffe, niemand, der Bücher/Literatur liebt und weiß, wie viel Arbeit, Kreativität, Recherchearbeit und Disziplin darin steckt, wird jemals CDU wählen.“ Wenn da nicht nur die geballte Kinderbuch-Autorenschaft, sondern auch jene, die es von eminenter Bedeutung halten, dass Kinder lesen und vorgelesen bekommen, zusammenstehen, könnte es eng werden für einen zukünftigen Kanzler Merz.

    „Habeck ist Kinderbuchautor. Okay.“ – meinte Merz das lustig?

    Ob Friedrich Merz es lustig gemeint hat? Denn er hätte natürlich auch sagen können, und das wäre ja die folgerichtige Entsprechung zur Eigencharakterisierung „Jurist“ gewesen: „Robert Habeck ist Literaturwissenschaftler....“ Auch damit hätte er ja die fehlende Technik-Affinität, um die es ihm ging, zum Ausdruck bringen können. Oder auch denkbar, und damit dann durchaus Humor zeigend: „Robert Habeck ist Kinderbuchautor. Okay. Ich bin ehemaliger Aufsichtsratschef eines Investment-Giganten. Hoffentlich auch okay......“. Da hätte dann vielleicht manch anderer, der um den Ruf von Blackrock in puncto Greenwashing weiß, „ne, nicht okay“ gerufen.

    Mit seinem Vergleich hat sich Friedrich Merz nun in schlechte Gesellschaft begeben und direkt angedockt an die Polemik von AfD-Politikern und -Sympathisanten. Leif-Erik Holm, der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei wird nicht müde, in seinen öffentlichen Auftritten vom „Kinderbuchautor Habeck“ zu sprechen und auch das rechtsorientierte Portal „Nius“ gefällt sich sehr darin, den Wirtschaftsminister auf diese Weise zu diskreditieren als einen, der inkompetent ist. Denn transportiert wird im Subtext mit diesem Begriff, dass da einer ist, der sich mit Kinderkram abgegeben hat, und deshalb wenig von der Komplexität der Welt begreift; einer der Geschichten erzählt, vielleicht ja auch von der ökologischen Transformation der Gesellschaft; einer, der Fantasie hat, aber nicht viel Ahnung von der harten Realität.

    Völlig außer Acht gelassen wird dabei, dass es auch in der Politik mitnichten nur darum geht, Faktenlagen zu bewerten (dafür hat jeder Minister und Kanzler schließlich auch seine Experten im Hintergrund), sondern auch darum, Stimmungen und Befindlichkeiten der Menschen aufzunehmen und zu bewerten. Habecks Rede zum Nahostkonflikt und zum Antisemitismus in Deutschland ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel.

    Astrid Lindgren und Erich Kästner stehen für die Kraft des Kinderbuchs

    Ganz grundsätzlich stellt sich aber natürlich auch die Frage, warum gerade der Begriff „Kinderbuch-Autor“ solches Schmähpotenzial hat. An Schriftsteller wie Astrid Lindgren und Erich Kästner oder, um auch neuere zu nennen, wie Paul Maar, Andreas Steinhöfel und Stefanie Höfler kann dabei keiner gedacht haben. Ganz abgesehen davon, dass Robert Habeck (zusammen mit seiner Frau Andrea Paluch) ja auch Jugendbücher geschrieben hat und sein zuletzt veröffentlichtes Buch den Titel „Von hier an anders: Eine politische Skizze“ trug und sich an eine erwachsene Leserschaft wandte. Wundert sich noch einer, warum es um die Lesefähigkeit und -lust junger Menschen so schlecht bestellt ist, wenn den Schöpfern der Kinder- und Jugendliteratur so wenig Achtung und Wertschätzung entgegengebracht wird? Mit Geld umzugehen, wissen die meisten von ihnen übrigens ziemlich genau, denn - auch das gehört in diesen Kontext - verdienen lässt sich mit Büchern für „die Kleinen“ längst nicht so viel wie mit Belletristik für Erwachsene.

    Es zeugt also durchaus von einem abfälligen Blick auf diejenigen, die Kindern Geschichten erzählen, die sie erfreuen, ihren Blick auf die Welt prägen und ihre Persönlichkeit formen, wenn das Wort „Kinderbuchautor“ in jener despektierlichen Manier verwendet wird. Und verrät einiges darüber, wie auf Kunst, Kultur und Literatur herabgeblickt wird.

    Auch der Bestseller-Autor Saša Stanišić schreibt Kinderbücher

    Ein Satz, der zu vielen Gelegenheiten passt, hier aber ganz besonders, ist jener von Astrid Lindgren, den sie in ihrer Dankesrede für den Hans-Christian-Andersen-Preis sprach: „Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt zum großen Teil vom Maß der Einbildungskraft jener ab, die heute lesen lernen. Deshalb brauchen die Kinder Bücher“. Und Autoren, die diese schreiben, denn selten beginnen Lesekarrieren mit den Büchern von Daniel Kehlmann, Terézia Mora, Daniela Krien oder Saša Stanišić (außer es sind seine hervorragenden Kinderbücher). Am 15. November ist wieder bundesweiter Vorlesetag, zu dessen Programm auch gehört, dass prominente Menschen Kindern vorlesen. Ob das nicht eine gute Gelegenheit für Friedrich Merz wäre, sich von der Bedeutung von Kinderbuchautoren und -autorinnen zu überzeugen?

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    9 Kommentare
    Peter Zimmermann

    Vielen Dank für einen solchen differenziert betrachtenden Artikel.

    Martin Dünzl

    "Mit seinem Vergleich hat sich Friedrich Merz nun in schlechte Gesellschaft begeben und direkt angedockt an die Polemik von AfD-Politikern und -Sympathisanten." - das ist ein häufig wiederkehrendes Muster sowohl von Merz als auch Söder...Beispiele gibts dafür genug...dieses Niveau scheint aber deren Stammtisch-Klientel nicht weiter zu stören.

    Maria Reichenauer

    Wer Kinderbücher schreibt, muss richtig gut sein. Denn Kinder sehen oft sehr viel klarer als Erwachsene - sie legen stets den Finger auf die Wunde, wenn in einem Buch etwas unlogisch ist. Und das ist gut so. Man denke nur an "Des Kaisers neue Kleider". Entweder Merz war nie Kind oder er kann sich nicht daran erinnern – oder er hat schon immer die Börsennachrichten studiert. Das würde möglicherweise erklären, warum er Kinderbücher abfällig behandelt. Man sollte ihm zu Weihnachten ein paar Kinderbücher auf den Gabentisch legen – vielleicht hat er etwas nachzuholen. Für Söder würde ich "Pinocchio" dazulegen, als Warnung für fortgesetzte Unwahrheiten über die Grünen.

    Marianne Böhm

    Man muss aber schon sagen dass wenn Habeck spricht, man meinen könnte er spricht zu Kindern. Er versucht immer seine Ansicht, Vorstellung mit einfachen Worten anzubringen, die jedes mal leider total an der Umsetzung und an der Realität scheitern. Und alles muss teuer sein, was keine enormen Kosten verursacht hat keinen Wert. Bei wenigen Politikern hat man heute noch den Verdacht dass sie wirklich wissen von was sie sprechen, da ist der Egoismus, Narzissmus vordergründig, sie lassen sich von niemanden, ob von Wissenschaftlern usw. etwas sagen. Man kann von Politikern leider nur Schmarrn hören und in der Wahlkampfperiode ist ihnen keine Lüge, Unflätigkeit zu schade.. Wenn die Schäfer dümmer sind wie ihre Schäfchen dann kommt so was raus, es kann diese Damen und Herren einfach keiner mehr ernst nehmen.. Jetzt werden in den Medien die Grünen wieder über alles gelobt.. Sie werden wieder aus ihrer Schmuddelecke rausgeholt und kriegen ihr Klima, Weltretter Krönchen auf.... !

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    Marianne Böhm

    nicht wissen von was sie sprechen..

    Maria Reichenauer

    Doch, die Grünen wissen sehr wohl von was sie sprechen. Nur die Schäfchen haben nicht verstanden, dass sie sich selbst das Wasser abgraben, indem sie zum Beispiel den Demagogen von rechts mehr glauben als angesehenen Wissenschaftlern.

    Wolfgang Schwank

    Entscheidend ist doch, dass der Kinderbuchautor Habeck hoffentlich intelligentere, dem Verständnis der Zielgruppe angemessenere Bücher schreibt als er Politik macht. Bei der blackrockenden Heuschrecke Merz war und ist klar, dass sein beruflicher Hintzergrund und sein Politikansatz völlig identisch sind. Beide sollen an ihren politischen (Un)taten gemessen werden; da ist es dann fast egal, was sie vorher machten.

    Raimund Kamm

    >>Man kann von Politikern leider nur Schmarrn hören und in der Wahlkampfperiode ist ihnen keine Lüge, Unflätigkeit zu schade.. Wenn die Schäfer dümmer sind wie ihre Schäfchen dann kommt so was raus, es kann diese Damen und Herren einfach keiner mehr ernst nehmen.. << So pauschal so falsch! Werden Sie doch Politikerin und machen Sie ehrliche Politik. In unserer Demokratie gilt übrigens: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." GG Art 20 Abs 2. Raimund Kamm

    Georg Kannler

    Na der Kinderbuchautor Habeck soll lieber wieder Kinderbücher schreiben da er vom regieren keine Ahnung hat! Der har sauber den Karren an die Wand gefahren!! Es ist schon lachhaft dass Kinderbuchautoren und Politiker mit abgebrochenen Bildung an der Regierung sind die uns vorschreiben wollen wie wir zu denken haben!! Das bringt nur Deutschland fertig!!

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