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Literatur: "Trophäe" von Gaea Schoeters: Schon mal von den Big Six gehört?

Literatur

"Trophäe" von Gaea Schoeters: Schon mal von den Big Six gehört?

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    Elefanten im Okavango-Delta in Botswana. Seit 2019 ist im Land die Elefantenjagd wieder erlaubt.
    Elefanten im Okavango-Delta in Botswana. Seit 2019 ist im Land die Elefantenjagd wieder erlaubt. Foto: Charmaine Noronha/AP/dpa

    Großwildjäger sind – außerhalb ihrer Kreise – auf der Sympathieskala im unteren Bereich angesiedelt. Mag die Jagd auch legal sein, wer nach Afrika fliegt, um einen Elefanten zu erlegen, muss zu Hause mit Unverständnis und mehr rechnen. Der hohe Beamte aus dem Umweltministerium in Thüringen, der Bilder eines in Botswana erlegten Elefanten postete, saß anschließend im Amt für Landwirtschaft ... 

    Warum aber ist die Jagd auf einen Elefanten moralisch zu verdammen, wohingegen dem hiesigen Wildschwein kaum einer eine Träne nachweint? Warum soll ein Staat nicht Geld mit einer Jagdlizenz verdienen, wenn der Tierbestand hoch und die Finanzspritze dem Nationalpark und der lokalen Bevölkerung zugutekommt? Interessante Frage, die auch unter Tier- und Naturschützern kontrovers diskutiert wird. Die flämische Autorin Gaea Schoeters dreht die Frage in ihrem preisgekrönten Roman "Trophäe" aber noch weiter – bis hin zum Tabu. "Schon mal von den Big Six gehört?", fragt der Jagdleiter in einem namenlosen afrikanischen Staat seinen Kunden namens – kein Witz – Hunter White. 

    Die Big Five – das sind Nashorn, Löwe, Wasserbüffel, Elefant und Leopard. Dem Amerikaner Hunter White, Spekulant, Makler, Investor, immer jedenfalls Big, fehlt nur noch das Nashorn. Für ein Vermögen hat er eine der seltenen Jagdlizenzen ergattert: ein altes Nashornmännchen, "genetisch ausrangiert, eher ein Störfaktor". Würde nicht er es schießen, dann ein anderer... Dann aber kommen ihm bei der Jagd auf seine Beute tatsächlich zwei Wilderer zuvor. Und sein Jagdführer van Heeren macht ihm zum Ausgleich ein Angebot. Er bietet ihm die Trophäenjagd auf das gefährlichste Raubtier der Welt an, einen Menschen. 

    "Die Beute", so die Bedingung, muss bewaffnet sein.

    Geschockt? Was sonst. Auch Hunter erscheint die Idee absurd, wobei: Argumentiert van Heeren nicht absolut schlüssig? Dessen Deal mit den Buschmännern: Auf seinem Land dürfen sie alles jagen, was sie für ihren Lebensunterhalt benötigen. Alle drei Jahre verkauft er dafür eine Jagdlizenz. Ein Teil des Geldes geht an die Behörden, der andere an die Stammesgemeinschaft. Van Heeren finanziert den Kindern unter anderem eine Schulausbildung, einigen wenigen auch ein Studium. Also? "Die Abmachung passt besser zu ihren Traditionen als alles andere, was wir versucht haben, ihnen aufzudrängen. Wie das Arbeiten für Geld, um Essen zu kaufen. Oder sich von fetten Amerikanern tanzend fotografieren zu lassen." Irgendwann wird Hunter, der Jäger, fragen: "Wie viel." Was ihm wichtig ist: "Ich will eine faire Jagd. Die Beute muss eine realistische Chance haben. Bewaffnet sein." 

    Ein Zitat aus Joseph Conrads "Herz der Finsternis" hat Gaea Schoeters ihrem kühnen, spannenden und verstörenden Roman vorangestellt, der nun ebenfalls in die Finsternis führt, davon erzählt, wie ein Mensch sein Herz als Kompass seines Handelns verliert ... Die Frage aber ist: Warum dieses Gedankenexperiment? Mit welchem Erkenntnisgewinn? Dass der Mensch ein Tier ist? Dass er keines ist? Und auch das muss man wollen: Ein Roman, in dem ein weißer Jäger "jagen will, ganz gleich, was sein Kopf davon hält", und ein schwarzer Junge mit einem Flugzeug in einem fernen Land ankommt, über Schnee staunt. 

    Gaea Schoeters: Trophäe. Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing. Paul Zsolnay Verlag, 256 Seiten, 24 Euro.

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