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Literatur: Letzter Roman von Javier Marías: Agententhriller im besten Sinne

Literatur

Letzter Roman von Javier Marías: Agententhriller im besten Sinne

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    Der kürzlich gestorbene spanische Schriftsteller Javier Mariás hat mit seinem Roman "Tomás Nevinson" einen spannenden Agententhriller vorgelegt.
    Der kürzlich gestorbene spanische Schriftsteller Javier Mariás hat mit seinem Roman "Tomás Nevinson" einen spannenden Agententhriller vorgelegt. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Natürlich, „Mein Herz so weiß“, das geht immer, auch immer wieder. Mit dem Lesen dieses hinreißenden, vor 30 Jahren im Original erschienenen und vor allem in Deutschland so ungemein erfolgreichen Buchs lässt sich des kürzlich gestorbenen Javier Marías also verlässlich gedenken. Aber schöner wäre doch, wenn das auch mit seinem letzten Werk ginge, das nun, kurz nach dem Tod, in deutscher Übersetzung vorliegt. Und deutet nicht alles darauf hin, wenn beim Erscheinen in Spanien vergangenes Jahr Kritiker schwärmten, es sei „vermutlich der beste Roman, den

    Die Unterschiede fallen schon äußerlich ins Auge. Vergleichsweise schlicht ist der Titel des Werkes ein Eigenname, „Tomás Nevinson“, als Identifikation bietet das Cover ein Porträt des französischen Schauspielers Gérard Philipe – und vor allem ist das Werk wie zuletzt mehrere von Marías deutlich umfangreicher als sein Klassiker. Dabei ist die Geschichte relativ schnell erzählt.

    Britischer Agent wird reaktiviert: Javier Marías entwirft klassischen Krimi-Plot

    Jener Nevinson war britischer Agent, hat sich zurückgezogen in die spanische Heimat, und wird nun, nach zehn Jahren, von seinem Ex-Chef reaktiviert. Es ist 1997, und er, einst im Kampf gegen die IRA aktiv, soll nun eine Frau enttarnen, die zehn Jahre zuvor für Anschläge der ETA mitverantwortlich gewesen sein soll. Also mal wieder hinein in eine andere Identität, die eines Englischlehrers, und ab ins (fiktive) Ruàn, eine Stadt im Nordwesten.

    Das Problem: Gleich drei Frauen, die in den vergangenen Jahren dort zugezogen sind, könnten die Gesuchte sein – eine so große wie selbstbestimmte Restaurantbetreiberin, die dralle Frau eines etwas klischeehaften Provinzpolitikers und die unglückliche Gattin des etwas klischeehaften Baulöwen. Also versucht der kultivierte, gealterte, aber nicht eben unattraktive Tomás alias Miguel Centurión ihnen nahe zu kommen, allen, um das Geheimnis von einer von ihnen zu lüften. Um die dann vor Gericht zu bringen – oder sie, wenn die Beweise nicht reichen, er sich aber sicher ist: zu töten. Guter, klassischer Krimi-Plot.

    In "Tomás Nevinson" beweist sich Javier Marías erneut als großer Erzähler

    Dazu kommt ein guter, klassischer Marías, dem die Betrachtung mehr bedeutet als der Plot. So nimmt allein das anfängliche Treffen Nevinsons mit dem Ex-Chef über hundert Seiten ein – jede Facette des Gesprächs, aber auch dieses Berufs, des Tötens, der „geheimen Kriege“ wird bespiegelt. Und das ist richtungsweisend für diesen Roman, den man sich entfalten lassen, in den man sich genussvoll vertiefen muss. Der dabei aber auch von so viel altmeisterlichem Können zeugt, in der Dialog- wie in der Szenen-Komposition, dass reich belohnt wird, wer nicht in klassische Krimi-Erwartung auf der Strecke bleibt.

    Umfassende Fragen wie die nach der Vergänglichkeit von Schuld und die, wann wer zu welchem Zweck töten darf, stehen neben konkreten wie jener, wie der Mann sein muss, dem sich drei Frauen anvertrauen – oder jener, ob Tomás, der hier selbst aus dem Rückblick erzählt, zuletzt doch wieder zu seiner Frau Berta findet, die wenig weiß und alles ahnt. Dazwischen beweist sich einmal mehr ein großer Autor. Ein bisschen zu weitschweifig, um seine höchste Höhe zu erreichen, aber eben doch ein großer Erzähler.

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