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Lichtverschmutzung: Schattenseiten des künstlichen Lichts: Wie nächtliche Beleuchtung der Umwelt schadet

Lichtverschmutzung

Schattenseiten des künstlichen Lichts: Wie nächtliche Beleuchtung der Umwelt schadet

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    Grenzenloses Lichtermeer: Das Satellitenfoto zeigt Mitteleuropa bei Nacht. Forschende warnen, dass die künstliche Erleuchtung der Nacht nicht ohne negative Folgen für Mensch, Tier und Pflanzen bleibt.
    Grenzenloses Lichtermeer: Das Satellitenfoto zeigt Mitteleuropa bei Nacht. Forschende warnen, dass die künstliche Erleuchtung der Nacht nicht ohne negative Folgen für Mensch, Tier und Pflanzen bleibt. Foto: NASA

    Der Mensch hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr die Nacht zum Tag gemacht – durch die Beleuchtung von Straßen, Gebäuden, Sportstätten oder Leuchtreklame. Weil das Leben auf der Erde sich in Jahrmillionen aber an den Tag-Nacht-Rhythmus angepasst hat, bleibt die künstliche Erleuchtung der Nacht nicht ohne negative Folgen für Mensch, Tier und Pflanzen. Für eine übermäßige Beleuchtung, die auf die Umwelt einwirkt, hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Begriff Lichtverschmutzung eingebürgert. Dazu haben sich nun mehrere Forschende in der Fachzeitschrift Science geäußert. 

    Dass Licht negative Folgen haben kann, ist nicht auf den ersten Blick erkennbar. Denn die meisten Menschen verbinden eine helle Straßenbeleuchtung mit mehr Sicherheit für Fußgänger und Autofahrende, mit mehr Bewegungsfreiheit und Wohlstand. Angeleuchtete Gebäude wecken bei vielen Menschen ein angenehmes ästhetisches Empfinden. „Das hat sich auch in unserer Sprache niedergeschlagen, wenn wir etwa den menschlichen Geist als erleuchtet oder aber umnachtet bezeichnen“, erklärt Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Er befasst sich seit langem mit den Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Lebewesen und Ökosysteme.

    Auch in der Nacht sind Städte wie Hongkong hell erleuchtet.
    Auch in der Nacht sind Städte wie Hongkong hell erleuchtet. Foto: Adrian Bradshaw, dpa

    Außenbeleuchtung in Städten verschlingt 19 Prozent des weltweiten Stroms

    Permanentes künstliches Licht hat direkte Auswirkungen auf den Menschen. Es unterdrückt die Bildung des Hormons Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. Eine Folge können Schlafstörungen und daraus folgende Gesundheitsprobleme sein. „Während der Covid-19-Pandemie zeigten Studien, dass sich Menschen häufiger, schwerer und über einen längeren Zeitraum infizierten, wenn sie Schlafentzug hatten und/oder nachts arbeiteten, oder wenn sie sich in Gebieten aufhielten, in denen es in der Nacht im Freien zu starker elektrischer Lichtausstrahlung kam“, schreibt eine Gruppe um Karolina Zielinska-Dabkowska von der Gdańsk University of Technology im polnischen Danzig in der Fachzeitschrift Science.

    Schon vor mehr als 20 Jahren zeigte eine Untersuchung mit Nachtarbeiterinnen, dass die Störung des Tag-Nacht-Rhythmus das Risiko für Brustkrebs erhöht. Inzwischen haben Studien weitere negative Auswirkungen von nächtlichem künstlichem Licht auf den Menschen aufgezeigt: Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Depressionen steigt. Hinzu kommen fehlerhafte Ausführungen von Tätigkeiten und Unfälle durch einen gestörten Schlafrhythmus.

    Ähnliche Auswirkungen wie die Nachtarbeit können Außenbeleuchtungen haben, deren Licht ständig in die Schlafzimmer von Hausbewohnern eindringt. Viele Städte und Gemeinden investieren viel in die Beleuchtung ihrer Straßen. So verschlinge die Außenbeleuchtung von Städten etwa 19 Prozent des weltweit genutzten elektrischen Stroms, berichtet Antonia Varela Perez vom Instituto de Astrofísica de Canarias auf der spanischen Insel Teneriffa.

    30 bis 50 Prozent der Energiekosten einer Stadt entstehen typischerweise durch die Außenbeleuchtung. Die weltweite Illumination von Städten und Siedlungen verursacht den jährlichen Ausstoß von fast 1,5 Milliarden Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), was 27 Prozent aller CO2-Emissionen der USA entspricht. Damit wird die Lichtverschmutzung auch zum Klimaproblem. 

    Für nachtaktive Tiere verändert künstliches Licht den Lebensraum dramatisch

    Mehr noch als der Mensch ist die Tierwelt von der künstlichen Beleuchtung betroffen. Denn rund 50 Prozent der Insektenarten und 30 Prozent der Säugetierarten sind nachtaktiv. Sie sind oft mit „Schwachlichtsensoren“ ausgestattet, um das wenige Licht des Mondes und der Sterne nutzen zu können, schreiben Hölker und Kollegen in ihrem „Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“. Für diese Tiere verändert künstliches Licht den Lebensraum dramatisch. Manche finden künstliches Licht in der Nacht derart irritierend, dass für sie eine beleuchtete Straße ein schwer zu überwindendes Hindernis werden kann. 

    Andere Tiere wie Nachtfalter fühlen sich von Lampenlicht angezogen, was sie jedoch ins Verderben führt. Der Rückgang von Nachtfalterpopulationen ist dort besonders groß, wo die Umgebung nachts stark beleuchtet wird. Da viele Nachtfalter aber auch wichtige Nachtbestäuber sind, kann sich dies wiederum auf die Reproduktion von Pflanzen auswirken. Glühwürmchen sind bei der Partnersuche auf Dunkelheit angewiesen. Ein Team um Jeremy Niven von der University of Sussex im britischen Brighton ließ männliche Glühwürmchen in einem Laborversuch nach weiblichen Artgenossen suchen, wie sie im Journal of Experimental Biology schreiben. 

    Glühwürmchen sind bei der Partnersuche auf Dunkelheit angewiesen.
    Glühwürmchen sind bei der Partnersuche auf Dunkelheit angewiesen. Foto: Heiko Bellmann

    Im Versuch wurde ein weibliches Glühwürmchen mit einer lichtemittierenden Diode (LED) simuliert. Wenn die Insekten der Beleuchtungsstärke einer modernen Straßenlaterne ausgesetzt waren, fanden nur 21 Prozent von ihnen den Weg zur Weibchen-LED. 

    Die Lichtverschmutzung verringert dadurch den Fortpflanzungserfolg der Glühwürmchen. „Lichtverschmutzung schadet Insekten, indem sie die Kommunikation behindert und ihre Physiologie, lebensgeschichtlichen Merkmale und Nachtgewohnheiten verändert, beispielsweise Migration, Nahrungsaufnahme und Fortpflanzungsverhalten“, fassen Hölker und Kollegen in einem Artikel im Fachmagazin Annals of Applied Biology die Problematik zusammen. Biologinnen und Biologen schätzen, dass der starke Rückgang von Nachtfaltern in Großbritannien und Irland in den vergangenen Jahren auch auf Lichtverschmutzung zurückzuführen sein könnte. 

    Auch Pflanzen reagieren auf Licht von Straßenlaternen

    Das hat möglicherweise auch Auswirkungen auf die Nahrungsversorgung des Menschen, denn Insekten sind wichtige Bestäuber von Pflanzen. Auch andere Ökosystemfunktionen der Insekten, wie der Abbau von organischem Material, die Regulierung von Nährstoff- und Energieflüssen, die Ausbreitung von Samen, die Regulierung von Schadinsekten und die Erhaltung der Biodiversität sind dadurch in Gefahr. Ähnliches gilt für Säugetiere und Vögel. So wurden beispielsweise zahlreiche tödliche Kollisionen von Vögeln mit Leuchttürmen, Schiffen, Ölplattformen und anderen deutlich beleuchteten Strukturen dokumentiert. 

    Auch Pflanzen reagieren auf Licht von Straßenlaternen, etwa mit verspätetem Laubabwurf oder mit Blütenbildung im November.
    Auch Pflanzen reagieren auf Licht von Straßenlaternen, etwa mit verspätetem Laubabwurf oder mit Blütenbildung im November. Foto: Rovert Blasius

    Fische können vom Schein der Uferbeleuchtung angezogen werden und dort zur leichten Beute von Fraßräubern werden. So warnen Annika Jägerbrand von der Universität in Gävle (Schweden) und Kamiel Spoelstra vom Netherlands Institute of Ecology in Wageningen (Niederlande): „Die anhaltende Zunahme der nächtlichen Nutzung menschengemachter Beleuchtung wird deren Auswirkungen auf unsere natürliche Umwelt verschärfen und zu erheblichen Veränderungen in den Ökosystemen führen, zum Beispiel einem weiteren Rückgang der Insektenpopulationen, dem Verlust von Lebensräumen nachtaktiver Säugetiere und einer Störung der Interaktionen im Nahrungsnetz.“ 

    Selbst Pflanzen reagieren auf Licht von Straßenlaternen, etwa mit verspätetem Laubabwurf oder mit Blütenbildung im November. Das künstliche Licht des Menschen verändert Ökosysteme, was sich früher oder später auch auf den Menschen auswirkt. Aber auch kulturelle Aspekte des Menschen sind in Gefahr. Viele jüngere Stadtbewohner haben noch nie die Milchstraße mit eigenen Augen gesehen. Für Hobbyastronomen sind Sternbeobachtungen in Städten kaum noch möglich.

    Nur wenige Länder haben Gesetze zur Eindämmung der Lichtverschmutzung

    Doch selbst den Profis macht in vielen Observatorien die Lichtverschmutzung zu schaffen. Hinzu kommen immer mehr Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen. Nach Sonnenuntergang reflektieren die Satelliten noch Sonnenlicht und können sich bei Teleskopaufnahmen als helle Streifen bemerkbar machen. Angesichts der Klimakrise und anderer Bedrohungen ist die Lichtverschmutzung von der Wissenschaft lange Zeit wenig beachtet worden. „Auch in der Wissenschaft musste man erst lernen, dass Licht auch seine Schattenseiten hat“, sagt Franz Hölker. Jetzt aber steige die Anzahl wissenschaftlicher Fachartikel zu diesem Thema exponentiell, ebenso wie die Lichtverschmutzung selbst. 

    Für Hobbyastronomen sind Sternbeobachtungen in Städten kaum noch möglich.
    Für Hobbyastronomen sind Sternbeobachtungen in Städten kaum noch möglich. Foto: Nicki Krammel

    Dazu trägt auch die technische Entwicklung bei: Während bei Glühlampen ein Draht zum Glühen gebracht und ein Großteil des eingesetzten Stroms in Wärme umgesetzt wurde, ist dies bei LEDs nicht der Fall, weshalb sie sehr viel energieeffizienter sind. Dies verlockt aber auch dazu, mehr LEDs einzusetzen. 

    Gesetze zur Eindämmung der Straßenbeleuchtung sind meist mit dem Vorsatz der Energieeinsparung verfasst. Nur wenige Länder, wie Frankreich und Südkorea, haben Gesetze, die speziell auf die Lichtverschmutzung ausgerichtet sind. Angesichts der negativen Auswirkungen der übermäßigen Beleuchtung ist es wohl notwendig, dass die Menschen die Nacht ein ganzes Stück wieder mehr zur Nacht machen. (Stefan Parsch, dpa)

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