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Kevin Costners „Horizon“: Mutiges Western-Epos startet

Interview

Kevin Costner: „Ich finde diese ganzen Unkenrufer fast komisch“

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    Kevin Costner verfolgte die Idee zu „Horizon“ schon seit über 30 Jahren.
    Kevin Costner verfolgte die Idee zu „Horizon“ schon seit über 30 Jahren. Foto: Carsten Koall, dpa

    Sie versuchen sich mit „Horizon“ an dem mutigen Vorhaben eines vierteiligen Western-Epos‘, obwohl Ihnen alle möglichen Menschen davon abgeraten haben. Was sagen Sie Ihren Zweiflern?
    KEVIN COSTNER : Erstmal finde ich so ein Projekt nicht sonderlich mutig. Wenn du in die Schlacht ziehst, dann erfordert das Mut. Aber ich treffe nur künstlerische Entscheidungen und folge meinen Instinkten, weil ich mir treu bleibe. Und meinen Zweiflern sage ich: Ich weiß, dass dieses Vorhaben funktioniert. Wie viele Leute haben geglaubt, dass die Welt flach ist. Nun, sie ist es nicht. Ich finde diese ganzen Unkenrufer fast komisch. Wer diesen Film sieht, der weiß, dass das eine gute Geschichte ist. Denn sie löst etwas in einem aus. Das haben mir viele Leute bestätigt. Die Story weiß genau, was sie will und wo sie hingeht, also braucht sie noch drei weitere Teile.

    In den USA ist der erste Teil aber nicht so gut im Kino gelaufen. Und nicht alle Kritiker waren damit einverstanden.
    COSTNER: Natürlich tut das ein bisschen weh. Aber ich weiß, dass das ein Film ist, den sich die Leute immer wieder anschauen werden, weil er so viele Details enthält. Auf diese Kleinigkeiten kommt es an. Etwa wenn man eine Frau sieht, die den ganzen Dreck der Prärie nicht mehr ertragen kann und sich unbedingt waschen will. Das ist für mich genauso wichtig wie eine Schießerei. Oder wenn man sieht, wie Leute miteinander flirten. Ich möchte das Publikum nicht übers Ohr hauen, indem ich ihm solche wichtigen Einzelheiten vorenthalte. Und wenn ich dann mitbekomme, dass die Zuschauer diese Details kommentieren, weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe. Das ist sehr ermutigend.

    Was ist, wenn die Leute Ihren Film erst im Streaming oder Fernsehen entdecken und nicht im Kino?
    COSTNER: Der Film ist für das Kino gedacht. Aber mir ist klar, dass er letztlich in kürzere Folgen unterteilt werden wird. Selbst wenn das nicht meine ursprüngliche Absicht war, so bleibt die Geschichte trotzdem die gleiche. Sie ist gut und deshalb wird sie auch in diesem Format funktionieren. Ob die Leute das als dreistündigen Film sehen oder das Ganze binge-watchen, sie werden die ganzen Details erkennen.  

    Sie haben eine beträchtliche Summe aus Ihrem Vermögen in den Film gesteckt, was Sie nicht zum ersten Mal getan haben. Bei Filmen wie „Der mit dem Wolf tanzt“ hatten Sie damit Erfolg, bei anderen weniger, etwa dem Familiendrama „Black or White“ …
    COSTNER: Es fängt immer damit an, dass ich mir bei einem Drehbuch sage „Jeder wird das mögen“. Wenn das dann nicht der Fall ist, kann ich das nicht verstehen und suche nach Investoren. Sollten sich dann auch keine finden, greife ich in die eigene Tasche. Früher habe ich dafür meine Ex-Frau um Erlaubnis gefragt. Aber es ist nicht mein Ziel, noch reicher zu werden. Hauptsache, für das Auskommen meiner Familie ist gesorgt. Ich habe ja auch schon viel in Umwelttechnik investiert oder auch mal Freunden bei deren Filmen finanziell unter die Arme gegriffen. 

    Gibt es denn Kriterien, die Sie bei der Auswahl Ihrer Projekte anlegen?
    COSTNER:  Ich will Dinge machen, die die das Potenzial zu Klassikern haben, die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Wenn mir das gelingt, fühle ich mich glücklich. Aber es hängt immer davon ab, ob wir keine faulen Kompromisse machen. Das ist nicht immer gelungen, weil die anderen Beteiligten manchmal kalte Füße bekommen haben. Sie wollten die Themen verwässern und für jeden allgemeinverständlich machen.

    Seit Ihren Karriereanfängen in den 80ern hat sich die Branche auch massiv gewandelt. Welche dieser Veränderungen finden Sie am irritierendsten?
    COSTNER: Das beginnt bei der Auswahl der Projekte. Ich kann nicht verstehen, warum manche Filme gedreht werden und andere nicht. Für bestimmte Projekte werden Unsummen ausgegeben, während man bei kleineren Filmen Angst hat, ein bisschen etwas zu investieren. Wir haben vorhin über Mut gesprochen. Ich finde es höchst merkwürdig, wenn Leute in der Branche Angst haben. Wer in Afghanistan oder im Irak lebt, der darf sich so fühlen, aber in der Filmindustrie sollst du einfach deinen Instinkten folgen: Du glaubst, dass das ein guter Film ist, der viel Geld kostet, also drehe ihn. Du denkst, dieses Projekt ist gut und kostet wenig, dann mache es. Aber leider läuft es längst nicht mehr so. 

    Was würden Sie denn Schauspielern jüngerer Generationen empfehlen?
    COSTNER: Dass sie versuchen, die Geschichte unserer Branche zu studieren. Die hat sehr viele romantische und poetische Aspekte, und auch die gilt es zu verstehen. Jeder sollte wissen: Die Filmindustrie war lange vor dir da und sie wird es auch noch lange nach dir geben. Ich kenne viele junge Kollegen, die diese ganzen Aspekte ernst nehmen und wissen, welche Stars es vor ihnen gab. Aber ich habe es auch schon erlebt, dass manche junge Schauspieler mit dem Namen eines Gregory Peck nichts anzufangen wussten.

    Den Namen von Gregory Peck verbindet man auch mit großen Western – so wie den Ihren. Hätten Sie eigentlich den Mut gehabt, im Wilden Westen zu leben?
    COSTNER:   Darauf hätte ich verzichten können. Ich gebe zu, ich wäre gerne unter den Pionieren gewesen, die diese Szenerien als erste Weiße gesehen haben – die Gebirgszüge, die Flüsse, die Prärie voller Büffel. Auf solche Erfahrungen würde ich viel geben. Aber gleichzeitig war das unglaublich gefährlich. Einfach das Land zu durchqueren, war ein Drahtseilakt. Jeder Tag war ein Risiko. Das war definitiv kein Disneyland. 

    Mit dem Wilden Westen verbindet man auch die Figuren der Pistolenhelden. Fasziniert Sie die Gewalt?
    COSTNER: Ich habe viele Angebote für gewalttätige Western bekommen, und ich habe davor auch keine Angst. Allerdings mag ich keine Gewalt an sich, wenn man deren Ursachen nicht versteht. Auch in „Horizon“ gibt es Gewaltszenen, aber wir sehen ihren Kontext und sie sind für die Handlung genauso wichtig wie viele unscheinbarere Momente.

    Sie zeigen in Ihrem Film auch ein traditionelles Frauenbild, da manche der Protagonistinnen einfach nach einem Beschützer suchen.
    COSTNER: Ich zeige Frauen in ihren ganzen Facetten. Aber das war nun einmal die Realität des Pionierlebens. Wenn Sienna Millers Figur ihren Mann verliert, dann muss sie sofort nach einem neuen Vater für ihre Tochter suchen, denn im Wilden Westen konnte so jemand nicht allein überleben. Ich selbst habe Frauen immer sehr geschätzt. Schon in der Schule habe ich gemerkt, dass die Mädchen intelligenter als die Jungs waren. 

    Gleichzeitig entwerfen Sie ein Bild des amerikanischen Traums, in dem jeder seinem individuellen Glück hinterherjagt. Glauben Sie an den?  
    COSTNER: Grundsätzlich ja. Denn meine Eltern haben mir in der Tat den amerikanischen Traum vermittelt. Der besteht darin, dass du alles erreichen kannst, wenn du dich stark genug anstrengst. Aber sie haben mir auch noch etwas erklärt: Und zwar, dass du bei der Wahl deiner Ziele smart vorgehen sollst. Es kann sein, dass du nicht der Begabteste in deinem Metier bist. So sehr du etwas liebst, es mag doch nicht für dich funktionieren. Also musst du dir etwas Anderes suchen. Aber gleichzeitig ist es unbedingt nötig, dass du ständig an dir und deiner Aufgabe arbeitest und Dinge überdenkst. Nur so kann etwas Großes entstehen. Und davor hatte ich nie Angst. Ich bin nicht Schauspieler geworden, um auf dem roten Teppich zu gehen. Ich liebe es, wenn ich an etwas arbeiten kann, ohne dass jemand etwas merkt. Ich mag es, mit Schauspielern zu proben, weil kein Mensch das zu sehen bekommt, oder im dunklen Schneideraum zu sitzen und an einer Szene herumzubasteln.

    Sind Sie mit Ihren 69 und den jahrzehntelangen Erfahrungen innerlich gegen alle Unwägbarkeiten gewappnet?
    COSTNER: Ja, aber das heißt nicht, dass ich nicht morgens in einem Zustand der Verwirrung aufwache. Das Leben, die geschäftlichen Angelegenheiten und deine Beziehungen sind nun mal kompliziert und machen dir Schwierigkeiten. Schließlich bin ich wie jeder nur ein Mensch. Damit verbunden sind schon mal Zustände von Enttäuschung und Aufregung. Wenn du älter wirst, versuchst du das in den Griff zu kriegen und dich an die wechselnden Umstände anzupassen. Aber auch ich habe Momente, wo ich mich schwach fühle und mir dann sage: Jetzt reiß dich mal zusammen. Dann versuche ich mich wieder an die Werte zu erinnern, die mir wichtig sind. Letztlich lasse ich mich eben nicht verbiegen. Wenn man jetzt alles Mögliche über „Horizon“ schreibt, ist mir das egal. Darum kann es nicht gehen. Ich jedenfalls glaube an die Reise dieser vier Filme.

    Zur Person: Kevin Costner, 1955 im kalifornischen Lynwood geboren, wurde in den 80er und 90er Jahren mit Filmen wie „Bodyguard“, „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Robin Hood – König der Diebe“ zum Star. Sein vierteiliges Western-Epos „Horizon“, dessen erster Teil nun am 22. August in die Kinos kommt, ist ein Herzensprojekt. Die Idee zum Film verfolgt er bereits seit über 30 Jahren, 2009 benannte er sogar seinen Sohn Hayes nach einem Protagonisten des Films. „Horizon“ spielt im Jahr 1861 in New Mexico und erzählt von weißen Amerikanern, die auf ihrem Zug nach Westen die Gebiete der Apachen besetzen, die sich gegen die Landnahme wehren. Costner ist als Hauptdarsteller, Regisseur, Co-Autor und Produzent an Bord. Mit ihm stehen unter anderem Sienna Miller, Sam Worthington, Luke Wilson und Jena Malone vor der Kamera. Zuletzt spielte Costner in der Western-Dramaserie „Yellowstone“ mit.

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