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Jahresrückblick: Gesichter des Jahres: Das war 2022 in der Politik

Jahresrückblick

Gesichter des Jahres: Das war 2022 in der Politik

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    Gesichter des Jahres: Das war 2022 in der Politik
    Gesichter des Jahres: Das war 2022 in der Politik Foto: dpa/Montage: AZ

    Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj

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    Foto: Pool Sputnik Kremlin, Mikhail Kuravlev, dpa/ Planet Pix via ZUMA Press Wire | Ukraine Presidency, dpa

    Fast scheint es, als wären sie einem dieser überzogenen Hollywood-Schinken entsprungen. Geradezu biblisch in ihrer Gegensätzlichkeit. Hier der gute Held, aufgestiegen vom Komiker zum Kämpfer für die Freiheit. Dort der fast ins monströse abgerutschte Böse, einst ein Hoffnungsträger, nun ein Kriegsfürst. Kaum ein Paar prägte das Jahr 2022 so sehr wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin. Gerade erst wurde Selenskyj vom Time-Magazin zur „Person des Jahres“ gewählt – ein Titel, der Putin übrigens noch im gar nicht so fernen Jahr 2007 verliehen wurde. 

    Seither wurde die Welt förmlich aus den Angeln gehoben, viele vermeintliche Gewissheiten muten aus heutiger Sicht geradezu naiv an. Wirtschaftliche Beziehungen zu Russland wurden pulverisiert, Zivilisten zu Opfern brutalster Verbrechen, Millionen machten sich auf die Flucht, die deutsche Friedensgesellschaft geriet ins Wanken. Über allem thronen diese David-gegen-Goliath-Figuren, ein 44-Jähriger, der über sich selbst hinauswuchs und zugleich innerhalb von Monaten um Jahre alterte, und ein 70-Jähriger, der von einem sowjetischen Imperium träumt, das doch längst untergegangen ist. 

    Sollte Putin wirklich von einem schnellen Kriegserfolg ausgegangen sein, hat er sich massiv verschätzt. Seine Truppen werden vorgeführt von den ukrainischen Kämpfern. Nur mit allergrößter Brutalität können sie sich im Nachbarland behaupten. Gespeist wird Putin von seinem Hass auf den Westen und der Gier nach Macht. Dass ihm ausgerechnet ein Ex-Schauspieler ohne militärische Erfahrung seine Grenzen aufzeigt, muss geradezu traumatisch auf ihn wirken.

    Joe Biden und Xi Jinping

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    Foto: Patrick Semansky, dpa/ XinHua | Ju Peng, dpa

    Es ist ein Fehler, Joe Biden zu unterschätzen. An schlechten Tagen wirkt er schon mal etwas wackelig, unterlaufen ihm Versprecher. Doch der 80-jährige US-Präsident verfügt außenpolitisch über einen reichen Erfahrungsschatz und Gespür für Situationen und Entwicklungen. Mag sein, dass der chinesische Staatschef Xi Jinping gedacht hatte, dass er mit Biden leichteres Spiel haben wird als mit dem unberechenbaren Ex-Präsidenten Donald Trump. Doch so ist es nicht. 

    Denn anders als der aufbrausende Republikaner bleibt Biden stets konziliant und unaufgeregt, wenn er wirtschaftspolitische Nadelstiche gegen den großen Rivalen setzt. So wie Ende November, als er Verkauf und Einfuhr für eine ganze Palette von elektronischen Produkten – darunter Kommunikations- und Überwachungstechnik aus der Volksrepublik – untersagte. Für Xi Jinping eine böse Überraschung – nur zwei Wochen zuvor war mit Blick auf ein überraschend harmonisches Treffen der beiden mächtigsten Staatschefs der Erde bei dem G 20-Gipfel auf Bali schon von Tauwetter zwischen den Weltmächten die Rede. 

    Das dürfte voreilig gewesen sein, denn Biden fährt eine knallharte ökonomische und militärische Eindämmungspolitik gegen Peking. Dass er dabei auch mal Xi Jinping freundlich die Hand schüttelt, ändert daran nichts. Xi scheint seit dem denkwürdigen Parteitag der chinesischen KP im Oktober, der ihn mit einer beispiellosen Machtposition ausstattete, kaum noch etwas zu gelingen. Und dann konnte alle Welt auch noch verfolgen, wie wütende Demonstranten gegen die staatliche Null-Covid-Strategie demonstrierten. Auch Joe Biden wird die Bilder gesehen haben. Vielleicht hat er gelächelt. (

    Friedrich Merz und Olaf Scholz

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    Foto: Michael Kappeler, dpa/ Kay Nietfeld, dpa

    Die Deutschen scheinen es zu lieben, englische Wörter in ihre Alltagssprache aufzunehmen. Ungleich weniger Deutsches hat es ins Amerikanische geschafft. Doch dank Olaf Scholz verewigte sich dort neben „Kindergarden“ oder „Rucksack“ ein neuer Import: „Zeitenwende“. Drei Tage nach Russlands Angriff auf die Ukraine hielt der Bundeskanzler die vielleicht wichtigste Rede seines Lebens – die Zukunft eingeschlossen. Klarer als alle westlichen Staatenlenker brachte der deutsche Sozialdemokrat die historische Bedeutung des Kriegs auf europäischem Boden und die folgenden Konsequenzen auf den Punkt. Nicht zuletzt dank der hohen internationalen Beachtung sicherte sich Scholz nur zwölf Wochen nach seinem Amtsantritt seinen ewigen Platz in den Geschichtsbüchern. 

    Der Kanzler legte damit die Messlatte hoch. Für sich selbst und seine eigene Politik. Friedrich Merz nutzt seitdem jede Möglichkeit, auf die Klüfte zwischen Scholz’ Worten und Taten hinzuweisen. 

    Der CDU-Chef griff im Februar nach dem Unionsfraktionsvorsitz und blies als unangefochtener Oppositionsführer dem seit der Ära Angela Merkel verblassten Parlamentsbetrieb nicht nur mit scharfen Reden neues Leben ein. Auch mit seiner Reise ins kriegsgezeichnete Kiew führte Merz den Zeitenwende-Kanzler vor. Im Bundestag macht seine Union der Ampel-Koalition nicht ohne Erfolge Druck, den kämpfenden Ukrainern schwerere Waffen zu liefern. Mit dem 64-jährigen Scholz und dem drei Jahre älteren Merz besitzt die deutsche Politik klare Kontrahenten. Beide halten sich kaum verholen für die Schlauesten, streben nach Macht statt Beliebtheit. Der Grauschleier der alten Großen Koalition ist Geschichte.

    Liz Truss und Rishi Sunak

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    Foto: Kirsty O'connor, dpa/ Henry Nicholls, dpa

    Als es wirklich ein Duell war, kam nur selten Spannung auf: Fast alle politischen Beobachter waren sich einig, dass der eloquente Investmentbanker Rishi Sunak gegen die Außenministerin Liz Truss bei der Parteibasis unterliegen werde. 

    Warum? Eben weil der 42-jährige Politiker mit indischen Wurzeln, vielen Tories einen Touch zu smart ist. Zudem hatten viele der noch immer zahlreichen Fans des zurückgetretenen Premierministers Boris Johnson Sunak verübelt, dass er als Schatzkanzler im Juni 2022 zurückgetreten war – von Verrat war die Rede. 

    Liz Truss wirkte in der Serie von Diskussionsrunden vor der Befragung der Tory-Mitglieder aggressiv, ja mitunter schrill. Ihr Outfit erinnerte frappierend an die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher – ein unübersehbares politisches Statement, das besser verfing als die auf Ausgleich bedachte Art von Sunak. Anfang September stand fest: Truss wird neue britische Regierungschefin. Sie erreichte bei den Parteimitgliedern eine knappe, aber eindeutige Mehrheit. 

    Im Rückblick kann man meinen, dass Sunak nichts Besseres passieren konnte. Denn in den nur 49 Tagen ihrer Amtszeit sorgten Truss und ihr Kabinett für ein denkwürdiges Chaos. Sie wollte sich offensichtlich nicht nur anziehen wie einst Thatcher, sondern auch ihre Politik kopieren. Ihre Ankündigung, ein über neue Schulden finanziertes Steuersenkungspaket zu schnüren, sorgte für einen veritablen Absturz des Pfunds und das schnelle Aus für Liz Truss. Nach diesem Desaster war nun die Fraktion am Zuge, die Sunak am 23. Oktober zum Parteichef und Premier machte. 

    Eine Genugtuung für Sunak? Sicher, allerdings auf den Trümmern seiner eigenen Partei.

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