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Foto: Bernd Weißbrod, dpa
Foto: Bernd Weißbrod, dpa

Die Schlagersängerin Andrea Berg feiert ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum.

Interview
06.08.2022

Schlagersängerin Andrea Berg: „Ohne Liebe sind wir nur Roboter“

Von Steffen Rüth

Andrea Berg ist seit 30 Jahren erfolgreich. Auf ihrem neuen Album singt sie mit Schwiegertochter Vanessa Mai. Wie sie immer wieder die richtigen Worte für Sex findet.

Frau Berg, Sie finden immer so schöne sprachliche Bilder für den Beischlaf. „Komm, lass uns heut’ Nacht wieder Funken sprühen, bis der ganze Himmel brennt“ singen Sie.

Andrea Berg: Cool oder? (lacht). Ich bin einfach hoffnungslos romantisch. Das wird sich auch nie ändern. Ich schreibe immer schon sehr gerne diese poetischen, romantischen Zeilen. Ich kann mich da richtig austoben.

Ist es schwierig, gerade im Schlager, die richtigen Worte über Sex zu finden?

Berg: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Mir macht das wirklich sehr viel Spaß. Und das wird bestimmt auch immer so bleiben. Das Einzige, was ich zum Kreativsein brauche, ist meine Fantasie.

Das reale Leben reicht dazu also nicht?

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Berg: Na ja, Uli und ich, wir sind ja jetzt schon seit fünfzehn Jahren verheiratet. Auch bei uns brennt natürlich nicht jeden Tag der Himmel (lacht). Umso wichtiger ist es, dass du als Paar die Romantik am Leben erhältst, das muss wirklich unbedingt sein.

Was haben Sie denn da so für Tricks?

Berg: Ich singe Uli was vor. Nein, Quatsch (lacht). Wir achten vor allem sehr darauf, dass wir bei allem beruflichen Stress auch noch den ganz normalen Alltag leben. Und dass wir uns Freiräume schaffen, um Sachen bewusst als Paar zusammen zu machen. Gerade in der Pandemiezeit war es sehr wichtig, dass das normale Leben für mich und für uns weiterging. So bestand nie die Gefahr, dass ich, wie so viele andere, in ein schwarzes Loch falle, weil ich nichts mehr mit mir selber anzufangen wusste. Auch wenn mir die persönlichen Begegnungen sehr gefehlt haben.

Sie konnten keine Konzerte spielen, Ihr Hotel Sonnenhof in Aspach war monatelang geschlossen, auch Ihr Mann konnte seiner Arbeit als Sportmanager und Spielerberater nur eingeschränkt nachgehen.

Berg: Auf der einen Seite war das natürlich eine riesengroße Herausforderung – alle unsere beruflichen Säulen waren betroffen: Hotel, Fußball, Events, meine Arbeit als Künstlerin. Ich hatte mir noch kurz vor der Pandemie im KaDeWe eine schöne Handtasche gekauft, auf die ich mich schon lange sehr gefreut hatte. Plötzlich konnte ich nirgendwo mit dieser Tasche hingehen. Also habe ich sie vorne in den Flur gestellt, wie so ein Mahnmal, und gedacht: „Eines Tages werden wir zusammen unterwegs sein.“

Es gab aber auch positive Aspekte?

Berg: Absolut. Wir haben die Ruhe sehr genossen. Wir haben angefangen, mit unseren Alpakas zu wandern und konnten auch mal sehr intensiv in uns selbst eintauchen, um festzustellen, dass wir zwei, mein Mann und ich, auch ohne Ablenkungen und Störgeräusche prima miteinander klarkommen. Wir können die Stille gut aushalten. Die Erkenntnis, wie wunderbar wir harmonieren, nehmen wir auf jeden Fall positiv aus der Zeit mit. Ich denke, es ist uns gelungen, aus einer schlimmen Situation einen Glücksfall zu machen.

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Foto: Tom Weller, dpa
Foto: Tom Weller, dpa

Andrea Berg versteht sich gut mit Vanessa Mai. Auf Bergs neuen Album „Ich würd’s wieder tun“ singen die beiden ein Lied zusammen.

Wie trainiert man Alpaka-Wandern?

Berg: Uli und ich sind zunächst alleine ganz lange mit den Tieren spazieren gegangen. Die Ruhe, die die Alpakas ausstrahlen und mit der sie dich quasi anstecken, haben wir dabei sehr genossen. Im Grunde ist so eine Alpaka-Wanderung wie eine Meditation. Inzwischen bieten wir das auch unseren Gästen an.

Jetzt ist aber wieder richtig viel los bei Ihnen. Vor wenigen Wochen haben Sie zwei „Heimspiel“-Konzerte gegeben, Sie veröffentlichen Ihr neues Album und feiern live „30 Jahre Andrea Berg“.

Berg: Ja, gerade ist es für mich wirklich wie im Schleudergang in der Maschine. Aber ich genieße das total, und wir haben ja auch wirklich richtig was zu feiern. Ein 30-jähriges Jubiläum, das ist schon echt was Geiles. Ich denke oft: „Kneif’ mich doch mal jemand“ (lacht).

Vor dreißig Jahren hätten Sie sich so eine Karriere kaum vorstellen können?

Berg: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe in der Kassenärztlichen Vereinigung in Krefeld gesessen, habe als Arzthelferin dort meinen Job gemacht und bin abends oder am Wochenende auf die Bühne und ins Studio gegangen. Bis heute betrachte ich die Musik als jenes Hobby, das sie damals war. Und ich dosiere meine Arbeit so, dass ich mich auf jeden Auftritt, auf jedes Konzert und auf die Begegnungen mit meinen Fans richtig freue.

Gab es den Plan, „30 Jahre Andrea Berg“ richtig groß zu zelebrieren, schon lange?

Berg: Die Idee, ein Album zu machen, auf dem ich zusammen mit vielen lieben Kolleginnen und Kollegen meine großen Hits als Duette völlig neu interpretiere, aber auch neue Songs schreibe, die ist tatsächlich nicht neu. Während Corona hat sich dann der Wunsch noch verstärkt, dass wir das Leben wirklich feiern müssen, in jedem Augenblick. Waren wir denn nicht alle unglaublich ausgehungert nach Begegnungen? Der Mensch ist ja auch nicht als Einzelgänger konzipiert worden. Wir verkümmern, wenn wir uns nicht berühren und nicht austauschen, uns nicht in anderen Menschen spiegeln können.

Sie sind bekannt für Ihren unerschütterlichen Optimismus. Wie schaffen Sie es, selbst die schwierigsten Situationen ins Positive zu drehen?

Berg: Unterm Strich ist es meine tiefe Überzeugung, dass wir das Beste aus allem machen sollten. Jeder Augenblick ist eine Premiere, und vielleicht ist es wirklich meine Aufgabe, manchen einen kleinen Tritt in den Allerwertesten zu geben und zu sagen: „Hört doch mal auf zu jammern.“

Sind wir zu negativ?

Berg: Nicht alle, aber doch viele von uns laufen in so einer Lethargie schlaftrunken durch die Gegend, und wenn sie was sagen, dann meckern sie. Dann heißt es „Heute habe ich Kopfschmerzen“. Nur: Wenn wir am nächsten Tag keine Kopfschmerzen mehr haben, dann freuen wir uns nicht darüber, sondern halten es für selbstverständlich.

Ist Ihr Eindruck, dass heute mehr gejammert wird als früher?

Berg: Eigentlich zunächst mal ja. Aber ich habe auch das Gefühl, dass gerade wirklich ein Lernprozess stattfindet. Bei den „Heimspiel“-Konzerten Mitte Juli habe ich deutlich gespürt, dass die Menschen sich wirklich freuen, dass sie dankbar und euphorisch sind. Vielen von uns ist bewusster geworden, wie wichtig es ist, das Leben zu schätzen. Vielleicht hat sich doch der eine oder andere wachrütteln lassen und beschlossen, dass die Zeit zu wertvoll ist, um Dinge aufzuschieben oder einfach laufenzulassen. Nichts ist selbstverständlich im Leben, und niemand weiß, wie lange er bleiben kann.

Brauchten wir erst eine Extremsituation wie die Corona-Pandemie, um zu merken, wie gut es uns eigentlich geht?

Berg: Ja, so scheint es, und ich würde mir wünschen, dass wir wirklich etwas aus dieser Situation mitgenommen haben. Vielleicht gehen wir jetzt ehrfürchtiger mit den Dingen und auch mit Menschen um. Gerade, wenn ich mir anschaue, wie sehr die Menschen in der Ukraine leiden, muss ich doch sagen, dass wir hier auf einem sehr hohen Niveau jammern.

Kann Musik etwas bewirken?

Berg: Natürlich kann sie das. Ich finde es bescheuert zu sagen, wir können sowieso nichts ändern. Wir sollten versuchen, bei uns selbst, im Kleinen anzufangen. Jeder Mensch kann etwas bewegen, und ein Meer aus Tropfen ist ein Ozean.

Viele Ihrer Lieder, auch auf „Ich würd’s wieder tun“, handeln vom Sich-Aufrappeln. Warum ist das so wichtig?

Berg: Es immer wieder neu zu versuchen, auch nach Enttäuschungen, macht uns Menschen doch aus. Ja, du hast mich tausendmal belogen, du hast mich tausendmal verletzt, aber am Ende würde ich es immer wieder tun. Wir Menschen brauchen die Liebe. Ohne Liebe sind wir nur Roboter.

In „Unendlich“ singen Sie mit Ihrer Schwiegertochter Vanessa Mai. Ihnen wurde oft eine gewisse Rivalität nachgesagt. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Lied zusammen zu machen?

Berg: Wir sind keine Rivalinnen. Wir sind eine Familie. Wir unterstützen uns und stehen uns zur Seite. Als wir entschieden, dieses Jubiläumsalbum zu machen und ich aufzählte, wen ich alles dabeihaben will, war natürlich auch Vanessa mit dabei. Es käme mir total unnatürlich vor, wenn meine Schwiegertochter nicht auf diesem Album wäre. Und dieser Song, der von Solidarität und von Zusammenhalt handelt, ist wirklich eine Steilvorlage.

Was ist die Aussage des Songs?

Berg: Dass es nicht nötig und nicht möglich ist, immer perfekt zu sein. Weder für sich selbst, noch für den Partner oder die Partnerin. Das macht nur Stress. Um geliebt zu werden, ist es viel wichtiger, du selbst zu sein und dich nicht zu verstellen. Täglich werden Menschen beleidigt oder öffentlich heruntergemacht. Gerade in dieser Zeit ist der Song wirklich wichtig, und vielleicht stupst er manche an, aufeinander zuzugehen und sich trotz aller Schrammen und Macken an die Hand zu nehmen.

Nach dem ganzen Stress rund um die Show und das Album gehen Sie mit Ihrer Mutter Helga und Ihrer Tochter jetzt erst mal auf Safari.

Berg: Oh ja, die Vorfreude ist schon riesengroß. Meine Mama liest jeden Tag irgendwelche Reiseführer und erzählt uns dann, was uns erwartet.

Sie waren mit Ihrer Tochter vor vier Jahren bereits am Kilimandscharo. Fahren Sie wieder dorthin?

Berg: Nein, dieses Mal geht es nach Botswana. Wir werden die Stille genießen und auf Safari den Löwenspuren folgen. Und schlafen werden wir zusammen im Zelt. Das wird bestimmt ein ganz, ganz tolles Abenteuer. Aber zuvor versammeln wir uns mit der ganzen Familie am 6. August bei mir zuhause, um meine große 30-Jahre-Show gemeinsam im Fernsehen anzuschauen.

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