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Interview: Schauspielstar Sophie Marceau: „Liebe ist kein Konsumgut“

Interview

Schauspielstar Sophie Marceau: „Liebe ist kein Konsumgut“

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    Sophie Marceau, inzwischen 55 Jahre alt.
    Sophie Marceau, inzwischen 55 Jahre alt. Foto: Cézaro De Luca, dpa

    Madame Marceau, „Alles ist gut gegangen“ wurde bei seiner Premiere als Ihr Comeback nach zwei Jahren Pause gefeiert. Haben Sie das auch so empfunden?

    Sophie Marceau: Nein, aber ich weiß, die Medien lieben diese sensationsträchtigen Beschreibungen. Was mich angeht, so kann ich mit solchen Etiketten nichts anfangen. Ich bin ganz froh, wenn ich eine Zeit lang keine Bilder von mir sehen muss.

    Aber Sie hatten sich doch vorübergehend zurückgezogen?

    Marceau: Das ist schon richtig. Ich brauchte Zeit für mich selbst. Schon vor dem Lockdown hatte ich meinen persönlichen Lockdown für mich absolviert. So gesehen bedeuteten dann die ganzen Einschränkungen keine großen Veränderungen für mich. Aber solche Rückzugsphasen brauche ich letztlich jeden Tag.

    Sie haben keine Angst, dass Ihre Karriere darunter leiden könnte, wenn Sie sich rar machen?

    Marceau: Wegen meiner Karriere grüble ich nicht nach, denn meine Gedanken richten sich auf die Gegenwart. Vielleicht spielen sie ein bisschen in die Zukunft hinein, aber nur ein kleines Stück. Meine Haltung schwankt zwischen „Ich werde morgen mit der Schauspielerei aufhören“ und „Ich werde das bis ins hohe Alter machen“. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe keine Ahnung, was ich künftig machen werde. Ich ziehe es vor, mich voll und ganz auf den jeweiligen Moment zu konzentrieren.

    Sie denken also auch nicht an den Tod, der ja das zentrale Thema von „Alles ist gut gegangen“ ist?

    Marceau: Meine Eltern sind inzwischen gestorben, und da denke ich natürlich daran, dass es mir eines Tages auch so gehen wird. Aber eigentlich beschäftige ich mich mit dem Thema von Kindesbeinen an. Kinder haben in Sachen Tod keine Scheuklappen, sie stellen ungehemmt Fragen dazu. Mit meinen eigenen Kindern habe ich mich ganz offen dazu unterhalten. Es ist generell wichtig, dass wir in der Gesellschaft eine offene Kommunikation haben. Wir sprechen ständig über irgendetwas, aber um viele Themen machen wir einen Bogen. Von bestimmten Aspekten des Todes zum Beispiel hatte ich keinerlei Ahnung. Bei meinem zweiten Film als Regisseurin brauchte ich ein Begräbnisinstitut, und ich habe mich mit allen möglichen Beschäftigten aus der Branche unterhalten. Man erzählte mir dann, wie man den Körper öffnet. Ich wusste überhaupt nicht, dass ich überlegen muss, was man mit meinem Körper anstellt. Ich weiß es streng genommen immer noch nicht.

    Woher kommt dieser Mangel an offener Konversation?

    Marceau: Ich glaube, das trifft insbesondere auf die Bourgeoise zu. Da gibt es extrem viele Regeln. Alles geht ganz rigide zu. Sogar im Familienkreis wird viel geschwiegen.

    Und Sie kommen damit klar?

    Marceau: Nein, aber die Menschen sind ja nicht alle so. Ich komme aus einem anderen Milieu. Und deshalb umgebe ich mich mit Leuten, mit denen ich mich offen unterhalten kann. Ja, das Schweigen ist Teil der Kultur dieses Landes. Ich stoße mich nicht mehr daran, habe es für mich akzeptiert. Aber ich betrachte das lieber von außen, anstatt es selbst zu praktizieren. Ich höre mir zum Beispiel lieber die Geschichten fremder Menschen an. Zum Beispiel die meines Fahrers heute Morgen – der hatte vier verschiedene Namen, und deren Hintergrund hat er mir erklärt.

    Was würden Sie einem nahestehenden Menschen sagen, der – wie im Film – nach einem Schlaganfall freiwillig aus dem Leben scheiden möchte?

    Marceau: Der Mann in der Geschichte hat eine ganz klare Entscheidung getroffen. Davon kann ihn kein Mensch abbringen. Was sollst du machen? Dich mit ihm anlegen? Ich glaube, die einzige Lösung besteht darin, diese Person auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Man muss da sein. Ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, wie es ist alleine zu sterben. In der Pandemie habe ich sehr oft darüber nachgedacht. Ich war zutiefst erschrocken und bestürzt über die Menschen, die in Einsamkeit sterben mussten. Es ist furchtbar. Ich kann und möchte mir das nicht für mich selbst vorstellen.

    Doch haben Sie sich vorzustellen versucht, was danach kommen könnte?

    Marceau: Ich bin jemand, der mit beiden Beinen fest in der Realität verankert ist. Deshalb konzentriere ich mich auf das Hier und Jetzt für den Fall, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Sollte es eine zweite Chance geben, um neu anzufangen – von mir aus gerne. Das Thema Reinkarnation hat mich nie interessiert, doch eines Tages hatte ich plötzlich die Eingebung: Ich werde wiedergeboren. Ich war mir dessen auf einmal absolut sicher. Diese Gewissheit hat zwar nur 24 Stunden gehalten, aber in dieser Zeit war ich superguter Laune.

    Was verschafft Ihnen Ihre gute Laune jetzt, nachdem Sie diesen Glauben wieder verloren haben?

    Marceau: Ich muss mich einfach nur umschauen. Das Leben ist doch wunderschön. Ich schätze mich total glücklich, dass ich auf diesem Planeten sein darf.

    Versuchen Sie sich mit aller Macht lebendig zu fühlen, wie Ihre Filmfigur, die ständig Sport treibt und aktiv ist?

    Marceau: Ich bin da nicht viel anders als sie. Es ist wichtig, seine Spannungen herauszulassen, beim Sport zu Beispiel. Das ist besser, als seine ganze Wut in sich hineinzufressen. Leider ist die Welt kompliziert und gibt uns viel zu oft Gelegenheit, auszurasten. Jedenfalls will ich bei guter Gesundheit sein, wenn ich sterbe. Außerdem brauche ich meinen Körper als Instrument für die Schauspielerei. Deshalb springe ich freundlich mit ihm um, denn er soll mir keine Probleme bereiten. Der ist wie ein Auto. Ich liebe Autos, solange sie funktionieren. Wenn sie kaputt sind, dann interessieren sie mich nicht mehr. Ich habe keine Lust, sie ständig zu reparieren.

    Wie repariert man denn kaputte Beziehungen?

    Marceau: Das ist ein Thema, für das es keine einfachen Antworten gibt. Und wenn es sie gäbe, dann wären Beziehungen womöglich nur langweilig. Unser Problem ist, dass sich unser Denken auf den Konsum ausrichtet. Wir begehren etwas und wenn wir es bekommen haben, dann sind wir seiner nach einiger Zeit überdrüssig und wollen etwas Neues. Aber Liebe ist nun mal kein Konsumgut. Denn sie berührt etwas tief in uns und zwingt uns, uns mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Doch darin haben wir keine Erfahrung. Denn wir kennen diese intensiven Beziehungen nur aus unserem Leben mit unseren Eltern. Und die einzige Lösung ist es, wenn wir in uns gehen und analysieren: Was ist gut für mich? Was ist gut für den Partner? Das ist ein lebenslanges Suchen und Infragestellen, aber es lohnt sich, auf diese unberechenbare Reise zu gehen. Aber das erfordert natürlich auch Zeit für den anderen. Du kannst ja deinen Partner nicht einfach abschalten wie ein Fernsehgerät. Nein, konzentriere dich jeden Tag auf deine Beziehung, so kannst du etwas Wunderschönes erleben.

    Zur Person: Eigentlich heißt sie ja Sophie Maupu, geboren vor gut 55 Jahren in Paris – die Eltern Verkäuferin und Kraftfahrer. Aber spätestens seit „La Boum“ 1980 ist ihr Künstlerinnenname Marceau ein Begriff. Zu vielen weiteren Filmen zählt auch ein Bond („Die Welt ist nicht genug“). Sie war nie verheiratet, hat Tochter (*1995) und Sohn (*2002) aus zwei unterschiedlichen Beziehungen.

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