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Interview: Ryan Gosling und Emily Blunt halten ein Plädoyer für die Prügelknaben

Interview

Ryan Gosling und Emily Blunt halten ein Plädoyer für die Prügelknaben

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    Ryan Gosling und Emily Blunt spielen zusammen in "The Fall Guy".
    Ryan Gosling und Emily Blunt spielen zusammen in "The Fall Guy". Foto: Christoph Soeder, dpa

    Emily Blunt und Ryan Gosling vor der Kamera vereint – das ist ja eigentlich ein „Barbenheimer“-Wunder! Wie haben Sie den Hype um diese zwei Blockbuster erlebt?
    EMILY BLUNT: Als wir „The Fall Guy“ drehten, waren „Oppenheimer“ und „Barbie“ zwei völlig getrennte Filme. Dass sie zeitgleich starteten und diese Konkurrenz erfunden wurde, spielte uns natürlich in die Hände. Es war ein fantastischer Marketing-Geniestreich für beide Filme. Wer auch immer den Hashtag #barbenheimer erfunden hat – ich bin ihm sehr dankbar!

     
    RYAN GOSLING: Es gab mal einen sehr denkwürdigen Tag, an dem wir „The Fall Guy“ einem Testpublikum vorgeführt haben. Es war so, dass „Barbie“ in dem einen Kinosaal neben uns lief, „Oppenheimer“ in dem anderen – und wir genau dazwischen. Mehr „Barbenheimer“ ging nicht!

    Ein Highlight der Oscarverleihung war Ihre gemeinsame Comedy-Einlage, als vermeintliche Konkurrenten, die sich nicht grün sind. Letztlich ging es Ihnen aber um ein ernstes Plädoyer: dass Stuntleute eine eigene Oscar-Kategorie erhalten sollen. Wären Sie dafür?
    BLUNT: Das wird höchste Zeit. Das ist fällig, seitdem es Filme gibt! Ohne Stuntleute wäre Kino unvorstellbar. Wir haben ihnen so viele Kult-Momente der Filmgeschichte zu verdanken. Als wir als Kinder vielleicht beim ersten

    Was war das Schmerzhafteste, was Sie selbst beide je vor einer Kamera erlebten?
    BLUNT: Der Film „Edge of Tomorrow“ war körperlich mit Abstand das Heftigste, was ich je gedreht habe. Allein das dreimonatige Training, das mich in diese Special-Forces-Kämpferin verwandeln sollte, brachte mich an meine Grenzen.

    Das war Ihr Actionfilm mit Tom Cruise?
    BLUNT: Genau! Ich weiß noch, wie ich am Anfang sagte: Na ja, ich mache doch auch viel Sport! Dann begann das Profi-Training, und ich dachte: Nein – ich mache nie

    Welchen Stunt hätten Sie, Ryan, lieber einem Profi überlassen?
    GOSLING: Die in diesem Film! Ich wäre gerne der allererste Schauspieler gewesen, der gar keine Stunts selbst machen muss. Aber hier musste ich, immerhin spiele ich ja einen Stuntman. Und der erste war für mich besonders heftig, denn ich musste aus dem 12. Stock eines Gebäudes springen – und ich leide unter Höhenangst.

    Aber warum wollten oder sollten Sie das tun? Als Schocktherapie?! 
    GOSLING: Weil dieser Sturz sofort zeigt, wie das Leben eines Stuntman aussieht: Er kommt aus seinem Trailer, läuft übers Set, grüßt und kennt jeden, kriegt noch in der letzten Minute neue Regieanweisungen. Und so wie andere ins Büro gehen, läuft er völlig routiniert in den 12. Stock eines Hauses hoch – und stürzt sich dann von dort herunter. Stuntleute riskieren am Set mehr als alle anderen. Darum stellen wir sie nun ins Rampenlicht.

    Wie erging es Ihnen in dem Moment, als Sie springen sollten? 
    GOSLING: Ich trage in der Szene eine Sonnenbrille – und das nur aus einem einzigen Grund: Man sollte nicht die Panik in meinen Augen sehen. Denn die konnte ich nicht verbergen, nicht mal durch Schauspielerei. Ich war vor Angst auch gar nicht fähig zu spielen, darum musste ich mich so gut es ging verstecken, eben hinter besagter Sonnenbrille.

    Und, hat’s geholfen? Ist Ihre Höhenangst überwunden?
    GOSLING: Ich hatte völlig recht damit, Angst vor Höhen zu haben. Ich kann nur sagen: Man sollte sie meiden. Denn Höhen – der Name sagt es doch schon – sind verdammt hoch!

    „The Fall Guy“ ist eine Verbeugung an alle Leute hinter der Kamera. Sind Sie als Hauptdarsteller, als Ranghöchste am Set, auch wirklich immer nett zu allen, bis hin zum kleinen Beleuchter? Oder sitzen Sie schön abgeschirmt in Ihrem Luxustrailer?
    BLUNT: Ich verschanze mich nicht im Trailer. Dazu macht die Kameradschaft am Set viel zu sehr Spaß. Die Crew hat dich in jedem Moment auf dem Schirm. Sie weiß ganz genau, was in dir vorgeht und lotst dich durch den Film. Sie gibt sich Mühe, um dir den Job zu erleichtern. Ob’s für die Kulisse ist oder das Catering, jeder trägt etwas bei, um eine Produktion in etwas Magisches zu verwandeln. Damit der Film glänzt. Damit ich glänze. Darum weiß ich gar nicht, wem Hierarchie am Drehort etwas bringen sollte.

    Ryan, machen Sie am Set nie auf Star?
    GOSLING: Es ist doch so: Wir Schauspieler kommen groß raus, wir werden zum Gesicht eines Films, wir sind groß auf Postern zu sehen. Aber dahinter steht die Arbeit einer ganzen Armee von Leuten. Was die alles opfern! Während eines Drehs sind sie oft wochenlang weg von ihren Familien. Sie nehmen verrückte Arbeitszeiten auf sich, stehen vor dem Morgengrauen auf und arbeiten bis in die Nacht. Aber Anerkennung? Sogar ihre Namen rasen am Ende des Abspanns so fix durch, dass man sie verpasst. 

    Emily, Sie spielen eine irre nette, irre faire, sehr menschliche Regisseurin. Haben Sie ein großes Herz für Regisseure, weil sie selbst mit einem verheiratet sind?
    BLUNT: Die meisten Regisseure sind kooperativ, offen und fair. Am meisten liegen mir die Filmemacher, die sich selbst hinterfragen, die inspiriert sind, die, welche zusehen, dass es jedem am Set gut geht und die voller Leidenschaft stecken. 

    Ihr Mann John Krasinski ist Schauspieler, inszeniert aber auch Filme wie „A Quiet Place“.
    BLUNT: Ich beobachte derweil, welche Gewitter sich hinter seiner Stirn zusammenbrauen, wenn er ein Drehbuch zum Leben erwecken will, gerade wenn er das Skript selbst geschrieben hat. Ich bewundere Regisseure: Eine Million Leute wollen was von ihnen, jeder zieht und zerrt an ihnen, um sie herum herrscht Chaos pur. Meine Figur sollte lieber nahbar sein. Keine, die immer die richtige Antwort hat, die unfehlbar ist und perfekt. Sondern etwas chaotisch, exzentrisch.

    Gibt es echte Manipulatoren in der Filmbranche? Produzenten, die Ihnen Notlügen oder echte Bären auftischen?
    GOSLING: Wenn es Lügen gab, müssen sie so gut gewesen sein, dass ich sie bis heute nicht durchschaut habe. Wenn Lügen richtig gut sind, erfährt man ja nie die Wahrheit! – Francis Ford Coppola hat mal etwas Geniales über die Branche gesagt: Man muss immer so tun, als würde eine ganze Parade von Leuten hinter einem stehen. Du gehst auf die Straße und marschierst so, als würdest du diese Parade anführen – auch wenn kein Einziger dir folgt. Und eines Tages schaust du hinter dich und wirst merken, dass dir eine ganze Truppe Leute folgt. – Das hat etwas von einer „Fake it till you make it“-Philosophie. Du musst wohl etwas wahnsinnig sein, um zu denken, dass es möglich ist, überhaupt einen Film auf die Beine zu stellen. 

    Ihr Regisseur David Leitch war selbst mal Stuntman, er doubelte Brad Pitt in „Fight Club“.
    BLUNT: An ihm sieht man, wie selbstlos und bescheiden diese Meister sind. Daher war er der Richtige, um seine Zunft mal zu feiern. Mir ist wichtig, dass dieses Thema mal auf den Tisch kommt. „The Fall Guy“ kann ein Sprungbrett werden, um diesen Job endlich mit Oscars zu würdigen.

    Ryan, sind Sie auch so ein glühender Fürsprecher in der Sache?
    GOSLING: Es ist doch traurige Ironie: Schauspieler werden so oft für ihre Courage gefeiert, sich emotional auszuliefern. Aber genauso liefern sich die Stuntleute physisch aus. Sie sind für mich auch Schauspieler und gehören in die Gewerkschaft SAG. Nur gehört es zu ihrem Job, unerkannt zu bleiben, im Schatten zu stehen und so zu tun, als seien sie gar nicht da. Je besser sie sind, desto weniger bemerkt man sie. Es ist versnobt, aufzuteilen, was unser Anteil am Erfolg ist und was ihrer. Wir erschaffen gemeinsam Filmkunst. 

    In „The Fall Guy“ hat Stunt-Legende Logan Holladay den neuen Rekord aufgestellt, sich achteinhalb Mal im Auto um die eigene Achse zu drehen …
    BLUNT: Davor lagen aber Monate voller Berechnungen, Physik, Ingenieurswissen und Training. Stunts – jeder Stunt! – werden über Monate designt! Logan selbst hat jedes Mal sein Leben aufs Spiel gesetzt, bis es perfekt aussah. Für uns. Damit wir Schauspieler gut aussehen und das Publikum gut unterhalten wird. Stuntleute sind die uneitelsten Menschen, die ich kenne. Und was sie machen, ist eine Kunstform! 

     
    GOSLING: Mir reichte es völlig, mich vor und nach dieser Wahnsinnsleistung ins Auto zu setzen. Logan ist übrigens derjenige, der mich in der Szene da wieder rausholt. 

    Warum rühmen sich Schauspieler so gern, ihre Stunts selbst zu machen? Ist das pure Eitelkeit? Oder nur Selbstüberschätzung?
    GOSLING: Ich kann nicht für alle sprechen. Aber ich glaube, das ist für viele Kollegen eine Art Coolness-Test. Vielleicht denken sie, dass das Publikum gern hört, wie weit einer für seine Rolle geht, und langsam hat sich eine Erwartungshaltung gebildet. Dabei macht es die Arbeit eines Schauspielers nicht schlechter, wenn er Stunts nicht selbst ausführt. Schauspieler tun, was sie tun können, so wie jeder am Set sein Handwerk dazu beisteuert, damit am Ende etwas Großes, Exzellentes auf der Leinwand zu sehen ist.

    Zur Person

    Ryan Gosling, kanadischer Schauspieler, geboren November 1980, spätestens seit „Barbie“ everybody’s Lieblingsmann, und Emily Blunt, britisch-amerikanische Schauspielerin, geboren im Februar 1983, die zuletzt als Frau von Physiker-Genie Oppenheimer für Furore sorgte, sind derzeit im Doppelpack unterwegs: Ihr Film „The Fall Guy“ (ab 30. April im Kino) ist nicht nur ein unterhaltsames Action- und Emotion-Spektakel, sondern eine überaus romantische Liebeserklärung an den Berufsstand der Stuntleute, der „fall guys“ – der Prügelknaben. Gosling, dreimal für den Oscar nominiert, ist mit der Schauspielerin Eva Mendes liiert, das Paar hat zwei Töchter. Blunt, für ihre Rolle in „Oppenheimer“ Oscar-nominiert, ist mit dem Schauspieler und Regisseur John Krasinski verheiratet und ist Mutter von zwei Töchtern. 

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