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Foto: David Moir, dpa (Archiv)
Foto: David Moir, dpa (Archiv)

Superstar, Entertainer, Familienvater – aber nach eigenen Angaben der schlechteste Golfer der Welt: Robbie Williams.

Interview
20.08.2022

Robbie Williams: "Ich möchte diese Jahre nicht noch einmal erleben müssen"

Von Steffen Rüth

Der Popstar macht gerade Urlaub, demnächst aber tritt er in München vor 100.000 Menschen auf. Ein Gespräch über psychische Gesundheit, Nacktsein und Golf.

Robbie, wie sieht es aus?

Robbie Williams: Bestens, bestens.

Wo bist du da gerade?

Williams: Ich bin in Südfrankreich. Familienurlaub. Heiß ist es hier. Fast schon zu heiß.

Genießt du den Urlaub trotzdem?

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Williams: Sehr sogar. Wir treffen hier andauernd Menschen, was für mich ein wenig ungewohnt ist. Meine Frau ist sehr, sehr sozial und kommunikativ, und ich hatte von mir selbst gedacht, dass ich auch so würde, wenn ich mit ihr zusammen bin. Aber mein Körper und meine Psyche sind nicht so gut imstande dazu, immer unter Leuten zu sein. Und so ist das für mich jetzt eine eigenartige Mischung: Einerseits fühle ich mich supersexy im Süden Frankreichs mit meiner tollen Frau. Auf der anderen Seite stellt sich bei mir schnell die absolute Überforderung ein, wenn ich mal wieder genötigt bin, Smalltalk mit Milliardären zu machen (lacht).

Du arbeitest womöglich selbst dran, einer zu werden, oder?

Williams: Na ja, mal langsam. Aber ja, ich komme zurecht. Ich habe ein paar sehr gute Freunde, die unglaublich viel Geld haben und trotzdem total liebreizende Menschen sind. Ob jemand nett ist oder auf deiner Wellenlänge, hat ja nichts mit dem Kontostand der Person zu tun. Jedenfalls muss ich noch ein bisschen daran arbeiten, etwas offener zu sein und auf die Leute zuzugehen, während ich gleichzeitig auf meine mentale Gesundheit achtgebe. So oder so habe ich aber in jüngster Zeit gelernt, dass es nicht gut für mich ist, mich bis ans Ende meines Lebens von den Menschen fernzuhalten. Vor allem will ich endlich lernen, wie man im nüchternen Zustand unter die Leute geht.

Du trinkst aber doch schon lange nicht mehr, oder?

Williams: Ich hatte seit 22 Jahren keinen Drink mehr. Der Anpassungsprozess verläuft sehr langsam.

Am 27. August wirst du ein gigantisches Konzert vor über 100.000 Leuten in München spielen. Dich vor der Welt zu verstecken, ist also eh keine Option, oder?

Williams: Oh ja, ich bin extrem dankbar für dieses Konzert. Ach, ich bin Deutschland als solchem superdankbar, Punkt. Ich bin 48 Jahre alt, schon unendlich lange dabei, und ihr habt mich immer noch gern. Die Deutschen sind sehr loyal, einfach ein wundervolles Publikum, unglaublich warmherzig auch. Während also meine Karriere weitergeht, werde ich Deutschland immer und immer dankbarer. Als ich vor fast zwanzig Jahren sagte „Grow old with me“ – „werdet bitte mit mir alt“, hörte Deutschland genau zu und antwortete: „Gerne Rob, machen wir“.

So alt bist du doch noch gar nicht.

Williams: Na ja, ehrlich, wenn du ein „Popstar“ bist, dann nimmst du an einem Spiel für junge Männer teil. Ich spiele definitiv längst in der Altherrenmannschaft des Pop. Ich bin ein Veteran meines Metiers, daran gibt es keinen Zweifel.

Du singst in „Eternity“, dass die Jugend an die jungen Menschen verschwendet wird („Youth is wasted on the young“). Würdest du gern noch einmal Anfang 20 sein?

Williams: Nein, bloß nicht! Ich denke manchmal an diese Phase in meinem Leben zurück, aber nie mit Wehmut oder Sehnsucht. Ich möchte diese Jahre nicht noch einmal erleben müssen.

Du vermisst echt gar nichts von dem, was der junge Robbie hatte?

Williams: Okay, ich hätte gern meinen funktionierenden Rücken von damals. Wenn die Wirbel alle noch in Reih und Glied lägen und die Stoßdämpfer dazwischen noch ordnungsgemäß ihren Dienst verrichteten, wäre das sehr schön. Doch von den Bandscheiben abgesehen, kannst du die verdammten Zwanziger echt behalten (lacht).

Wird die Jugend generell überschätzt?

Williams: Vielleicht nicht für andere Leute, man kann das Leben als junger Mensch natürlich extrem genießen. Aber für mich persönlich war diese Zeit halt nicht so toll. Es ist wirklich eine Schande, wenn ich darüber nachdenke, dass die allererfolgreichsten Jahre meines Lebens hinter Schloss und Riegel meines verkorksten Gehirns stattfanden. Ich war viel zu lange ein Gefangener meiner miserablen psychischen Verfassung. Ich muss also ganz sicher nicht zurück in den Knast in meinem eigenen Kopf.

Du besuchst den alten, gequälten Robbie allerdings in deinem neuen Song „Lost“, der von diesen Jahren und deinen Gefühlen damals handelt. Ist es also wieder was anderes, die Vergangenheit in deiner Musik, deiner Kunst, aufleben zu lassen?

Williams (überlegt): Ja, schon. Es hat etwas sehr Kathartisches, diesen verlorenen Ort mental mit der Sicherheit und Geborgenheit eines mittelalten Mannes aufzusuchen und in diesem Zusammenhang weitere Gifte ausschwemmen zu können, die immer noch in meinem Körper stecken aufgrund von früheren Erfahrungen und Ausschweifungen.

Das Gift verlässt deinen Körper langsam aber sicher?

Williams: Ja, aber es ist dennoch ein konstanter Kampf. Das Gleichgewicht in meinem Körper und in meinem Geist wird gebildet und immer wieder neu verhandelt von ausreichend Schlaf und einer vernünftigen Ernährung und den Menschen, mit denen ich mich umgebe. Das psychische Wohlbefinden erfordert für mich konstante, gute Pflege. Was nicht leicht ist für einen Typen wie mich, der lethargisch eingestellt ist gegenüber Veränderungen und Disziplin. Ja, um es kurz zu machen, ich suche noch immer nach der idealen Balance. Ich muss damit arbeiten, was ich habe und mit dem Robbie zurechtkommen, wie er gerade ist.

Du hast vor wenigen Wochen bei einem Auftritt in Saint Tropez sehr offen über deine psychischen Erkrankungen und deine Süchte gesprochen. Überhaupt hat sich die Gesellschaft in diesen Fragen geöffnet …

Williams: …ich habe ja immer schon über diese Dinge gesprochen, aber es stimmt, seit einiger Zeit hören mir die Menschen genauer zu. Ich habe mir ewig lange das Hirn zermartert, warum ich so bin, wie ich bin, und was an mir nicht stimmt und warum ich so leiden muss, und ich erhielt dafür keine Freundlichkeit, kein Wohlwollen, keine Empathie. Ich wurde verurteilt, mit den üblichen Sprüchen wie „Reiß’ dich mal zusammen“ oder „Worüber willst denn ausgerechnet du dich beklagen?“. Ich denke, heute verstehen die Leute, dass auch reiche, berühmte Menschen unter einer schlechten psychischen Gesundheit leiden können. Es ist eine große Erleichterung, dass wir jetzt in einer Zeit leben, in der Mental-Health-Probleme als Realität für sehr viele Menschen akzeptiert sind.

Um auf dein Album zu sprechen zu kommen: „XXV“ ist sehr opulent und schön gemacht. Wie war es für dich, die alten Hits mit dem holländischen Metropole Orkest neu aufzunehmen?

Williams: Ich finde, es ist eine nette Idee, mir die alten Lieder mit dem Abstand von Jahren oder Jahrzehnten noch einmal vorzunehmen und ihnen durch die Neubearbeitung etwas mehr Gravität zu geben, etwas mehr Gewicht. Für jemanden wie mich, der permanent im Hamsterrad rennt, immer das nächste Ziel vor Augen hat und nach wie vor was reißen will in der Karriere, ist es gut, mal zu sehen, dass ich auch früher schon besser war, als ich damals dachte.

Das heißt, du magst deine eigenen Songs heute lieber als früher?

Williams: Ja, ich betrachte sie mit mehr Liebe. Es ist tough, ein Perfektionist zu sein, der alles als negativ und unzureichend empfindet, was er tut. Daher ist es erleichternd, mich heute diesen Songs widmen und sie bewundern zu können anstatt sie zu hassen und zu verachten.

Du sitzt in der Pose des berühmten „Denkers“ von Auguste Rodin auf dem Cover deines „XXV“-Albums – splitternackt. Was hast du für ein Verhältnis zu deinem nackten Körper

Williams: Ich habe kein Problem damit, nackt zu sein. Ich habe nur ein Problem damit, wie ich nackt aussehe. Was du auf dem Cover siehst, ist eine computergenerierte Version der Person, die ein bisschen so aussieht wie ich.

Hast du denn trotzdem was für deine Form getan, bevor du dich in Pose gesetzt hast

Williams: Der Computer legte keinen Wert darauf, ob ich in Form bin.

In Südfrankreich gibt es jede Menge Nudistenstrände. Würdest du dich gern trauen, dich dort frei zu machen?

Williams: Nein, bitte! Ich denke, wenn ich einen größeren Penis hätte, würde ich Nudismus vielleicht mal ausprobieren. Aber da dies nicht der Fall ist, lasse ich es.

Das tut mir leid zu hören.

Williams: Schon okay. Ich bin 48. Ich habe mich daran gewöhnt (lacht).

Du bist ein eifriger Golfer und du hast unlängst sogar eine Golfklamottenkollektion zusammen mit J. Lindeberg auf den Markt gebracht. Was tut Golf für dich – mental und körperlich?

Williams: Das Wunderbare am Golf ist, dass es mich fokussiert. Ohne so ein Gerüst, so ein Sicherheitsnetz, tendiert mein Kopf dazu, ungesunde Territorien aufzusuchen. Der Golfplatz ist solch ein sicherer Ort für mich. Du bist in Bewegung, du konzentrierst dich, du bekommst Serotonin und du denkst an nur eine Sache – was für ein beschissener Golfer du bist (lacht).

Jetzt geht das wieder los.

Williams: Ernsthaft. Für die Menge an Zeit, die ich ins Golfen investiere, bin ich sehr wahrscheinlich der schlechteste Golfer der Welt.

Info: Der britische Sänger Robbie Williams, 48, geboren in Staffordshire, veröffentlicht am 9. September sein neues Album „XXV“ – darauf hat er seine größten Hits aus seiner 25-jährigen Solokarriere mit einem niederländischen Orchester neu eingespielt. Am 27. August wird Williams, berühmt geworden mit „Take That“, sein einziges Deutschlandkonzert in München geben.

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