Herr Gere, wie definieren Sie Glück?
RICHARD GERE: Darin sind wir wohl alle recht gleich: wenn wir uns frei fühlen. Wenn uns körperlich, geistig und spirituell keine Grenzen gesetzt werden, fühlen wir uns schon ziemlich glücklich. Es gibt einen wichtigen Begriff im tibetischen Buddhismus, der das Glücksgefühl beschreibt -„Bodhichitta. Das ist Mitgefühl, Güte, ein offenes, warmes Herz. Wir alle kennen Menschen, die so großzügig und liebevoll sind, dass es einen umhaut. Man ist gerne in ihrer Nähe. Das absolute „Bodhichitta“ hat mit Weisheit zu tun, es ist ein nicht kognitives Begreifen der Realität tief aus den Zellen des eigenen Wesens heraus - ein Ideal, das aber nur Buddha erreicht. Am nächsten kommt ihm der Dalai Lama, dieser außergewöhnliche Mann.
Über Ihren Film heißt es, er sei „ein Handbuch für Resilienz und Optimismus für gestresste Manager“. Stimmen Sie dieser Beschreibung zu?
GERE: Na, das ist eine moderne Art, es auszudrücken! Man könnte auch einfach sagen: ein Leitfaden, wie ich durch den Tag komme, ohne wütend zu werden. Vom buddhistischen Standpunkt aus nehmen wir zu vieles persönlich. Wenn du mich irgendwie angreifst, ist es meist so, dass dich etwas belastet. Die buddhistische Art wäre zu sagen: „Du hast einen schlechten Tag, oder? Du hast gerade Gift in dir und versuchst nur, das Gift loszuwerden.“ Dann kommt ein gewisses Mitgefühl auf, wenn da jemand ist, der es nicht persönlich nimmt, sondern bemerkt, dass du leidest. Das schafft etwas Stille und Ruhe, damit das Gift sich auflöst, und dann kann Besserung eintreten. Das ist im Grunde die buddhistische Sichtweise auf die Welt.
Wie herausfordernd finden Sie es, Mitgefühl aufzubringen, angesichts der Gräueltaten, die der Mensch seinesgleichen antut?
GERE: Das ist schwer. Es ist unerklärlich, wie einige Gräueltaten passieren konnten - schauen Sie nur die deutsche Vergangenheit an. Wie war es möglich, dass eine ganze Nation, eine Kulturnation, so hypnotisiert wurde? Ich glaube, keiner von uns kann das erklären.
War es für Sie schwierig, Ihren inneren Frieden zu finden, als Sie vor Jahrzehnten zum Buddhismus kamen?
GERE: Ich bin seit 50 Jahren Buddhist, seit 43 Jahren bei den Tibetern - das war einfach, es fühlte sich so natürlich an wie ein Zuhause. Aber der Prozess der Arbeit, die Läuterung des Geistes, ist sehr schwierig. Ich hatte anfangs sehr romantische Vorstellungen, nach dem Motto: „Wenn ich eine Stunde meditiere, werde ich abends ein Erleuchteter sein.“ Das war natürlich lächerlich.
Worin sehen Sie die Ursache der menschlichen Unzulänglichkeit?
GERE: Wir sehen alles im Universum als getrennt an. Sobald man sich darauf einlässt, glaubt man, dass sich selbst schützen muss. Und damit kommen die ganzen Probleme auf: Ich brauche Ressourcen, um mich zu schützen, ich nehme etwas von dir, ich schütze mich vor dir, ich stelle eine Armee auf, damit du meinen Besitz nicht bekommst - und all das entwickelt sich zu einem Riesensystem, das schwer zu durchbrechen ist. Auch Buddha war erst nach und nach in der Lage, sich von dieser negativen Haltung zu reinigen, die er als Quelle aller Probleme betrachtete: die falsche Idee eines Selbst.
Ist der Dalai Lama für Sie ein Feminist? Er rühmt die Qualitäten von Frauen und äußert die Hoffnung, dass eine Frau seine Nachfolgerin wird...
GERE: Ich liebe diesen Teil des Films, es ist jedes Mal ein Genuss, das zu hören.
Entspricht dieses Credo Ihrer eigenen Wertschätzung für Frauen?
GERE: Ich bin ein Mann. Also liebe ich Frauen. Ich hatte meine Frau eine Weile nicht gesehen, als sie gestern hier ankam. (seufzt) Es war wundervoll, sie wieder um mich zu haben, eine Erleichterung, ihre Sanftheit, Großzügigkeit und Liebe zu spüren!
Das klingt durchaus nach Wohlwollen.
GERE: Die meisten finden, dass man Frauen viel stärker vertrauen kann als Männern. Wir wären, wie Seine Heiligkeit sagt, viel besser dran, wenn wir mehr weibliche Leader hätten. Frauen, die den Mut haben, fraulich zu sein, mütterlich zu sein wie Tara, die Große Mutter, die Göttin aller wunderbaren Energien. Frauen wie sie sind nicht nur sanft, sie können auch sehr energisch sein, sehr taff und streng, aber als göttliche Mutter ist ihr Motiv nur dein Mitgefühl, sie will sie letztlich nur alle Kinder weiterbringen.
Ist die USA bereit für eine Frau als Präsidentin?
GERE: Ich bin ganz sicher, dass wir eine Präsidentin bekommen werden. Es war erstaunlich: Als sie nominiert wurde, ging ein Ruck durch Land, als ob alle plötzlich erwachen und denken: „Wow, wir haben ja doch eine Alternative!“ Und wie dämlich dieser Mann, Trump, dann reagiert hat, „Harris hat einen niedrigen IQ“, „ein Kartoffelhirn“ und all das. Es war offensichtlich, wer von beiden das Kartoffelhirn hat.
Was schätzen Sie an Kamala Harris?
GERE: Sie könnte den USA eine aufrechte, unerschrockene Führung bieten. Sie sieht in jedem Bürger einen Schutzbefohlenen und fühlt sich für ihn verantwortlich, egal ob er nun zu ihrem Lager gehört oder nicht. Die US-Präsidentschaft ist sicher keine leichte Aufgabe. Man braucht jemanden, der kämpferisch ist, aber auch ein Herz hat, das groß genug ist, um alle zu umfassen.
Sie sind vor Kurzem mit Ihrer Familie nach Madrid gezogen. War einer der Gründe das politische Klima der USA?
GERE: Auch das, aber vor allem für meine Frau. Sie schenkte mir viele Jahre in New York und wollte jetzt in der Nähe ihrer Familie, ihrer Freunde und ihrer Kultur sein. Unsere Kinder sind zweisprachig und sollen ein paar Jahre in Spanien verbringen. Außerdem mißfällt Alejandra vieles an den USA, wie die schlechte Gesundheitsversorgung. Sie kennt aus Spanien sehr gute Gesundheitssysteme und ist entsetzt, dass Menschen, die sich keine Gesundheitsversorgung oder im Krankheitsfall keine OP leisten können, sterben müssen. Außerdem verabscheut sie die Waffengewalt der USA und die Gewalt an den Schulen. Sie wollte aus mehreren Gründen weg - dabei liebt sie die USA, nebenbei bemerkt. Aber sie will unseren Kindern eine sorglose Schulzeit bieten. Vieles an Amerika ist wunderbar, aber einiges auch entsetzlich und von unfassbarer Ignoranz geprägt.
Hat Ihre Frau Ihnen die Augen geöffnet für Dinge, die Ihnen nicht bewusst waren?
GERE: Nun, wir sind in Amerika damit aufgewachsen, dass Waffenbesitz in unserem zweiten Verfassungszusatz verankert ist. Das ist ein sehr umstrittener Zusatz, und unsere Gerichte streiten immer wieder in allen Instanzen darüber. Der Verfassungszusatz bedeutet nicht, dass jeder zu jeder Zeit jede beliebige Waffe besitzen darf. Er wurde zu einer Zeit verfasst, als keiner der Staat in einer gemeinsamen Union sein wollte. Daher ist er geradezu irreführend formuliert, um möglichst viele Staaten unter einen Hut zu bringen. Denn damals hatte man Angst vor einer zentralen Regierung und wollte gerne seine Milizen behalten. Es ging also um die Bewaffnung der Milizen, nicht um privaten Waffenbesitz. Diese Argumentation gehört bis heute zum Leben jeden Amerikaners.
Fühlen Sie sich in Spanien schon zu Hause? Oder ist dieser Begriff für Sie nicht unbedingt an einen Ort gebunden?
GERE: Wir haben dort einige Freunde, die ich sehr schätze, aber ich habe keine gewachsene Gruppe von Freunden, die ich als meine Welt betrachte. Das wird sich mit der Zeit ergeben. Ich liebe Alejandras Familie und freue mich, mir dort meine Welt aufzubauen.
Auf die Frage, was ein Buddhist so tut, antworteten Sie mal mit einem Dalai Lama-Zitat: „Ich wache morgens auf, lege meine Motivation für den Tag fest und lebe dann den Tag entsprechend.“ Welche Motivation war für heute angesagt?
GERE: Oft ist es dasselbe: Etwas Sinnvolles zu tun, etwas von Bedeutung.
Und?
GERE: Ich bin glücklich. Ich habe heute viele Leute getroffen. Im Moment bin ich erschöpft, ich habe meine eigene Stimme zu lang gehört. PR für einen Film zu machen, kann ein Albtraum sein - oder aber sinnhaft. Ich gehe also davon aus, dass wir gemeinsam daran arbeiten, damit hier etwas Sinnvoll entsteht, für Sie und für mich. Sie schreiben etwas, was andere lesen werden: Vielleicht können wir zusammen ja etwas Positives ermöglichen, etwas tatsächlich Sinnvolles, das unsere Welten erklärt und sie annähert.
Zur Person:
Silbergraues Haar, charmantes Lächeln, Richard Gere verkörpert den perfekten Gentleman. Mit der Romanze „Pretty Woman“ wurde er an der Seite von Julia Roberts zur Hollywood-Legende. Gere wuchs in der Nähe von New York auf, sein Philosophie-Studium hängte er nach zwei Jahren an den Nagel und begann als Schauspieler zu arbeiten. Er trat am Broadway auf, spielte Theater und wurde mit der Rolle eines Callboys im Film „Ein Mann für gewisse Stunden“ bekannt. 1990 landete er mit „Pretty Woman“ einen Mega-Erfolg. Gere ist seit sechs Jahren mit Alejandra Silva verheiratet, die beiden haben zwei Kinder. Seit über 40 Jahren lebt Gere nach den Lehren des Dalai Lama und ist ihm tief verbunden. Jetzt hat der 75-Jährige eine Doku über das Vermächtnis des Dalai Lama mit produziert. Am 8. November startet „Die Weisheit des Glücks“ im Kino.
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