Herr Waalkes, Sie hatten in den letzten Monaten einige Rückschläge zu verkraften, weil Sie Ihre Tournee mehrfach verschieben und dann absagen mussten. Wie unruhig macht Sie das Warten?
Otto Waalkes: Sehr, sehr unruhig. Ich stehe schon mit der Gitarre bereit – (singt) „Gehen zwei kleine Kinder durch den Wald …“ Ich bin auftrittshungrig.
Und wie kommen Sie mit dieser Zwangspause klar?
Waalkes: Zugegeben, sich einfach mal zurückzuziehen, ist nicht das Schlimmste. Ich halte Kontakt durch Social Media, ich übe Gitarre, ich male Bilder. Es ist im Grunde eine zumutbare Beschränkung.
Kann Ihnen etwas Ihre gute Laune verhageln?
Waalkes: Nein, auch nicht Regen oder schlechtes Wetter. Das mag ich, denn dann kann ich mich guten Gewissens zurückziehen, zeichnen, malen, üben. Mit den Umständen zu hadern finde ich unproduktiv, man muss das Beste aus ihnen machen. Auch wenn manches lästig ist, Lockdowns zum Beispiel. Andererseits halten die entscheidenden Leute sie für notwendig, diese Krise zu überwinden. Ich bin jedenfalls froh, Komiker zu sein und derzeit weder Virologe noch Politiker.
Vielleicht wären Sie vernünftiger als manche Politiker.
Waalkes: Wenn man mich für vernünftig hält, muss die Zeit schon sehr aus den Fugen sein.
Eine Tasse Ostfriesen-Tee für die gute Laune
Haben Sie einen Trick, der Sie in gute Stimmung bringt?
Waalkes: Eine Tasse Ostfriesen-Tee, der stimuliert. Und er bringt Erinnerungen zurück: Ich bin in einer sehr harmonischen Familie aufgewachsen. Meine Eltern waren sehr lieb, einfach und schlicht. Mein Bruder, der fünf Jahre älter ist, hat mir viel beigebracht. Drei ideale Vorbilder. Vielleicht ist man nicht so konfliktbereit und widerstandsfähig, wenn man in so einer heilen Welt aufgewachsen ist – aber zu passivem Widerstand durch Komik hat’s gereicht bei mir.
Was haben eigentlich Ihre Eltern gesagt, als Sie seinerzeit die Comedian-Laufbahn einschlugen?
Waalkes: Mein Vater war stolz. Meine Mutter konnte erst mal nichts damit anfangen. Sie war sehr gläubig, und was ich machte, war ihr zu sündig. Sie meinte: „Was erzählst du da im Fernsehen für einen Unsinn?“ Sie konnte nicht verstehen, dass ich bei Sketchen wie „Das Wort zum Monat“ nur das Salbadern gewisser Prediger auf den Arm genommen habe und nicht die Kirche oder gar den Glauben an sich.
Von den ersten Honoraren kaufte er seinen Eltern ein Haus
Hat sie sich dann an Ihre Art Humor gewöhnt?
Waalkes: Von meinen ersten Honoraren konnte ich meinen Eltern ein Haus kaufen. Dafür habe ich gearbeitet, und das ist mir gelungen. Als es so weit war, hat das meine Mutter versöhnt: „Mach so weiter, mein Junge.“ Das Haus war dann die reine Freude für die beiden und hat dazu beigetragen, dass sie so alt geworden sind wie Philemon und Baucis. Noch im hohen Alter sind sie Hand in Hand miteinander eingeschlafen und wieder aufgewacht, das war so rührend. Wenn ich davon erzähle, kommen mir schon wieder die Tränen. Ich vermisse das echt. Ich träume auch noch manchmal von ihnen.
Bei Ihnen hat das leider mit dem lebenslangen Eheglück nicht ganz so geklappt. Glauben Sie trotzdem noch an dieses Ideal?
Waalkes: Auf jeden Fall. Vielleicht ist die lebenslange Ehe nicht mehr ganz zeitgemäß, aber ich bleibe Romantiker. Es müsste doch für jeden einen Partner geben, der mit einem durchs ganze Leben geht.
Sehr dankbar, dass das Hüpfen noch so toll funktioniert
Vielleicht brauchen Sie für die Suche heldenhafte Fähigkeiten – wie Buck Wild, um den sich der neue „Ice Age“-Fim dreht. Haben Sie die?
Waalkes: Dass ich in meinem Alter immer noch auf der Bühne stehe und zwei Stunden „Holla-di-hiti“ mache, dazu gehört eine Superpower, sonst könnte ich das gar nicht. Zumal es nicht beim Stehen bleibt, ich hüpfe ja mehr und bin sehr dankbar, dass das immer noch so toll funktioniert. Da ist die Arbeit im Synchronstudio die reinste Erholung, da lasse ich andere für mich hüpfen, Sid zum Beispiel.
Machen sich Ihre 73 Jahre bemerkbar?
Waalkes: Noch nicht. Wie spät haben wir es denn? Vielleicht ist es morgen so weit. Deswegen plane ich auch nicht lange im Voraus. Ich freue mich, wenn ich morgens aufstehe. Mal zwickt es da, mal dort, aber wenn ich gar nichts mehr fühlen würde, dann wäre ich vermutlich tot.
Aber Sie sind grundsätzlich zuversichtlich?
Waalkes: Ja, was bleibt mir auch anderes übrig. Ich bin ein ewiger Optimist. Bisher bin ich gut damit gefahren. Ich lebe noch und das nicht einmal schlecht. Es passieren ja auch immer wieder Dinge in meinem Leben, die meine Zuversicht rechtfertigen. Den Sid in den „Ice Age“-Filmen spreche ich schon 20 Jahre, und jetzt kommt plötzlich Disney auf mich zu. Was ist das für ein Kompliment! Jetzt kann ich mir endlich den Pulli kaufen, den ich mir so lange gewünscht habe und der so schön kuschelig ist. Denn der, den ich hier trage, ist ein Leihpulli.
Mit der „Ice Age“-Franchise haben Sie sich ja auch neue Zielgruppen erschlossen. Inwieweit kennen Ihre jungen Fans eigentlich Ihre Sketche aus der Vergangenheit?
Waalkes: Wenn ich von der Fanpost ausgehe, die ich bekomme, gibt’s da profunde Kenner und Kennerinnen. Inzwischen mache ich sogar Interviews mit Sieben- bis Elfjährigen, und viele kennen alles von mir auswendig. Das erlebe ich sogar, wenn ich in Kinderhospizen auftrete. Da versuche ich, die Kinder mit meinen Texten ein bisschen aufzuheitern, und wenn ich vom Text abweiche korrigieren sie mich: „Das heißt Schniedelwutz und nicht Schniedelwitz.“ Diesen Kindern ein wenig Spaß zu machen, ist eine harte Herausforderung.
Sie wären ja fast auch zum Erzieher geworden, nachdem Sie Pädagogik studierten. Kommt der Lehrer in Ihnen noch manchmal heraus?
Waalkes: Nein, nur privat, wenn ich jemand Griffe auf der Gitarre zeige oder Pinselstriche vormache. Ansonsten war ich fürs Lehramt ungeeignet. Während des Studiums machte ich mein erstes Praktikum, da war gerade meine erste LP herausgekommen, und als ich ins Klassenzimmer kam, saßen alle da und riefen: „Otto, mach mal den Tarzanruf.“ Das habe ich dann auch gemacht.
Könnte man sagen, dass Sie den Deutschen Lockerheit beigebracht haben?
Waalkes: Mag sein. Aber das kann ich selbst nicht beurteilen. Ich tue unbewusst das, was mir Spaß macht und wobei ich mich wohlfühle. Womöglich überträgt sich das.
Wann haben Sie selbst zum letzten Mal so lauthals gelacht? Und wann vergeht Ihnen das Lachen?
Waalkes: Als ich diesen Kerl da im Fernsehen gesehen habe, haha, der sah vielleicht aus! Das Lachen ist mir erst vergangen, als ich gemerkt habe, dass das nicht der Fernseher war, sondern mein Spiegel.
Können Sie sich eigentlich vorstellen, über die Pandemie Witze zu machen?
Waalkes: Ich muss an Roberto Benigni und seinen Film „Das Leben ist schön“ denken. Worüber der Gags gemacht hat, hielt man ein paar Jahre zuvor noch für tabu! Man kann vieles nutzen, wenn es der Komik dient. Allerdings ist auch das eine Frage des Timings, momentan ist das Leid noch zu nah. Komik ist kein schlechtes Mittel, solche Tiefpunkte zu überwinden. Humor kann hilfreich sein.
Mit welchem Gefühl sollten wir alle an die nächsten Monate herangehen?
Waalkes: Wir sollten uns bewusst sein, dass wir alle in einem Boot sitzen und nur vorankommen, wenn wir beim Rudern einigermaßen im Takt bleiben. Wir sind zwar nicht über Nacht andere geworden, aber es wäre klasse, wenn wir was gelernt hätten. Gandhi hat angeblich mal gesagt: „Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“ Das mag ich nicht glauben. Aber ich bin kein Philosoph.
Zur Person: Muss man noch sagen, dass er im ostfriesischen Emden geboren wurde? Wer das nicht weiß, kennt wohl Otto Gerhard Waalkes, Sohn eines Malermeisters und seit vielen Jahrzehnten einer der erfolgreichsten deutschen Humoristen, nicht. Eigentlich wollte der ja Kunstmaler werden, wurde aber an der Akademie nicht genommen. Lebte dann in der legendären Hamburger WG „Villa Kunterbunt“ samt Udo Lindenberg und Westernhagen – und begann, um ein bisschen Geld zu verdienen, Anfang der 70er mit Gitarre und Witzchen auf der Bühne. Das führte zur „Otto Show“ im Fernsehen, zum Plüschtier Ottifant, zu Kinoerfolgen wie „Otto, der Film“, „7 Zwerge – Männer allein im Wald“, „Catweazle“, zu Star-Synchronisationen wie in den „Ice Age“-Filmen … – und in zwei Ehen und wieder heraus.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast an. In "Augsburg, meine Stadt" spricht eine Augsburgerin über ihre Long-Covid-Erkrankung – und über den mühsamen Weg zurück in ein normales Leben.