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Kate Winslet im Interview über neuen Film „Die Fotografin“

Interview

Kate Winslet: „Wie mich andere sehen, ist zweitrangig“

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    Auf dem Filmfest München stellte Kate Winslet ihren Film „Die Fotografin“ zum ersten Mal in Europa vor und wurde mit dem CineMerit Award für ihre Verdienste um das Kino geehrt.
    Auf dem Filmfest München stellte Kate Winslet ihren Film „Die Fotografin“ zum ersten Mal in Europa vor und wurde mit dem CineMerit Award für ihre Verdienste um das Kino geehrt. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Ms. Winslet, Ihr neuer Film „Die Fotografin“ handelt von Lee Miller, die ihre Karriere in den 1920er Jahren als Modell begann, bevor sie selbst Fotografin und schließlich Kriegsreporterin wurde. Wann kam Ihnen der Gedanke, dieses außergewöhnliche Leben auf die Leinwand zu holen?
    KATE WINSLET: Seinen Anfang nahm „Die Fotografin“ mit einem Tisch. 2015 machte mich eine Freundin, die bei einem Auktionshaus arbeitet und weiß, wie sehr ich alte Tische liebe, auf dieses wunderschöne Möbelstück aufmerksam, das damals zum Verkauf stand. Sie erzählte mir alles über die Geschichte des Tisches, der Roland Penrose gehört hatte und an dem Menschen wie Man Ray oder Max Ernst zum Essen gesessen hatten. Ich ersteigerte ihn und spürte wirklich vom ersten Moment an die unglaubliche Energie, die von ihm ausging. Und natürlich ließ er mich über Penroses Ehefrau Lee Miller nachdenken. Mir fiel auf, dass ich zwar mit ihrem Namen durchaus vertraut war, aber über ihr Aussehen hinaus eigentlich nicht viel über sie wusste. Je mehr ich mich mit ihr beschäftigte, desto weniger verstand ich, warum noch niemand einen Film über sie gedreht hatte.

    Millers Biografie ist filmreif wie wenig andere …
    WINSLET: Das Leben von Lee Miller war wirklich so außergewöhnlich, dass die größte Herausforderung für uns eigentlich war, zu entscheiden, auf welchen Teil davon wir uns im Film konzentrieren wollen. Deswegen dauerte es etliche Jahre, bis dieses Projekt Wirklichkeit wurde. Auch in den 30 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg passierte noch viel in Millers Leben, sie wurde Mutter, besuchte die Elite-Kochschule Le Cordon Bleu und erfand sich als Köchin neu. Man hätte ihre Biografie problemlos in eine zwölfteilige Serie verwandeln können. Aber ich wollte unbedingt einen Film daraus machen. Und zwar kein herkömmliches Biopic, was im Übrigen ein Begriff ist, bei dem es mir gruselt. Es war ganz klar, was wir unseren Fokus auf einen bestimmten Abschnitt ihres Lebens richten mussten.

    Wie setzten Sie letztlich gemeinsam mit den Drehbuchautor*innen die Schwerpunkte?
    WINSLET: Von Beginn an war klar, dass wir von Lee auf eine andere Weise erzählen wollten, als es irgendwer vorher je getan hatte. Bislang nämlich wurde sie eigentlich immer über die Männer definiert, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt hatten. Von der Zeit an, als sie Modell stand und für Man Ray und Co. als Muse – was übrigens auch ein schreckliches Wort ist – diente, war es der männliche Blick, über den man sie wahrgenommen hat. Daran hatte ich null Interesse. Mir war es wichtig zu zeigen, wer diese enorm wichtige Frau wirklich war. Schließlich gibt es viele Menschen, die zwar den Namen Lee Miller schon einmal gehört, aber keine Ahnung haben, dass einige der bedeutendsten Fotografien, die 1944/45 im Kontext des Zweiten Weltkriegs entstanden sind, von ihr stammen – und was sie dafür auf sich nahm. Denken Sie nur an die Bilder von der Schlacht um Saint-Malo oder nicht zuletzt jene aus den gerade befreiten Konzentrationslagern Buchenwald und Dachau.

    Wie würden Sie denn diese Frau beschreiben, in deren Haut Sie für „Die Fotografin“ geschlüpft sind?
    WINSLET: So wie ich Lee gesehen und in der engen Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Anthony Penrose Lee kennengelernt habe, war sie enorm stark, sehr unverblümt und unglaublich mutig, ohne dabei furchtlos zu sein. Im Gegenteil trug sie oft eine große Angst mit sich herum. Doch die überkam sie, um die Wahrheit zu dokumentieren und ans Licht zu bringen. Daneben war sie mitfühlend und liebevoll, ehrgeizig und entschlossen, also wirklich alles, was ich selbst auch immer zu sein gehofft habe. Sie war eine Frau von Welt, mittleren Alters, die als Fotografin in den Krieg zog und dort zur Korrespondentin wurde, weil sie in Worte fassen musste, was sie dort zu sehen bekam. Diese Erfahrungen auf kleine biografische, durch den männlichen Blick geprägte Schnipsel zu reduzieren, kam nicht infrage.

    Haben Sie in Miller eine verwandte Seele erkannt?
    WINSLET: Ja, auf jeden Fall. Wobei ihr Leben natürlich deutlich bemerkenswerter war als meines. Nicht nur ihre Lebenskraft war erstaunlich, sondern auch die Tatsache, wie sie sich mit enorm viel Mut in diesem unglaublich männlich dominierten Feld der Kriegsfotografie durchgesetzt hat. Und das nicht als junge Frau, sondern in der Mitte ihres Lebens! Es ging ihr auch nicht nur um Selbstverwirklichung. Vielmehr konnte sie gar nicht anders, als für die Wahrheit zu kämpfen und sie ans Licht zu bringen, ganz gleich welchen Gefahren sie sich dabei aussetzen musste.

    Also taugt Miller auch heute noch als Vorbild?
    WINSLET: Unbedingt und in so vieler Hinsicht. Ich wollte unbedingt zeigen, wie sehr sie mit sich und übrigens auch ihrem Körper im Reinen war. Sie war weder verbittert noch kompetitiv, sondern hatte im Gegenteil eine enorme Solidarität mit anderen Frauen. Natürlich wusste sie sehr genau, was sie wollte und woran sie wollte, doch ohne dabei auf eine Art und Weise trotzig oder polemisierend zu sein, wie es heutzutage jungen Frauen geradezu abverlangt wird. Und wie ich in meinen 20ern definitiv sein zu müssen glaubte. Ich für meinen Teil hatte während der Arbeit jedenfalls ständig das Gefühl, mir von Miller noch eine Scheibe abschneiden zu können.

    Ist es Ihnen – nach 30 Jahren vor der Kamera und nun der Erfahrung von „Die Fotografin“ – inzwischen wichtig, nicht mehr nur als Schauspielerin, sondern auch als Produzentin gesehen zu werden?
    WINSLET: Wie mich andere sehen, ist zweitrangig. Aber es war mir wichtig, diesen Film zu produzieren, denn ich wusste, dass ich damit mehr für Lee Millers Geschichte tun kann als bloß vor der Kamera. Ich bin lange genug in dieser Branche tätig, um zu wissen, was es braucht, um einen Film zu produzieren – und glauben Sie mir, ich schaffe echt was weg. Die Arbeit ist eine ganz andere als die einer Schauspielerin, viel umfassender und kleinteiliger. Und beides gleichzeitig zu tun, ist eine echte Herausforderung. Aber auch ein Privileg.

    Sie sind aber natürlich auch nicht irgendeine Schauspielerin, sondern spätestens seit „Titanic“ einer der größten Filmstars überhaupt. Wie wohl fühlen Sie sich eigentlich mit dieser Rolle?
    WINSLET: Ich brauchte etliche Jahre, um mich damit zu arrangieren, dass ich plötzlich berühmt war. Das war eine durch und durch seltsame Erfahrung – und durchaus nicht immer angenehm. Als ich nach der Schule begann, mich um Jobs als Schauspielerin zu bemühen, war ich nicht sicher, dass ich überhaupt genug Arbeit finden würde, um davon leben zu können. Von Ruhm, roten Teppichen und solchen Dingen zu träumen, wäre mir gar nicht eingefallen. Entsprechend unvorbereitet traf mich das dann alles, und ich musste wirklich lernen, damit klarzukommen.

    Wie ging das?
    WINSLET: Meine Eltern und Geschwister haben mich damals zum Glück sehr unterstützt. Und meine Agenten waren hilfreich, indem sie mich damals, sogar nach „Titanic“ noch, immer wieder auch kleine Filme machen ließen, die mir am Herzen lagen und bei denen ich das Gefühl hatte, dazulernen zu können. Die Erkenntnis, dass nicht jeder Film eine große Sache oder ein riesiger Erfolg sein muss, empfinde ich bis heute als sehr beruhigend. Dass ich dabei helfen kann, erzählenswerte Geschichten auf die Leinwand zu bringen, ist für mich das Wichtigste. Alles andere ist Nebensache.

    Ausgerechnet bei „Die Fotografin“ wird Ihnen doch nun – mindestens als Produzentin – auch daran gelegen sein, dass der Film von möglichst vielen Menschen gesehen wird, oder?
    WINSLET: Natürlich wäre das schön. Aber ganz ehrlich? Vor allem bin ich stolz darauf, dass unser Film überhaupt existiert. Dass wir geschafft haben, was wir uns vorgenommen hatten, und dass es nun einen Film über Lee Miller gibt.

    Ein Kinderspiel war das nicht. Stimmt es, dass Sie zwischendurch sogar mal zwei Wochen die Gehälter von Cast und Crew aus eigener Tasche bezahlen mussten?
    WINSLET: Das stimmt, aber das ist nicht ungewöhnlich bei einer Independent-Produktion. Manchmal kommen bestimmte Gelder einfach später als geplant, dann muss man zusehen, wie man die Löhne bezahlt. Wir hatten Glück, dass die Geldhähne nie komplett abgedreht wurden, wie ich es bei anderen Projekten auch schon erlebt habe. Die Nerven darf man nicht verlieren, wenn man solche kleinen Projekte eigenständig auf die Beine stellt! Nur weil ich in „Titanic“ mitgespielt habe, heißt das nicht, dass mir nicht auch all die Hürden und Sorgen bekannt sind, mit denen man es beim Filmemachen zu tun haben kann. Aber im Fall von „Die Fotografin“ haben all die kleineren und größeren Schwierigkeiten das gesamte Team eher fester zusammengeschweißt. Wir wussten, dass wir dieses Projekt mit Optimismus, guter Laune und Anstand zu Ende bringen würden, komme, was wolle.

     Kate Winslet als Lee Miller in einer Szene des Films „Die Fotografin“.
    Kate Winslet als Lee Miller in einer Szene des Films „Die Fotografin“. Foto: picture alliance/dpa/STUDIOCANAL | Kimberley French

    Zur Person

    30 Jahre sind es her, dass Kate Winslet als junge Frau in Peter Jacksons „Heavenly Creatures“ ihre erste Kinorolle spielte. Seither hat sie sich als eine der erfolgreichsten und vielseitigsten Schauspielerinnen unserer Zeit etabliert. Die Bandbreite ihrer Rollen reicht von Blockbustern wie „Titanic“ zu Arthouse-Hits wie „Vergiss mein nicht!“, von Kostümdramen („Sinn und Sinnlichkeit“) zu Bestseller-Adaptionen („Der Vorleser“), von Komödien à la „Liebe braucht keine Ferien“ zu Science-Fiction à la „Avatar: The Way of Water“ oder Serien wie jüngst „The Regime“. Nicht viele Filme aber liegen der Britin so sehr am Herzen wie ihr neues Projekt: „Die Fotografin“ (ab 26.9. im Kino) erzählt aus dem einzigartigen Leben der Kriegsberichterstatterin Lee Miller – und ist das erste Werk, das Winslet nicht nur als Hauptdarstellerin, sondern auch als Produzentin verantwortet.

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