Sie waren schon immer ein großer England-Fan und wohnen auch dort. Wie lange schon?
Michael Schenker: Seit ungefähr zehn Jahren bin ich jetzt in Brighton. Eine schöne Stadt mit einer schönen Landschaft.
Sie gehören seit Jahrzehnten zu den besten Gitarristen der Welt und werden in einem Atemzug mit Eric Clapton, Ron Wood und Jimmy Page genannt. Im Jahr 2010 wurden Sie vom Magazin „Classic Rock“ als weltbester Gitarrist ausgezeichnet. Bestand da nie die Gefahr abzuheben?
Schenker: Nein, ich bin da wie ein Kind im Sandkasten: Spiele und entdecke. Ich hatte nie Ruhm und Geld im Kopf, mir ging es immer nur um den Selbstausdruck mit meiner Gitarre. Bei mir habe ich sehr früh eine innere Quelle der Kreativität entdeckt. Ich habe mich auch nie nach einem Trend gerichtet, wo es nach Verkaufszahlen ging. Da hatte ich nie Interesse.
Sie sind auch nie dem großen Kommerz zum Opfer gefallen. Ist das nicht schwierig in diesem Business?
Schenker: Für mich nicht. Das war nie meine Welt berühmt zu sein. Das passt mehr zu meinem Bruder Rudolf, der bei den Scorpions spielt. Aber ich bin 180 Grad das Gegenteil. Alles was ich will, interessiert ihn nicht, und alles, was er will, interessiert mich nicht. Er ist auch der Geschäftsmann. Das war ich nie. Für mich war immer die innere Kreativität ausschlaggebend. Es gibt auch immer Leute, die sprechen auch in meinem Zusammenhang von Old School. Aber das kann auf mich gar nicht zutreffen. Weil ich immer neue Generationen zu neuen Inspirationen weiterentwickelt habe.
Kirk Hammett, Gitarrist von Metallica, hat auch mal gesagt: Michael Schenker und seine damalige Band UFO haben mein Leben verändert. Später haben Sie auch mit ihm zusammengearbeitet …
Schenker: Er hat zu mir gesagt, dass er nie zuvor so was ähnliches in der Richtung gehört hat. Das höre ich aber immer wieder, und ich habe mich seither ständig weiterentwickelt. Also Old School trifft auf mich nicht zu.
Wobei UFO, wo sie zunächst von 1973 bis 1978 gespielt haben, war damals schon etwas Besonderes…
Schenker: Ja klar. Es gibt immer wieder Journalisten, die mir sagen, ohne mich gäbe es heute weder Trash-Metal noch Death-Metal. Ich bin natürlich inspiriert worden von Leslie West, Jimi Hendrix, den Beatles oder den Stones. Ich habe ja schon als Neunjähriger mit dem Gitarrespielen angefangen und spielte mit 15 dann bei den Scorpions. Aber ich kam dann an einen Punkt, wo ich gesagt habe: Michael, was Jeff Beck macht, das musst du nicht auch noch machen, das existiert schon. Warum machst du nicht Michael Schenker? Und das hat mich zu meiner inneren Quelle geführt. Da haben aber nicht alle das Selbstvertrauen und gehen lieber den einfachen Weg. Aber jeder muss sich für seinen Weg entscheiden.
Kann man sagen, dass UFO Ihr späteres Leben geprägt hat?
Schenker: UFO hat nicht mein Leben geprägt. Ich habe das Leben von UFO geprägt. Es war alles Michael- Schenker-Musik. Als ich bei UFO eingestiegen bin (Schenker war damals 17, Anm. d. Red.), konnte ich nicht einmal englisch sprechen. Während die anderen Party und Witze gemacht haben, habe ich mich auf die Musik konzentriert. UFO war ja zuvor eine Psychedelic-Rock-Band, und ich habe eine Hardrock-Band daraus gemacht. Ich habe UFO verändert und habe auch die Scorpions verändert in der Zeit, als ich dort spielte.
Ich habe kürzlich mit meinem Bruder diskutiert. Der ist sich sicher, dass ihr Wechsel von Scorpions zu UFO damals nach einem Konzert in Augsburg zustande kam. Damals soll Scorpions die Vorband von UFO gewesen sein …
Schenker: Das kann sein. Ich hätte nicht mehr gewusst, ob es Augsburg oder Regensburg gewesen ist, aber das könnte passen. Ich habe immer gesagt, wenn sich irgendwann eine englische Band bei mir meldet, dann gehe ich weg von den Scorpions. In Deutschland hat man nie verstanden, was ich mache. Ich wusste, in England verstehen mich die Leute. Und bei diesem Konzert stand UFO nur zu dritt da, weil der Gitarrist krank war, und so hat sich das dann ergeben. Ich habe das Set relativ schnell eingespielt.
Ihr Markenzeichen auf der Bühne ist die Flying-V-Gitarre. Kann man sagen, da ist zusammengewachsen, was zusammengehört?
Schenker: Durch bestimmte Umstände kam ich an diese Gitarre. Als ich die dann beim Spielen zwischen die Beine steckte, habe ich eine Vibration entdeckt, die mit einer schwingenden Gitarre gar nicht möglich wäre. Daher kommt auch meine Position auf der Bühne. Die Leute sage ja immer, ich sehe aus, wie wenn ich auf die Toilette gehe… Alles aus meinem Leben kam aus dem Nichts. Ich habe nie was geplant.
Zwischen Brüderpaaren in der Rockmusik gibt es ja immer wieder Differenzen. Siehe Liam und Noel Gallagher oder Ray und Dave Davies. Wie ist der Stand bei Michael und Rudolf Schenker?
Schenker: Gestritten haben wir uns fast nie. Mein Bruder ist sieben Jahre älter, und die Interessen waren ja oft verschieden. Allerdings hat mein Bruder mein Talent entdeckt und mich auch immer wieder manipuliert. Ich liebe Rudolf als meinen Bruder – aber soziale Entfernung ist für mich wichtig, um nicht in eine weitere unbequeme Situation gedrängt zu werden.
Dabei stand ja vor einigen Jahren eine Rückkehr zu den Scorpions durchaus im Raum …
Schenker: Ja, aber das hatte sich schnell erledigt. 2014 hatte ich ein Intro zum Song „Holiday“ gespielt, weil ich den Scorpions gesagt habe, ich helfe euch als Komponist. Doch das wurde auf „Holiday“ nie erwähnt. Die wollten mich damals nur, damit ich ihnen die Tür nach Amerika öffne. Da war ich ja drüben schon ein Star. Zwei Touren habe ich dann mitgemacht, aber die sind ja nur dem Ruhm hinterhergelaufen. Mein Bruder hat mich dann am Telefon angefleht: Bleib bei uns. Doch ich konnte es nicht machen, weil ich bei denen nur der kleine Junge war. Da musste ich weglaufen. Ein Gespräch mit denen zu führen war unmöglich. Das waren Geschäftsleute, und ich war der kleine Junge im Sandkasten …
Wie ergeht es Ihnen eigentlich in Zeiten von Corona?
Schenker: Es nervt einfach und es ist eine sehr schwierige Zeit. Für meine neue Platte hatte der Virus aber einen Vorteil. Durch diese Katastrophe wurde mein ganzer Plan durcheinandergebracht, aber ich konnte mich ganz dem Album widmen. Es ist jetzt etwas herausgekommen, das zeigt, dass ich mir 50 Jahre treu geblieben bin.
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