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Foto: Aristidis Vafeiadakis/ZUMA Wire, dpa
Foto: Aristidis Vafeiadakis/ZUMA Wire, dpa

Verletzlicher Actionheld: Gerard Butler

Interview
11.02.2023

Gerard Butler: "Ich bin beeindruckt, dass ich noch am Leben bin"

Von Rachel Kasuch

Schauspieler Gerard Butler verlässt ein Filmset selten ohne Verletzungen. Nach dem Dreh von "Plane" hat er noch immer Schmerzen. Ein Gespräch über Angst, Mut und brenzlige Momente.

Mussten Sie jemals eine schlechte Erfahrung im Flugzeug machen?

Gerard Butler: „Ich hatte auf jeden Fall schon einige sehr, sehr turbulente und holprige Flüge. Die schlimmste Erfahrung musste ich jedoch in einem Helikopter machen. Ich habe versucht, zu lernen, wie man einen Helikopter fliegt, aber ich war nicht sehr gut darin (lacht). Bei der Landung ist mir der Helikopter ein paar Mal außer Kontrolle geraten. Ich habe eine falsche Bewegung gemacht und der Helikopter hat angefangen, sich knapp über dem Boden zu drehen. Das war angsteinflößend und sehr gefährlich. Mittlerweile habe ich es aufgegeben, Helikopter zu fliegen.“

Haben Sie vor einem Flug ein gewisses Ritual, damit Sie sich wohler fühlen?

Butler: „Ich benutze häufig ein Nackenkissen. Ich fühle mich zwar jedes Mal bescheuert, wenn ich das Kissen mit mir herumtrage, aber es hilft mir enorm, mich wohlzufühlen. Ansonsten habe ich jedoch kein bestimmtes Ritual, sondern fliege nach dem Motto: Augen zu und durch.“

Also kein Wodka mit Beruhigungspillen?

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Butler: (Lacht) „Leider hatte ich seit 25 Jahren schon keinen Drink mehr, auf den ich zurückgreifen konnte.“

Haben Sie sich bei den Dreharbeiten irgendwelche Verletzungen zugezogen?

Butler: „Ich muss ehrlich zugeben, dass ich selten ein Filmset ohne Verletzungen verlasse – sei es ein Action-Film oder nicht. Am Set von ,Plane‘ war es besonders krass, weil ich eine große Kampfszene hatte, die wir am Stück gedreht haben. Es ist jedoch kein simpler Kampf, sondern es geht hoch her und ist schmutzig. Ich habe mir dabei mehrere Muskeln gerissen, weil wir einfach immer weitergemacht haben. Während des Kampfes hab ich das gar nicht gespürt, weil ich mental so drinnen war und mich unschlagbar gefühlt und an nichts anderes gedacht habe. Das Flugzeug am Ende zu fliegen, war auch extrem. Ich habe versucht, das ganze Gewicht alleine zu stemmen – und das zwei Tage lang. Wir haben den Film vor eineinhalb Jahren gedreht, aber ich habe immer noch Schmerzen in meinem Handgelenk. Ich konnte zeitweise mein Armgelenk überhaupt nicht bewegen. Irgendwann habe ich mich dann gefragt: Wofür mache ich das Ganze? Ich kann doch kein Flugzeug alleine stemmen. Aber am Ende des Tages wird mir dann doch immer wieder bewusst, dass sich die ganzen Verletzungen lohnen. Ich mache es für die Zuschauer und unsere Crews.“

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Foto: Concorde
Foto: Concorde

Gerard Butler in einem Film auf Verbrecherjagd.

Hatten Sie jemals einen Moment im Flugzeug, wo es brenzlig wurde? Hatten Sie schon mal Angst um Ihr Leben?

Butler: „Oh ja. Ich habe fast mit dem Helikopter, in dem ich trainiert habe, eine Bruchlandung hingelegt. Und das zwei Mal! Bei der Landung habe ich einmal einen Fehler mit den Pedalen gemacht und der Helikopter hat angefangen, sich zu drehen. Dabei waren wir nur wenige Meter vom Boden entfernt! Ein anderes Mal war ich auf Hawaii und musste im Dunkeln fliegen. Wir waren ungefähr 360 Meter über dem Grund, als ich meinem Fluglehrer eine lustige Geschichte erzählt habe. Als ich fertig war und er lachte, sah er plötzlich, dass wir nur noch 60 Meter über dem Boden waren. Wir sind innerhalb von nur 30 Sekunden knapp 300 Meter gesunken! Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich weiß nur, dass mein Fluglehrer extrem sauer auf mich war. Ich war auch schon mal in einen schlimmen Motorradunfall verwickelt, bei dem ich durch die Luft und über ein Auto geschleudert wurde. Dabei habe ich mir ganz schön üble Verletzungen zugezogen. Bei den Dreharbeiten zu ,Chasing Mavericks‘ wurde ich von riesigen Wellen überrollt. Da dachte ich wirklich, dass es das Ende für mich war. Das war schrecklich. Ich bin danach sogar im Krankenhaus gelandet, wo sie mein Herz wieder in den richtigen Rhythmus bringen mussten. Ich hatte noch viele andere Momente, in denen ich um mein Leben fürchten musste. Ich bin auf jeden Fall beeindruckt, dass ich noch am Leben bin.“

Haben Sie nach den Dreharbeiten zum Film Angst zu fliegen?

Butler: „Nein, nicht wirklich. Ich will keine Airline in Schwierigkeiten bringen, weil sie sowieso schon eine harte Zeit haben. Wir zeigen im Film eine komplett fiktionale Situation, die wir zur Unterhaltung natürlich bis zum Maximum überspitzt haben. Ich liebe all unsere Szenen im Flugzeug, weil sie so packend und spannend sind. Als Zuschauer ist man bei jedem der Passagiere und den Piloten, während man den Manövern zusieht. Wenn man die Szenen sieht, denkt man, dass es kein Happy End geben wird. Ich glaube, jeder Mensch hat sich schon mal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn man in einem Flugzeug sitzt, das abstürzt. Es passiert ja nicht plötzlich, sondern man hat noch Zeit nachzudenken und zu grübeln, ob man es überleben wird. Diese Gedankengänge finde ich faszinierend. In unserem Film gibt es für die Zuschauer auf jeden Fall keine Atempause, weil es so spannend ist. Ich hoffe natürlich, dass niemand danach Angst hat, in ein Flugzeug zu steigen.“

Haben Sie Gemeinsamkeiten mit Ihrer Filmrolle?

Butler: „Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, dass meine Filmrolle ein geborener Captain ist. Wenn ich Filme mache und als Produzent tätig bin, bin ich auch so etwas wie ein Captain. Ich bin quasi der Hauptdarsteller und der Mann am Steuer. Ich liebe diese Verantwortung und ich genieße den Druck, der damit einhergeht. Meiner Filmrolle geht es, glaube ich, ganz ähnlich. Ich finde auch das Element des Stresshormons Cortisol ganz spannend. In meinem Leben waren meist die besten Momente diejenigen, in denen etwas furchtbar schief ging und ich mir dachte: ,Ich bin gerade wirklich in Gefahr.‘ Gleichzeitig zählen zu meinen Lieblingsmomenten auch diejenigen, in denen ich anderen Menschen in einer schlimmen Situation helfen konnte. Ich bin in Schottland aufgewachsen und auch wenn es ein wundervolles Land ist, passieren dort viele verrückte Dinge. Ich musste einmal einen Typen retten, der von sechs Männern zusammenschlagen wurde. Ich kannte keinen der Menschen, aber ich wusste, dass ich den Typen da rausholen muss, bevor er stirbt. Ich musste auch schon mal einen Jungen aus dem Wasser ziehen, weil er kurz davor war, zu ertrinken. Ich dachte zuerst, er wäre schon tot. In diesen Momenten musste ich mich immer wieder beweisen. Und genau das passiert auch Captain Torrance im Film. Er muss seine Führungsqualitäten und seinen Umgang mit Druck unter Beweis stellen. Er durfte sich dabei nie anmerken lassen, wie gestresst er ist. Vielmehr musste er immer seinen Mut nach außen kehren.“

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Foto: Jordan Strauss/Invision, AP/dpa (Archivbild)
Foto: Jordan Strauss/Invision, AP/dpa (Archivbild)

Schauspieler Gerard Butler kommt zu der Verleihung der Academy Awards.

Wie haben Sie die phänomenale Kampfszene gedreht? Mussten Sie dafür eine Choreografie einstudieren?

Butler: „Ja, es war auf jeden Fall jeder Schritt minutiös geplant, damit wir für die Kamera die besten Einstellungen erwischen. Es muss alles spezifisch sein, damit ich weiß, wo ich am besten stehen und wie ich meinen Arm bewegen soll. Aber selbst dann macht man noch Fehler am Set. Das Problem an der Szene war, dass alles für die Tonne war, wenn ich nur einen Fehler gemacht habe. Wir haben genau deshalb ewig lang an der Szene gefeilt und gearbeitet. Neben der Choreografie musste ich auch auf mein Mindset achten, denn der Kampf ist kein gewöhnlicher. Ich kämpfe quasi um mein Leben – und nicht nur für mich selbst, sondern alle anderen Passagiere. Das macht die Szene so nervenaufreibend und chaotisch. Umso stolzer bin ich, dass wir es alles in einem Durchlauf geschafft haben. Diese Szene gehört zu meinen Lieblingsmomenten im Film.“

Ist es wichtig, vor allem in der heutigen Zeit, eine Geschichte über einen Mann zu zeigen, der dazu bereit ist, sein Leben aufzugeben, um andere zu retten?

Butler: „Ich glaube schon. Die Welt ist bis heute fasziniert von der Stärke der ukrainischen Bevölkerung und dem Zusammenhalt auf der Welt. Wir leben in einer schwierigen Zeit und genau deshalb liebe ich es, Filme zu machen. Wir machen Filme über Helden, Verzicht, Mut und Integrität. Ich finde es toll, dass wir es unseren Zuschauern ermöglichen, diese Geschichten zu sehen. Es sind Geschichten, die man auch auf sein eigenes Leben übertragen kann. Es geht nicht unbedingt darum, ob man in der Lage ist, ein Flugzeug zu landen oder gegen Bösewichte zu kämpfen, aber vielleicht findet man in den Filmen die Stärke, mit seinem Boss zu reden oder etwas Grundlegendes in seinem Leben zu verändern und echte Probleme auf der Welt anzupacken. Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen ins Kino gehen, um inspiriert zu werden und nicht nur, um unterhalten zu werden. Manchmal muss unsere Gesellschaft im Kern erschüttert und bewegt werden. Erst dann entwickeln sich oftmals echte Lösungsansätze, die etwas verändern. Manchmal sind Filme aber auch nur da, damit wir uns nicht so alleine fühlen. Auch Helden können verletzlich sein und falsch liegen.“

Es scheint, als wären Sie perfekt für die Rolle des Helden. Warum ist das so?

Butler: „Ich habe schon viele Helden in Form von normalen Menschen gespielt und es scheint tatsächlich so, als würde ich es nicht verkehrt machen. Aber manchmal sucht man auch nach Rollen, die Teil eines völlig neuen Genres sind. Aber bei mir ist es so, dass die Zuschauer mich in dieser Art von Rolle gerne sehen. Gleichzeitig finde ich aber, dass meine Rolle in ,Plane‘ nicht ganz in das Schema passt. Er ist ein normaler Mensch, der in eine verrückte Situation geworfen wurde. Das wäre, als ob ich plötzlich in die Schauspielwelt mit all der Berühmtheit hineingeschmissen worden wäre. Was meine Rolle jedoch heldenhaft macht, ist sein Mut und sein moralischer Kompass. Er spürt sehr viel Schuldgefühle in sich, übernimmt dafür jedoch die Verantwortung. Genau deshalb liebe ich es, Filme zu produzieren. Ich liebe es, vom Casting bis hin zum Drehbuch und dem Aufbau involviert zu sein. Deshalb habe ich automatisch sehr viel von mir selbst in meine Filmrolle gesteckt. Manchmal ist er vielleicht etwas zu extrem und emotional – aber das bin ich auch.“

Zur Person: Einen Wendepunkt im Leben erlebte Gerard Butler, geboren 1969 im schottischen Paisley, mit Mitte zwanzig: Ein Jurastudium lag hinter ihm, er arbeitete in einer Anwaltskanzlei in Edinburgh, aber offenbar derart lustlos, dass er gefeuert wurde. Butler zog nach London, verzichtete auf Alkohol, bekam erste Bühnenrollen, 1997 schließlich seinen ersten Auftritt im Film „Ihre Majestät Mrs. Brown“ an der Seite von Judi Dench. Es folgten kleinere Rollen etwa in „James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“. Den Durchbruch brachte ihm seine Rolle als Hunnenkönig Attila. Butler ist seitdem häufig in der Rolle des muskelbepackten Helden zu sehen, zum Beispiel als König Leonidas !. in „300“, spielte aber auch im Drama „P.S. Ich liebe Dich“ und sang in Webbers Verfilmung „Das Phantom der Oper“.

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