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Bodo Wartke im Interview: „Wir waren als Menschheit schon in widrigeren Lagen“

Interview

Bodo Wartke: „Wir waren als Menschheit schon in widrigeren Lagen“

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    Mit „Barbaras Rhabarberbar“ landete Bodo Wartke einen Welthit.
    Mit „Barbaras Rhabarberbar“ landete Bodo Wartke einen Welthit. Foto: Sebastian Niehoff

    Hallo Herr Wartke, steigen wir mit einer Eisbrecherfrage ein: Welcher Zungenbrecher liegt Ihnen heute Morgen spontan auf der Zunge?
    Bodo Wartke (lacht): Ah! Da ist einer, mit dem ich gestern ins Bett gegangen bin. Denn mich beschäftigen meine Themen ja auch noch im Schlaf. Denn ich bin immer am Feilen und Weiterbasteln, weil ich mir denke, das geht doch noch besser! Bei dem gestrigen Zungenbrecher stammt die Ursprungsversion vom Kollegen Dominik Artefex aus Frankfurt. Den hatte ich angeschrieben, ob ich ihn übernehmen und mit Beats unterlegen darf. Dominik hat mit Kusshand zugestimmt, und inzwischen haben wir auch schon einen gemeinsamen Zungenbrecher aufgenommen. Der aktuelle handelt von der Rollladenladenverladerolle.

    Seit über einem Jahr erobern Sie mit Ihren gerappten Interpretationen deutscher Zungenbrecher das Internet. Die dürften inzwischen über 100 Millionen mal gestreamt worden sein. Wann und bei welcher Gelegenheit hatten Sie denn diese Wahnsinnsidee?
    Wartke: Es fing an mit dem bekanntesten Zungenbrecher von Fischers Fritz. Da stellte ich mir die Frage, was der mit Fischen macht, nachdem er sie gefischt hat. Parallel war ich auf der Suche nach einer Sache, die socialmediatauglich ist. Denn alle meine Lieder sind länger als das gängige Format. Dann hatte ich diese Idee. Sie ist also keine gekürzte Form meiner anderen Stücke und ist auch kein belangloser Quatsch wie sein Essen zu filmen. Nein, die Zungenbrecher passen wie die Faust aufs Auge, denn die Stücke sind kurz und knackig. Dass das aber auch international so erfolgreich wird, hätte ich nie gedacht.

    Wie viele Barbaras haben sich eigentlich wegen Ihres Hits „Barbaras Rhabarberbar“ bei Ihnen gemeldet?
    Wartke: Sehr viele – immer noch. Die meisten freuen sich, dass es ein Lied über ihren Namen gibt.

    Was schreiben die Fans Ihnen da?
    Wartke: Die entzückendste Geschichte war, als mich eine Frau anschrieb, die gar nicht Barbara heißt. Aber ihr Nachname ist Bonadona, sie kommt offenbar aus dem englischsprachigen Raum. Sie erzählte auf TikTok, dass sie bald heiraten wird und ihr Zukünftiger Bartlebaugh hieß. Und der lege Wert auf einen Doppelnamen. Und wenn sie heiraten, würden sie Bonadona-Bartlebaugh heißen, was so ähnlich klingt wie Aberakadabera aus unserem Barbaras Rhabarberbar.

    Und dann?
    Wartke: Dann hat sie ihre Follower aufgerufen, dass die diesen Zungerbrechertypen aus Deutschland Bescheid sagen sollen, sie wünsche sich, wir sollten ein Video ins Netz stellen, in dem wir Bonadonna-Badebar sagen. Das hat uns erreicht und wir haben das direkt umgetextet auf die beiden und erzählt, dass sie heiraten und wie sie heißen werden. Das hat die Frau unglaublich gefreut! Und jetzt hat sie einen Song, auf den sie auf ihrer Hochzeit tanzen wird.

    Da zeigt sich Social Media von der besten Seite.
    Wartke: Ja, ich glaube, dazu ist das Internet auch ursprünglich erfunden worden, um nämlich Menschen zusammenzubringen.

    War Barbara Schöneberger auch unter den Gratulanten?
    Wartke: Ja sicher! (Er lacht) Für sie haben wir es auf der Verleihung des deutschen Fernsehpreises aufgeführt. In ihrer Talkshow habe ich auch zu diesem Lied getanzt.

    Was man sich als Laie fragt: Kann man im Internet mit so vielen Streams auch ordentlich Geld verdienen
    Wartke: Jein, sag ich mal. In jedem Fall bei weitem nicht so viel wie in den Zeiten, als die Menschen noch physische Tonträger gekauft haben. Man stellte sich vor, die 100 Millionen Leute hätten eine CD von mir gekauft…

    ..dann hätten Sie sich zur Ruhe setzen können.
    Wartke: Vielleicht, aber ich will ja gar nicht aufhören. Allerdings hätten wir früher ohne soziale Medien mit dem Lied auch nicht so viele Menschen erreicht wie heute. Es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Man bekommt aber beispielsweise von Spotify ungefähr 2.86 Euro pro 1000 Streams. Mein Partner Marti Fischer und ich haben dort ungefähr 24 Millionen Streams. Dafür gab es knapp 70.000 Euro, die wir uns ja auch noch teilen. Das ist für einen unfreiwilligen Welthit, der bei einigen Streaming-Charts vor Beyoncé lag, eher na ja! Die andere Möglichkeit, über Werbung Geld zu verdienen, ist wiederum nicht meine Sache. Ich singe lieber Lieder darüber, dass ich Werbung doof finde. Ich wünsche mir, dass dadurch mehr Leute in meine Konzerte kommen.

    Klappt das?
    Wartke: Ja, aber nicht in dem Maße, wie man denken könnte. Meine Konzerte sind nach Corona wieder voll. Da bin ich sehr erleichtert darüber. Aber bei den Konzerten sind nur relativ wenige, die mich vorher nicht kannten. Der weitaus größere Teil sind Leute, die mich durch die Zungenbrecher wiederentdeckt haben. Ich glaube, ich habe ein großes Publikum zurückgewonnen.

    Ich habe ja gelesen, mit bis zu 100 Auftritten jährlich erreichen Sie live auch ein Publikum von inzwischen über 80.000 Menschen. Es ist nicht ganz so viel wie Beyoncé, aber ich sage mal, für einen Kleinkünstler ist es nicht schlecht.
    Wartke (lacht): Stimmt. Ich habe das Glück, genügend Geld zu verdienen mit Dingen, die mir Spaß machen. Und ich muss keine Dinge machen, die mir keinen Spaß machen, aber viel Geld brächten. Es ist ein Privileg, das sagen zu können.

    Neben Zungenbrechern im Internet sind sie aber auch noch analog unterwegs – zum Beispiel mit Ihrem Klavierkabarettprogramm „Was, wenn doch?“. Was erwartet da das Publikum?
    Wartke: Der Programmtitel ist die Gegenfrage zu: Was, wenn es nicht klappt? Mit dieser Zeile endet ein Lied, in dem eine Utopie einer anderen Gesellschaft entworfen wird als die, die wir haben. Dass Dinge scheitern können, ist nur eine von zwei Möglichkeiten. Und ich meine, obwohl wir nun von Krisen und krisenähnlichen Szenarien umgeben sind, gibt es immer die Chance, dass es gut ausgeht. Wir waren als Menschheit ja schon in widrigeren Lagen. Es besteht immer Aussicht auf Optimismus, obwohl ich die Augen nicht vor den Widrigkeiten des Lebens verschließe. Oder anders formuliert: Ich schaue auf die schweren Dinge mit größtmöglicher Leichtigkeit. Man erlebt bei mir jedenfalls einen unterhaltsamen Abend.

    Sie stellen auch so existenzielle Fragen, warum wir mehr aus Angst als auch Liebe handeln. Und ich frage mich auch: Ja, warum eigentlich?
    Wartke (überlegt): Angst sorgt im Idealfall dafür, dass wir am Leben bleiben. Nun haben wir aber tatsächlich viele lebensgefährliche Situationen aus der Steinzeit überwunden. Das heißt: Viel Angst ist heute ungerechtfertigt. Dinge erscheinen uns bedrohlicher, als sie tatsächlich sind. Auch, wenn man zurückschaut. Prozesse, von denen wir annahmen, wir würden jetzt alle daran sterben, sind nicht eingetreten. Ein gutes Beispiel ist das Ozonloch. Tatsächlich ist es der Menschheit mit vereinten Kräften gelungen, dieser Gefahr konstruktiv zu begegnen. Da denke ich mir: Wir haben es schon drauf! Die Angst und die Neugier sind zwei Pole in uns, egal, mit welcher politischen Partei wir sympathisieren. So, jetzt bin ich ganz schön weit von der ursprünglichen Frage weggekommen.

    Ja, die lautete: Warum handeln wir mehr aus Angst als aus Liebe?
    Wartke: Wenn ich das wüsste. Ich kann das nur zur Kenntnis nehmen und dem mein Lied entgegenstellen. Was ich aber weiß, ist, dass Dinge oft erst klappen, wenn wir lange genug gescheitert sind. Das sage ich deshalb, weil ich oft genug auf der Bühne gescheitert bin. Der höchste anzunehmende Unfall eines textlichen Totalausfalls ist mir schon mehrmals passiert. Ich wäre am liebsten in den Boden versunken, aber ich bin immer noch da. Das heißt, selbst wenn das eintritt, vor dem man richtig Angst hat, ist das gar nicht schlimm. Denn häufig ist das Scheitern das Wichtigste an der ganzen Show. Denn es ist menschlich.

    Und trotzdem treibt uns die Angst. Das kann man an den Wahlerfolgen der populistischen Parteien sehen, die mit dieser Angst spielen?
    Wartke: Ja, leider. Es gibt aber auch in den Medien zu wenig gute Nachrichten. Darum erscheint vieles bedrohlicher als es tatsächlich ist. Bei der Energiewende ist es so, dass inzwischen ein Großteil des Strombedarfs über umweltfreundliche Energien erzeugt wird. Und bei uns haben die Menschen den Eindruck, es geht alles den Bach runter!

    Was ich noch fragen wollte: Sie werden in Wikipedia als deutscher Musikkabarettist, Liedermacher, Schauspieler und Rapper geführt. Was sind Sie denn am liebsten?
    Wartke (lacht): Ich bin am liebsten der Grenzgänger zwischen allen Genres. Ich finde es spannend, wenn man sich nicht in eine Schublade einsortieren lässt. Ich sage ja ganz gerne: Wer mich in eine Schublade stecken will, der braucht eine Kommode. Ich mag es, die Leute zu überraschen und spontan die Genres zu wechseln, beispielsweise auf einer klassischen Konzertbühne Dingen zu tun, die dort normalerweise nicht stattfinden.

    Eigentlich dürften Sie ja selbst auf der Bühne gar nicht als Pianist stattfinden. Aber Sie sind auch ziemlich guter Klavierspieler geworden, obwohl Sie mit acht Jahren die Fingerkuppe Ihres linken Ringfingers durch die Abteiltür eines Zuges verloren haben. Sie haben gesagt, dieser Verlust habe Sie erst recht motiviert, professionell Klavier zu spielen. Wie war das?
    Wartke: Ich hatte vorher schon Klavierunterricht. Aber der Verlust der Fingerkuppe war sehr schmerzhaft, gerade für mich als Kind. Heute fehlen zwei Zentimeter vom linken Ringfinger. Als das damals geheilt war, hatte ich tatsächlich so einen Jetzt-Erst-Recht-Effekt. Und siehe da: Ich kann auch ohne Kuppe völlig problemlos Klavier spielen. Ich kann damit selbst Oktaven greifen und spiele, als würde nichts fehlen. Mein Klavierlehrer hatte übrigens genau das gleiche Problem. Dem fehlte ein Teil des rechten Ringfingers. Auch da kann man feststellen: Es geht mehr, als man oft meint. Es gibt ja sogar Leute, die spielen mit den Füßen Gitarre.

    Und noch ein altes Unglück: Wenn man den Pressemeldungen glauben darf, sind Ihre Hobbys Kitesurfen und Snowboarden. Das ist eher untypisch für einen Kleinkünstler. Vor 20 Jahren haben Sie sogar einen Schädelbruch auf der Piste erlitten. Haben Sie sich inzwischen auf Schach umgestellt oder lieben Sie immer die große Freiheit auf den Pisten und Weltmeeren?
    Wartke: Na ja, beide Hobbys habe ich stark eingeschränkt, seit ich Vater geworden bin. Beide kann man zudem an meinem Wohnort Berlin nicht betreiben, denn da gibt es weder Pisten noch ein Meer. Was ich nach wie vor gerne mache, ist Tanzen. Das ist auch weitaus ungefährlicher. Kiten war ich schon lange nicht mehr und beim Skifahren und Snowboarden trage ich inzwischen Helm – auch, weil ich inzwischen weiß, was auf dem Spiel steht. Da bin ich nicht mehr so riskant unterwegs wie früher. Man wird ja älter, hat Familie und Verantwortung.

    Zurzeit hat man das Gefühl, reihen sich – zumindest gesellschaftlich – die Unglücke einfach so aneinander. Was ist für Sie aktuell das schlimmste Unglück?
    Wartke (er denkt lange nach): Das schönste Glück wäre für mich der Sieg der guten Laune. Denn für sie besteht eigentlich immer Anlass. Das schlimmste Unglück ist das Wiedererstarken des Faschismus in der Welt. Denn das ist ein Sieg der schlechten Laune. Und ich wage zu behaupten, wer positiv und leichten Herzens auf das Leben blickt, kommt gar nicht auf die Idee, sich diesen Parteien zuzuwenden. Aber das Thema bereitet mir große Sorgen!

    Zur Person Bodo Wartke, geboren 1977 in Hamburg, ist bekannt als Chansonnier, Schauspieler, Pianist und Rapper. Einem breiten Publikum bekannt wurde Wahlberliner, der als 19-jähriger seine Bühnenkarriere begann, vor allem durch seine Rap-Songs deutscher Zungenbrecher. Er selbst bezeichnet seine Kunst der Unterhaltung als Klavierkabarett in Reimkultur. Darüber hinaus hat er zwei moderne Neudichtungen antiker Dramen herausgebracht, in denen er selbst als Schauspieler auftritt: König Ödipus und Antigone nach Sophokles. „Was, wenn doch“ heißt sein fünftes Klavierkabarettprogramm, mit dem er gerade durch Deutschland tourt - am Samstag, 8. März, ist er damit in der Gersthofer Stadthalle zu Gast.

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